Rechtswörterbuch

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Rechtsanwaltskammer

 Normen 

§§ 60 - 91 BRAO

§ 24 BORA

§ 32 EuRAG

 Information 

1. Allgemein

Rechtsanwaltskammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und dienen der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft. Ziel ist es, die Unabhängigkeit der Anwaltschaft von staatlicher Einflussnahme zu sichern.

Neben der Bundesrechtsanwaltskammer bestehen 28 regionale Rechtsanwaltskammern, einschließlich der Rechtsanwaltskammer am BGH. Für jedes Oberlandesgericht ist eine Rechtsanwaltskammer eingerichtet, deren Sitz an den Sitz des Oberlandesgerichts gekoppelt ist.

Die Finanzierung erfolgt über Mitgliedsbeiträge, deren Höhe in der Kammerversammlung festgelegt wird.

2. Mitglieder

Mitglieder der Rechtsanwaltskammern sind die zugelassenen Rechtsanwälte, die Berufsausübungsgesellschaften, die Geschäftsführer der Berufsausübungsgesellschaften sowie die in §§ 206, 209 BRAO genannten Berufsgruppen (Rechtsanwälte aus dem Ausland, Rechtsberater etc.). Die Mitgliedschaft ist immer pflichtig.

Die örtliche Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer richtet sich nach dem Ort der Rechtsanwaltszulassung bzw. dem Sitz der Gesellschaft.

Ein Mitglied der Rechtsanwaltskammer hat einen Anspruch auf die Einsicht in den Prüfbericht des Wirtschaftsprüfers zum abgelaufenen Geschäftsjahr. Dabei sind dem Mitglied gegen Übernahme der Kosten auf seinem Wunsch hin auch Kopien des Prüfberichts zuzusenden (AGH Nordrhein-Westfalen 12.04.2013 - 2 AGH 13/12).

3. Aufgaben

Die Rechtsanwaltskammern haben gegenüber ihren Mitgliedern sowohl Aufsichts- als auch Dienstleistungsfunktionen. Aufgaben der Rechtsanwaltskammern sind u.a.:

  • Beratung und Belehrung der Mitglieder über die Berufspflichten.

  • Vermittlung zwischen den Mitgliedern und ihren Auftraggebern.

  • Überwachung der von den Mitgliedern auszuführenden Pflichten.

  • Entscheidung über die Zulassung zur Anwaltschaft sowie die Rücknahme und den Widerruf der Zulassung:

    Es besteht eine originäre Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammern für alle im Zusammenhang mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, ihrer Rücknahme und ihrem Widerruf stehenden Aufgaben und Befugnisse einschließlich der Vereidigung neuer Anwälte.

  • Die Durchführung der Vereidigung neu zugelassener Rechtsanwälte.

  • Führen des Rechtsanwaltsverzeichnisses:

    Gemäß § 31 BRAO führen die Rechtsanwaltskammern elektronische Verzeichnisse über die in ihren Bezirken zugelassenen Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften. Zudem wird bei der Bundesrechtsanwaltskammer ein Gesamtverzeichnis aller bei den Rechtsanwaltskammern zugelassenen Rechtsanwälte und Berufsausübungsgesellschaften geführt.

    Dabei ist es den Rechtsanwaltskammern ermöglicht, die von ihnen in die elektronischen Verzeichnisse einzutragenden Daten - begrenzt auf ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich - unmittelbar in das Gesamtverzeichnis einzutragen, wo diese dann sowohl für die elektronischen Verzeichnisse der Rechtsanwaltskammern als auch das Gesamtverzeichnis zur Verfügung stehen. Sie sind dann in soweit Teil des Gesamtverzeichnisses, als für ihre Eintragung, Berichtigung und Löschung jeweils nur die Kompetenz der zuständigen Rechtsanwaltskammer besteht und in ihnen eine durch eine Filterfunktion auf die Mitglieder der jeweiligen Rechtsanwaltskammer beschränkte Suche zu ermöglichen ist.

