Rechtswörterbuch

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Mord

 Normen 

§ 211 StGB

 Information 

1. Allgemein

Mord ist die besonders verwerfliche Tötung eines anderen Menschen.

Die vorsätzlicheTötung eines Menschen kann strafrechtlich u.a. als Totschlag (Tötung eines Menschen) oder als Mord verfolgt werden. Eine Verurteilung wegen Mordes erfordert das Vorliegen eines der Mordmerkmale, aufgrund derer die Tat als besonders verwerflich angesehen wird. Mord und Totschlag sind zwei sich ausschließende Tatbestände.

Ein minder schwerer Fall des Mordes ist gesetzlich nicht vorgesehen. Wer Mörder ist, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

Wegen eines Mordes Beschuldigte werden grundsätzlich von einem Psychiater bzw. Psychologen als Sachverständige auf das Vorliegen ihrer Schuldfähigkeit überprüft. Das Gutachten wird in der Hauptverhandlung verwertet.

Zu den Anforderungen einer Affekttat siehe den Beitrag "Schuldfähigkeit".

2. Mordmerkmale

§ 211 StGB führt spezielle Mordmerkmale auf, die den Begriff des Mordes umschreiben.

Dabei sind folgende Gruppen der Mordmerkmale zu unterscheiden:

  1. a)

    Besonders verwerflicher Beweggrund:

    • Mordlust:

      Mordlust ist die Freude an dem Töten eines Menschen.

    • Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs:

      Zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs tötet, wer durch die Tötung sexuelle Befriedigung erlangt oder sich an der Leiche befriedigen will, sowie der Täter, der im Rahmen einer Vergewaltigung den Tod des Opfers in Kauf nimmt.

    • Habgier:

      Habgier ist die Steigerung des Erwerbssinns auf ein ungewöhnliches und unsittliches Maß.

    • Sonstige niedrige Beweggründe:

      Das Mordmerkmal hat folgende Anforderungen (u.a. BGH 12.09.2019 - 5 StR 399/19):

      "Ein Beweggrund ist dann niedrig, wenn er nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Die Beurteilung der Frage, ob ein Beweggrund "niedrig" ist und - in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheint, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner Persönlichkeit zu erfolgen.

      Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr., vgl. nur BGH 28.11.2018 - 5 StR 379/18).

      Wut oder Verärgerung sind als niedrig einzustufen, wenn sie unter Berücksichtigung der Beziehung zwischen Täter und Opfer eines beachtlichen Grundes entbehren (...). Entscheidungserheblich sind demnach die Gründe, die den Täter in Wut oder Verzweiflung versetzt oder ihn zur Tötung aus Hass oder Eifersucht gebracht haben. (...)

      In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Täter außer Stande ist, sich von seinen gefühlsmäßigen und triebhaften Regungen freizumachen (BGH 22.03.2017 - 2 StR 656/13)".

      Das Motiv der "Blutrache" ist nach der Entscheidung BGH 10.01.2006 - 5 StR 341/05 grundsätzlich als ein niedriger Beweggrund anzusehen.

  2. b)

    Besonders verwerfliche Art und Weise:

    • Grausam:

      Grausam tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besondere Schmerzen und Qualen zufügt, wobei dies auch seelische Qualen sein können.

      Ein als bloße Vorbereitung eines Tötungsdelikts zu bewertendes Handeln des Täters bedeutet nicht allein deshalb bereits eine teilweise Verwirklichung des Mordtatbestands, weil es von Grausamkeit geprägt ist. Ein unmittelbares Ansetzen liegt jedoch nicht erst dann vor, wenn der Täter bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht hat. In den Bereich des Versuchs einbezogen ist vielmehr auch ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll (BGH 20.03.2014 - 3 StR 424/13).

    • Gemeingefährlich:

      Mit gemeingefährlichen Mitteln tötet, wer zur Tötung ein Mittel einsetzt, dessen Wirkungsweise er nicht beherrscht. Ausschlaggebend ist nicht die Art des Mittels sondern die Beherrschbarkeit durch den Täter. So kann Brandstiftung ein gemeingefährliches Mittel sein, muss es aber nicht, wenn der Täter die Ausdehnung des Brandes objektiv beherrscht.

