Rechtswörterbuch

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Stellenbewerbungsverfahren

 Normen 

Art. 33 Abs. 2 GG

§§ 1, 6 Abs. 1 AGG

 Information 

1. Einführung

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber über den der Stelle zuzuordnenden Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stellenbewerbers frei entscheiden. Grenzen ergeben sich aber dann, wenn Anforderungen an Bewerber gestellt werden, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt sind (BAG 22.07.2010 - 8 AZR 1012/08).

Daneben bestehen Vorgaben für alle Arbeitgeber nach dem Recht der Allgemeine Gleichbehandlung (s.u.) sowie für die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nach den Grundsätzen der Bestenauslese sowie den Gleichstellungsgesetzen.

Von diesen gesetzlichen Vorgaben unabhängig sind nach einigen Gleichstellungsgesetzen der Länder, wie z.B. § 9 LGG,NW, sowie dem Gleichstellungsgesetz des Bundes (Gleichstellungsbeauftragte - Bund) in durch Frauen unterrepräsentierten Bereichen bei Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen mindestens ebenso viele Frauen wie Männer zum Vorstellungsgespräch zu laden.

2. Anspruch auf Teilnahme am Bewerbungsverfahren

Soweit nicht bereits ein Beschäftigungsverhältnis besteht, kann der Bewerber den Bewerbungsverfahrensanspruch nur mit Erfolg geltend machen, wenn er bereit ist, in die Dienste des Arbeitgebers zu treten. Der öffentliche Arbeitgeber ist auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gesicherten Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht gehalten, eine den Vorstellungen des Bewerbers entsprechende Stelle zu schaffen (BAG 19.05.2015 - 9 AZR 837/13).

3. Pflicht zur benachteiligungsfreien Stellenauswahl nach dem AGG

Siehe den Beitrag "Benachteiligungsfreie Stellenauswahl nach dem AGG".

4. Informationspflichten behinderter / schwerbehinderter / gleichgestellter Bewerber

Mit dem Urteil BAG 26.09.2013 - 8 AZR 650/12 hat das BAG erstmalig festgestellt, dass ein behinderter, schwerbehinderter oder gleichgestellter Bewerber immer verpflichtet ist, die Behinderung / Schwerbehinderung / Gleichstellung ungefragt zu offenbaren. Danach bestehen folgende Grundsätze:

Soweit die Schwerbehinderteneigenschaft dem Arbeitgeber nicht nachweislich schon bekannt ist oder - etwa bei einem Vorstellungsgespräch - eine körperliche Behinderung offensichtlich bekannt wird, muss der Bewerber den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Dies hat regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst, gegebenenfalls unter Angabe einer Gleichstellung zu geschehen, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen. Wird die Information im Lebenslauf gegeben, so hat dies an hervorgehobener Stelle und deutlich, etwa durch eine besondere Überschrift hervorgehoben, zu geschehen. Dies gilt auch für anderweitige Behinderungen, die nicht unter das SGB IX fallen oder anerkannt sind. Daher sind "eingestreute" oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises etc. keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners.

Dabei ist grundsätzlich der Grad der Behinderung anzugeben, es sei denn, der Bewerber informiert den Arbeitgeber über das Vorliegen einer Schwerbehinderung. In diesem Fall ist der Arbeitgeber darüber informiert, dass mindestens ein Behinderungsgrad von 50 % vorliegt, das ist ausreichend (BAG 22.10.2015 - 8 AZR 384/14).

5. Öffentliche Arbeitgeber

5.1 Organisationsermessen

Der öffentliche Arbeitgeber hat ein weites Organisationsermessen im Rahmen der Personalauswahl und Stellenbesetzung: "Die Entscheidung darüber, welchen Zuschnitt eine Stelle haben soll, welche Zuständigkeiten ihr im Einzelnen zugewiesen sind und welche Fachkenntnisse zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, fällt in das Organisationsermessen des Arbeitsgebers" (BAG 28.01.2020 - 9 AZR 91/19; LAG Hamm 02.11.2021 - 17 Sa 460/21).

5.2 Bewerbung schwerbehinderte Bewerber

Arbeitgeber müssen über die Bewerbung eines schwerbehinderten Bewerbers diskriminierungsfrei entscheiden. Sofern eine Schwerbehindertenvertretung besteht, ist diese zwingend zu beteiligen.