    Die Bundesrechtsanwaltskammer ermöglicht darüber hinaus gemäß § 31c BRAO den Abruf derjenigen im Gesamtverzeichnis eingetragenen Angaben, die Gegenstand des Europäischen Rechtsanwaltsverzeichnisses sind.

    Unter der Adresse http://www.rechtsanwaltsregister.org wird das Rechtsanwaltsverzeichnis online geführt.

    Die Einzelheiten sind in der "Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung - RAVPV" geregelt.

  • Qualitätssicherung durch die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen.

  • Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erteilt die Rechtsanwaltskammer auf Antrag Dritten gegenüber Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts sowie dessen Versicherungsnummer.

4. Organisation

Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer wird in der Kammerversammlung aus den Mitgliedern gewählt. Der Vorstand erhält für die Tätigkeit keine Vergütung, sie ist ehrenamtlich und unentgeltlich. Gezahlt werden aber eine Aufwandsentschädigung und eine Reisekostenvergütung.

Aus den Mitgliedern des Vorstandes wird das Präsidium gewählt, das aus mindestens dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, dem Schriftführer und dem Schatzmeister besteht.

Die Rechtsanwaltskammern stehen unter der Rechtsaufsicht der jeweiligen Landesjustizverwaltung. Alle Kammern sind in der Bundesrechtsanwaltskammer zusammengeschlossen, die unter der Rechtsaufsicht des Bundesjustizministers steht.

5. Das das Berufsrecht betreffende Verwaltungsverfahren

5.1 Allgemein

Gemäß § 32 BRAO gilt für Verwaltungsverfahren nach der BRAO grundsätzlich das Verwaltungsverfahrensgesetz. Abweichende Bestimmungen enthalten nur berufsrechtlich bedingte Abweichungen und Ergänzungen.

Rechtsgrundlage der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit ist § 33 BRAO: Die sachliche Zuständigkeit erstreckt sich dabei auf die Ausführung der in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) genannten Aufgaben.

Im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit ist die Rechtsanwaltskammer zuständig, in der der Betroffene Mitglied ist oder sein will. Abweichend bleiben die Landesjustizverwaltungen oder das Bundesministerium der Justiz sachlich zuständig, wo dies ausdrücklich angeordnet ist.

Aufgrund des in § 112c BRAO geregelten allgemeinen Verweises auf die Verwaltungsgerichtsordnung ist vor der Erhebung einer Klage das Widerspruchsverfahren durchzuführen.

Die Rechtsanwaltskammern sind bei eigenen Entscheidungen selbst Widerspruchsbehörde.

Auch für die mit dem Widerspruch verbundene aufschiebende Wirkung und den einstweiligen Rechtsschutz (Behördliche Aussetzung der sofortigen Vollziehung) gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung.

Im anwaltlichen Berufsrecht ist für den Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes insbesondere die sofortige Vollziehung der Entscheidung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) praxisrelevant, d.h. die Einziehung der verwaltungsrechtlichen Geldforderungen der Rechtsanwaltskammern wird gesichert.

Die Rechtsanwaltskammern können gegenüber ihren Mitgliedern ihre Rechte im rechtsanwaltsgerichtlichen Verfahren durchsetzen.

Daneben sind die Rechtsanwaltskammern gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG auch auf dem zivilrechtlichen Weg gegenüber ihren Mitgliedern klagebefugt bzw. abmahnberechtigt.

5.2 Entscheidungsfristen im Berufszulassungsverfahren

Gemäß § 32 BRAO sind alle Genehmigungsverfahren unverzüglich und in jedem Fall innerhalb einer Frist von drei Monaten zu bearbeiten. Innerhalb dieser Frist können Anträge auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, aber auch die sonstigen im Zusammenhang mit der Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit stehenden Anträge - etwa Anträge auf Verleihung der Befugnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung - in aller Regel abschließend bearbeitet werden.