    • Heimtückisch:

      Heimtückisch handelt, wer eine zur Tatzeit beim Opfer bestehende Arg-und Wehrlosigkeit bewusst zur Tat ausnutzt (BGH 28.06.2016 - 3 StR 120/16):

      • Arglos ist, wer sich eines Angriffs nicht versieht.

      • Wehrlos ist derjenige, dessen Verteidigungsfähigkeit aufgehoben oder erheblich eingeschränkt ist. Die Wehrlosigkeit muss sich als Folge der Arglosigkeit darstellen.

      Beispiel:

      Der Täter versteckt sich hinter einem Mauervorsprung und greift das Opfer von hinten an, nachdem es vorbeigegangen ist (BGH 25.02.2015 - 2 StR 495/13).

  3. c)

    Besonders verwerflicher Zweck:

    Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken.

    Nach der Rechtsprechung (so u.a. BGH 17.05.2011 - 1 StR 50/11) handelt in Verdeckungsabsicht, "wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Allerdings scheidet begrifflich eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dann aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist und der Täter dies weiß".

    Aber: Eine Verdeckungsabsicht ist aus der Sicht des Täters zu beurteilen, sodass eine Verdeckungsabsicht auch gegeben ist, wenn der Täter weiß, dass er bereits verdächtigt ist, er aber glaubt, mit der Tötung eine günstige Beweisposition aufrecht erhalten oder seine Lage verbessern zu können (BGH s.o.).

    Dabei muss es sich nicht um die eigene Tat des Täters handeln, erforderlich ist jedoch, dass es sich um eine Straftat handelt, nicht ausreichend ist eine Ordnungswidrigkeit u.Ä. Es muss sich nicht um die alleinige Absicht handeln, aber sie muss doch der wesentlichste Grund für die Tötung sein.

Grundsätzlich reicht die Verwirklichung eines Mordmerkmals für die Erfüllung des Mordtatbestandes aus. Hinsichtlich des Mordmerkmals Heimtücke ist aber seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord (BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76) anerkannt, dass dieses Merkmal einer restriktiven Interpretation bedarf: Nicht jede heimtückische Tötung erfüllt die Tatbestandsmerkmale eines Mordes. Vielmehr müsse der Heimtücke zugleich der Makel der Verwerflichkeit anhängen, was etwa bei einem verwerflichen Vertrauensbruch der Fall ist. Demnach kann trotz heimtückischer Tötung Mord ausgeschlossen sein in Fällen, wo eine feindliche Willensrichtung fehlt (Mitnahmesuizid) oder bei Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation (Tyrannenmord).

 Siehe auch 

Erkennungsdienstliche Behandlung

Geständnis

Sicherungsverwahrung

Untersuchungshaft

BGH 17.05.2011 - 1 StR 50/11 (Mord zur Verdeckung von unbefugten Verfügungen über ein fremdes Konto)

BGH 25.03.2003 - 1 StR 483/02 (Heimtücke bei Tötung eines Familientyrannen)

BGH 12.02.2003 - 1 StR 403/02 (Heimtücke bei Tötung des Erpressers)

Bachmann/Goeck: Aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Mord (§ 211 StGB); Neue Justiz - NJ 2011, 397

Bockemühl: Handbuch des Fachanwalts Strafrecht; 8. Auflage 2021

Engländer: Die Teilnahme an Mord und Totschlag; Juristische Ausbildung - JA 2004, 410

Otto: Die Mordmerkmale in der höchstrichterlichen Rechtsprechung; Jura 1994, 141

Rotsch: Die Tötung des Familientyrannen: Heimtückischer Mord?; Juristische Schulung - JuS 2005, 12

Satzger: Wann "entspricht" ein Unterlassen einem Tun? Zur Entsprechungsklausel in § 13 StGB; Jura 2011, 749

Vietze: Gekreuzte Mordmerkmale in der Strafrechtsklausur; Jura 2003, 394

Widmaier: Dogmatik und Rechtsgefühl - Neue Tendenzen zur normativen Einschränkung des Mordtatbestands in der neueren BGH-Rechtsprechung; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2003, 2788

Zazcyk: Das Mordmerkmal der Heimtücke und die Notwehr gegen die Erpressung; Juristische Schulung - JuS 2004, 740