Öffentliche Arbeitgeber sind zudem verpflichtet, schwerbehinderte Arbeitnehmer zum Vorstellungsgespräch einzuladen.

6. Anforderungsprofil Beamte

Auslegung des Anforderungsprofils:

Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass Inhalt und Bindungswirkung des in einer Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils durch eine am objektiven Empfängerhorizont potenzieller Bewerber orientierte Auslegung zu ermitteln sind. Ob sich die Verwaltung intern durch eine bestehende Behördenpraxis oder Richtlinien auf eine bestimmte Interpretation festgelegt sah, ist deshalb nicht von Bedeutung (BVerwG 08.07.2014 - 2 B 7/14).

Korrelation zwischen Anforderungsprofil und Dienstposten:

Werden zwingende dienstpostenbezogene Kriterien ins Anforderungsprofil aufgenommen, müssen sich dafür auch hinreichend gewichtige sachliche Gründe für die Aufgabenerfüllung auf dem konkreten Dienstposten finden lassen (BVerwG 06.11.2020 - 1 WDS VR 10/20).

Recht des Dienstherren sowohl das für die Aufgabenerfüllung für die notwendige Beamtenstelle Fachwissen zu definieren als auch die Qualifikation des tarifangestellten Bewerbers zu beurteilen:

"Der Dienstherr darf im Rahmen seines dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten, allein öffentlichen Interessen dienenden Organisationsermessens festlegen, bei welcher beruflichen Vorbildung ein für die Aufgabenerfüllung essentielles besonderes fachliches Wissen vorliegt, aufgrund dessen er bereit ist, einen Bewerber vom Tarifangestelltenverhältnis in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen. Hat der Dienstherr sich aus Gründen eines gleichmäßigen Verwaltungshandelns einen Kriterienkatalog gegeben, in dem er solche beruflichen Vorbildungen festlegt, hat ein Bewerber unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung einen Anspruch auf eine willkür- und missbrauchsfreie Entscheidung anhand dieses Kriterienkatalogs" (BVerwG 10.12.2020 - 2 A 2/20).

7. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

Dem Betriebsrat sind zwar nicht nur die Unterlagen der nicht berücksichtigten Bewerber vorzulegen, sondern auch solche Schriftstücke, die der Arbeitgeber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens über die Bewerber erstellt hat. Der Betriebsrat kann sein Recht, für die zu treffende Auswahl Anregungen zu geben, sachangemessen nur ausüben, wenn er die vom Arbeitgeber ermittelten und von diesem für auswahlrelevant gehaltenen Daten und Unterlagen kennt.

Zu den danach vorzulegenden Bewerbungsunterlagen gehören Unterlagen, die der Arbeitgeber allein oder zusammen mit dem jeweiligen Bewerber anlässlich einer Bewerbung erstellt hat, aber nur, wenn der Arbeitgeber diese Schriftstücke bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt. Aufzeichnungen, die hierfür ohne jegliche Bedeutung sind, muss der Arbeitgeber nicht vorlegen. Die anlässlich der Bewerbungsgespräche von einem Personalsachbearbeiter gefertigten Notizen sind nicht zu berücksichtigen, wenn nur als Erinnerungsstütze für die Besprechung mit dem Vorgesetzten und für die Abfassung des an den Betriebsrat gerichteten Unterrichtungsschreibens erstellt wurden (BAG 14.04.2015 - 1 ABR 58/13).

8. Schadensersatz des abgelehnten Bewerbers

"Ein übergangener Bewerber kann Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Der Schadensersatzanspruch folgt - unabhängig vom Amtshaftungsanspruch auf Geldersatz" (BAG 28.01.2020 - 9 AZR 91/19).

 Siehe auch 

Altersdiskriminierung

Allgemeine Gleichbehandlung - Arbeitsrecht

Benachteiligungsfreie Stellenauswahl nach dem AGG

Personalfragebogen

Schwerbehinderte Arbeitnehmer

Schwerbehinderte Arbeitnehmer - Vorstellungsgespräch

Stellenausschreibungspflicht

Vorstellungsgespräch