Durch die Verweisung auf § 42a Absatz 2 Satz 3 VwVfG wird gewährleistet, dass die zuständige Behörde in besonders gelagerten Ausnahmefällen - möglicherweise Verfahren über die Rechtsanwaltszulassung bei dem Bundesgerichtshof - die Frist angemessen verlängern kann. Eine solche Fristverlängerung ist gesondert zu begründen und dem Antragsteller rechtzeitig vor Ablauf der gesetzlichen Frist mitzuteilen. Von der für eine Fristverlängerung erforderlichen "Schwierigkeit der Angelegenheit" ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3356) dabei auch dann auszugehen, wenn - etwa im Verfahren über die Befugnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung - zur Aufklärung oder Ergänzung des Sachverhalts eine weitere Mitwirkungshandlung der Antragsteller erforderlich wird. Die Frist kann in diesen Fällen um die für die Beibringung der erforderlichen Informationen oder Unterlagen erforderliche Zeit zuzüglich eines für die abschließende Prüfung und Entscheidungsfindung erforderlichen Zeitraums verlängert werden.

Von der Anordnung einer Genehmigungsfiktion wurde abgesehen. Eine Genehmigungsfiktion kann nach Art. 13 Abs. 4 S. 2 RL 2006/123 dann ausgeschlossen werden, wenn dies durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses, einschließlich eines berechtigten Interesses Dritter, gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor: Eine Person, der infolge einer Genehmigungsfiktion die Beratung und Vertretung der Rechtsuchenden als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt gestattet wird, obwohl nicht gewährleistet ist, dass sie oder er die erforderliche berufliche Qualifikation und Zuverlässigkeit besitzt, stellt eine Gefährdung für die Rechtspflege, die Interessen der Rechtsuchenden und die Rechtsordnung insgesamt dar.

5.3 Zuständigkeit für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten

Die Zuständigkeit für die Ahndung von Verletzungen von Informationspflichten nach der Dienstleistungsrichtlinie als Ordnungswidrigkeiten durch Mitglieder der Rechtsanwaltskammer obliegt gemäß § 73b BRAO der Rechtsanwaltskammer.

6. Einsicht in die Personalakte

Der Rechtsanwalt hat ein uneingeschränktes Recht auf Einsicht in seine bei der Rechtsanwaltskammer geführte vollständige Personalakte. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (AGH Nordrhein-Westfalen 30.10.2015 - 1 AGH 24/15) hat insofern sowohl zu dem Recht als auch zu den Bedingungen, unter denen die Einsichtnahme zu gewähren ist, Stellung genommen und die betreffende Rechtsanwaltskammer dazu verurteilt, Einsicht in seine vollständige bei der Beklagten geführte Personalakte, einschließlich sämtlicher Sach- und Disziplinarakten, zu gewähren, ganz gleich, in welcher Form diese Aktenunterlagen bei ihr vorhanden sind, ob in Papierform und/oder elektronischer Form. Dabei darf das Einsichtsrecht nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Geschäftsführer anwesend ist. Auch braucht kein besonderes Interesse nachgewiesen zu werden.

Der Anspruch kann jedoch nur zu den üblichen Dienststunden geltend gemacht werden. Eine Terminabsprache kann ggf. verlangt werden.

7. Schlichtungsstelle

Es ist eine Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft eingerichtet.

 Siehe auch 

Interessenkollision

Rechtsanwalts AG

Rechtsanwaltsgerichtliches Verfahren

Rechtsanwalts GmbH

BGH 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10 (Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anwaltszulassung)

BFH 19.12.2006 - VII R 46/05 (Auskunftspflicht der Rechtsanwaltskammer gegenüber Finanzamt)

BVerfG 05.12.1994 - 1 BvR 1229/90

Dahns: Anwalt und Kanzlei: Mitteilungspflichten gegenüber der Rechtsanwaltskammer; NJW-Spezial 2018, 190

Knöfel: Vergütung des Kanzleiabwicklers und Bürgenhaftung der Kammer; Anwaltsblatt - AnwBl 2005, 530