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Tierversuche

 Normen 

§§ 7 ff. TierSchG

BT-Drs. 19/27629 (zu den am 26.06.2021 in Kraft getretenen Änderungen)

TierSchVersV

VersTierMeldV

RL 2010/63

 Information 

1. Allgemein

Tierversuche sind Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken an Tieren oder am Erbgut von Tieren, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind.

Die rechtlichen Vorgaben sind in den §§ 7 - 9a TierSchG geregelt. Einzelheiten sind in der Tierschutzversuchstierverordnung geregelt.

Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, soweit sie zu einem der in § 7a Abs. 1 TierSchG aufgeführten Zwecke unerlässlich sind und sie auf das unerlässliche Maß beschränkt werden.

2. Tierschutzgesetz

§ 7 Abs. 1 TierSchG legt die Zielrichtung fest, Tiere, die zur Verwendung in Tierversuchen bestimmt sind oder deren Gewebe oder Organe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden, zu schützen. Geschützt werden die Tiere somit nicht nur während der Durchführung eines Tierversuches, sondern bereits bei der Zucht und Haltung, wenn sie künftig in Tierversuchen verwendet werden sollen, und im Anschluss an den Tierversuch, bis ihre Zweckbestimmung entfällt, d.h. feststeht, dass sie nicht mehr in Tierversuchen verwendet werden sollen, und sie, sofern sie nicht getötet werden, dauerhaft außerhalb von Einrichtungen oder Betrieben, in denen Tiere, die zur Verwendung in Tierversuchen bestimmt sind oder deren Gewebe oder Organe dazu bestimmt sind, zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet zu werden, gezüchtet oder gehalten werden, untergebracht oder freigelassen werden.

In § 7 Abs. 1 S. 2 TierSchG werden Grundsätze geregelt, die bei der Durchführung von Tierversuchen, aber auch bei der Zucht, Haltung und Pflege der Tiere im Sinne des Satzes 1 zu beachten sind. Tierversuche sind im Hinblick auf die in den Buchstaben a bis c genannten Kriterien auf das unerlässliche Maß zu beschränken. Dieser Grundsatz beruht auf dem Prinzip der Vermeidung, Verminderung und Verbesserung. Tierversuche dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn andere Methoden nicht zur Verfügung stehen, und in diesem Fall dürfen die verwendeten Tiere bei der Durchführung des Tierversuches nur in dem Maße Schmerzen und Leiden empfinden oder Schäden erleiden, wie es für den verfolgten Zweck unerlässlich ist. Auch die Zahl der Tiere ist auf das unerlässliche Maß zu reduzieren. Im Hinblick auf den weiten Schutzbereich wirkt sich dieses Prinzip auch auf die Bereiche aus, die nicht unmittelbar die Durchführung des Tierversuchs betreffen: Es ist sicherzustellen, dass die Tiere bei der Zucht, Haltung und Pflege nur in dem Umfang belastet werden, der im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung unerlässlich ist.

Dabei beinhaltet der Grundsatz der Unerlässlichkeit gemäß § 7 Abs. 1 TierSchG auch, dass die Zucht, Haltung und Pflege der Tiere sowie die Methoden, die in Tierversuchen angewendet werden, verbessert werden müssen.

Gemäß dem zum 26.06.2021 neu eingefügten § 7 Abs. 2a TierSchG sind zur Vermeidung von Doppel- oder Wiederholungsversuchen sind Daten aus Tierversuchen, die in nach Unionsrecht anerkannten Verfahren in anderen Mitgliedstaaten der EU gewonnen wurden, anzuerkennen. Dies gilt nicht, wenn zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit oder der Umwelt in Bezug auf die in Satz 1 genannten Daten weitere Tierversuche durchgeführt werden müssen.

§ 7a Abs. 1 TierSchG legt fest, zu welchen Zwecken Tierversuche durchgeführt werden dürfen.

In § 7a Abs. 2 TierSchG werden die Grundsätze aufgeführt, die im Rahmen der Prüfung und Entscheidung, ob ein Tierversuch unerlässlich ist, zu beachten sind. Bei der Prüfung gemäß Nummer 2, ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann, ist insbesondere bei Tierversuchen zur Aus-, Fort- oder Weiterbildung zu prüfen, ob zur Zweckerreichung nicht auch filmische Darstellungen, Computersimulationen, harmlose Selbstversuche, lebensechte Modelle oder Ähnliches geeignet sind.

Weitere Neuerungen zum 26.06.2021:

  • Zuvor war für Tierversuche, die zum Zweck der Aus-, Fort- und Weiterbildung erfolgen, eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ausreichend. Für diese Tierversuche ist nun eine behördliche Genehmigung erforderlich.

  • Auch für weitere Varianten von Tierversuchen, wie zum Beispiel gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche bei der Arzneimittelzulassung oder zu diagnostischen Zwecken, ist eine Anzeige bei der Behörde nicht mehr ausreichend. Vielmehr ist auch hier eine Genehmigung erforderlich. Sie erfolgt in diesen Fällen in einem - im Vergleich zu den übrigen Genehmigungsverfahren bei Tierversuchen - vereinfachten Verfahren.

  • Darüber hinaus wird der behördliche Prüfprozess von Tierversuchsanträgen ausgeweitet.

