Rechtswörterbuch

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Tat - strafprozessuale

 Normen 

§ 264 StPO

§ 46 OWiG

 Information 

Einführung:

Straftaten werden in Verbrechen und Vergehen eingeteilt. Die Begehung einer Ordnungswidrigkeit ist keine Straftat. Aber: Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt über § 46 OWiG der prozessuale Tatbegriff des Strafrechts.

Gegenstand der Urteilsfindung im Strafprozess ist gemäß § 264 StPO die in der Anklage bezeichnete Tat.

Begriffsbestimmung "Tat":

Darunter ist der einheitliche geschichtliche Vorgang zu verstehen, innerhalb dessen der Angeklagte mindestens einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Ein einheitlicher Lebensvorgang besteht insbesondere bei engem sachlichem, räumlichem und zeitlichem Zusammenhang. Ein persönlicher Zusammenhang, die Verletzung des gleichen Rechtsguts oder der Umstand, dass die einzelnen Handlungen Teile eines Gesamtplans sind, reicht nicht, um mehrere selbstständige Handlungen im materiellrechtlichen Sinne zu einer einzigen Tat zu verbinden. Materiell-rechtlich selbstständige Taten sind in der Regel auch prozessual selbstständig (BGH 12.09.2013 - 4 StR 503/12).

Mit der neueren Entscheidung BGH 13.02.2019 - 4 StR 555/18 grenzt der BGH den prozessualen Tatbegriff weiter ab:

"Die Tat als Prozessgegenstand ist dabei nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten darin zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört dazu das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorgang nach der Auffassung des Lebens ein einheitliches Vorkommnis bildet (...). Verändert sich im Verlaufe des Verfahrens das Bild des Geschehens, wie es in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss umschrieben ist, so ist die Prüfung der Frage, ob die Identität der prozessualen Tat trotz Veränderung des Tatbildes noch gewahrt ist, nach dem Kriterium der "Nämlichkeit" der Tat zu beurteilen (...). Dies ist - ungeachtet gewisser Unterschiede - dann der Fall, wenn bestimmte Merkmale die Tat weiterhin als ein einmaliges und unverwechselbares Geschehen kennzeichnen (...). Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort, Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Täterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung sowie durch das Tatopfer bestimmt."

Der prozessrechtliche Begriff der Tat kann verschiedene Handlungen erfassen.

Auftauchen neuer Tatsachen:

Kommt das Gericht während der Hauptverhandlung aufgrund neuer Tatsachen zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Tat, so hat es gemäß § 265 StPO den Angeklagten hierauf hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben.

Ergeben sich während der Hauptverhandlung weitere Anklagepunkte, so können diese gemäß § 266 StPO in das laufende Verfahren einbezogen werden, wenn der Angeklagte zustimmt.

Eine andere Möglichkeit der Einbeziehung weiterer Taten besteht nicht, da innerhalb einer laufenden Hauptverhandlung dem Angeklagten jenseits der Tatidentität eine Anklageerweiterung nicht aufgezwungen werden darf (BGH 11.12.2008 - 4 StR 318/08).

Vorbereitungshandlungen:

Auch Vorbereitungshandlungen sind bei Vorliegen der Voraussetzungen als Teil des Tatgeschehens anzuerkennen (BGH 21.04.2022 - 3 StR 360/21):

"Hier liegen das Auskundschaften des Tatorts und der eigentliche Raubüberfall - äußerlich - zeitlich und örtlich so eng beieinander, dass es künstlich wäre, sie aufzuspalten und zwei geschichtlich getrennte Vorgänge anzunehmen. Das vom Angeklagten eingeräumte Verhalten sollte außerdem in Erwartung einer "günstige(n) Gelegenheit" unmittelbar, ohne einen neuen Willensentschluss und eine neue Tatplanung (...), in den Raubüberfall einmünden, so dass beide Tatabschnitte - innerlich - auch in einem motivatorischen Zusammenhang standen. Deshalb ist der Beitrag im Vorbereitungsstadium hier Teil der nämlichen prozessualen Tat."

 Siehe auch 

Ermittlungsverfahren

Handlungseinheit

Hauptverhandlung

Konkurrenz von Straftaten

Nachtragsanklage

Tateinheit

Satzger: Wann "entspricht" ein Unterlassen einem Tun? Zur Entsprechungsklausel in § 13 StGB; Jura 2011, 749