  • Ebenso sieht das Gesetz detaillierter ausgestaltete Regelungen für die Kontrolle von Tierversuchseinrichtungen vor. So wird zum Beispiel festgelegt, dass Einrichtungen, in denen Tierversuche mit Primaten stattfinden, mindestens einmal jährlich zu kontrollieren sind.

3. Tierschutz-Versuchstierverordnung

Am 9. November 2010 ist die RL 2010/63 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere in Kraft getreten. In den Mitgliedstaaten bereits bestehende, über die Regelungen der Richtlinie im Sinne eines umfassenderen Tierschutzes hinausgehende Vorschriften durften beibehalten werden. Durch den Erlass einer Tierschutzversuchstierverordnung sollen die für die Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Vorschriften geschaffen werden, soweit diese Umsetzung nicht bereits durch die Vorschriften des Tierschutzgesetzes erfolgt ist.

Mit der RL 2010/63 werden EU-weit gleiche Rahmenbedingungen für Industrie und Forschung zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere geschaffen. Der Schutz der Tiere, die in der Europäischen Union in wissenschaftlichen Verfahren eingesetzt werden, wurde erhöht.

Die Richtlinie hat insbesondere das Ziel, die konsequente Umsetzung des sogenannten "3R-Prinzips" (Replacement, Reduction, Refinement) zur Vermeidung, Verminderung und Verbesserung der Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken sicherzustellen. Dabei sind auch Kenntnisse und Fähigkeiten aller beteiligten Personen von entscheidender Bedeutung. Insoweit sind die bereits im Tierschutzgesetz vorhandenen Regelungen zur Sachkunde überarbeitet und ergänzt und zum Teil in die Verordnung übertragen worden. Dabei wurden auch Regelungen im Hinblick auf eine regelmäßige Fortbildung des Personals aufgenommen. Ein Schwerpunkt dieser Regelungen liegt im Bereich der regelmäßigen Fortbildung des Personals. Weiterhin ist es aus Gründen des Tierschutzes erforderlich, dass die Einrichtungen und Betriebe über geeignete Räumlichkeiten, Anlagen und Ausstattungen verfügen.

Eine wichtige Funktion haben bei der Einhaltung dieser Anforderungen der Tierschutzbeauftragte sowie der Tierschutzbeirat, welcher infolge der Umsetzung der RL 2010/63 neu eingeführt wird. Die Regelungen zum Anzeige- und Genehmigungsverfahren sind überarbeitet worden. Die bereits vorhandenen Regelungen zu erforderlichen Aufzeichnungen sind ergänzt worden. Sie tragen dazu bei, dass die zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sowie des Tierschutzgesetzes zu Tierversuchen insbesondere hinsichtlich Anzahl, Herkunft und Schicksal der Tiere überwachen können.

Eine Begründung der Tierschutzversuchstierverordnung kann in der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 670/12) nachgelesen werden.

Mit der Überarbeitung der Tierschutzversuchstierverordnung zum 01.12.2021 wurde der Grundsatz der Verbesserung des Wohlergehens der Tiere an verschiedenen Stellen stärker betont. Es ist nun eine fortlaufende Überprüfung des Wohlergehens der Versuchstiere durch die Verantwortlichen erforderlich, um das Wohlergehen der Tiere bei der Haltung, der Zucht oder der Versuchsdurchführung angemessen sicherzustellen.

Da die Richtlinie 2010/63/EU bestimmte Aufgaben ausdrücklich dem Tierschutzausschuss zuordnet, werden diese vom Tierschutzbeauftragten auf den Tierschutzausschuss übertragen.

Darüber hinaus werden Änderungen eingefügt, die ein unabhängigeres Arbeiten des Tierschutzausschusses gewährleisten sollen. Des Weiteren ist nun als Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis für die Züchtung und Haltung von Primaten das Vorliegen eines Konzeptes erforderlich, mit dessen Hilfe der Anteil derjenigen Tiere vergrößert werden soll, die Nachkommen von in Gefangenschaft gezüchteten Primaten sind.

Eine weitere wesentliche Änderung betrifft die bisher im Anzeigeverfahren behandelten Versuchsvorhaben nach § 8a Abs. 1 des Tierschutzgesetzes. Diese müssen nun, mit Ausnahme von Versuchsvorhaben zu Aus-, Fort- oder Weiterbildungszwecken, in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren beantragt werden. Versuchsvorhaben zu Aus-, Fort- oder Weiterbildungszwecken werden nun im vollumfänglichen Genehmigungsverfahren nach § 8 Abs. 1 TierSchG behandelt, es sei denn, es handelt sich um einen Versuch, dessen Durchführung durch regulatorische Vorgaben vorgeschrieben ist.

 Siehe auch 

Tierhaltung

Tierschutz

Tiertransport

BVerfG 18.11.2004 - 1 BvR 2252/04 (Nicht genehmigte Filmaufnahmen von Tierversuchen)

BVerwG 18.06.1997 - 6 C 5/96

Calliess: Tierschutz zwischen Europa- und Verfassungsrecht. Überlegungen am Beispiel der Tierversuchsrichtlinie; Natur und Recht - NuR 2012, 819

Maisack: Zur Neuregelung des Rechts der Tierversuche; Natur und Recht - NuR 2012, 745

Schiwy; Deutsche Tierschutzgesetze. Kommentar zum Tierschutzgesetz und Sammlung deutscher und internationaler Bestimmungen; Loseblattwerk