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Mindestlohn

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MiLoG

MiLoDokV

MiLoMeldV

MiLoV3

 Information 

1. Anspruch auf den Mindestlohn

1.1 Allgemein

Arbeitnehmer haben seit dem 01.01.2024 Anspruch auf den Mindestlohn in Höhe von 12,41 EUR brutto je Zeitstunde (12,82 EUR ab dem 01.01.2025). Geringfügig Beschäftigte erhalten 12,41 EUR netto, d.h. die Steuern und Sozialabgaben sind vom Arbeitgeber zusätzlich zu zahlen.

Rechtsgrundlagen sind § 1 MiLoG und § 1 MiLoV4.

Der Verzicht des Arbeitnehmers auf den Mindestlohnanspruch ist grundsätzlich unzulässig. Zulässig ist ein Verzicht im Wege des gerichtlichen Vergleichs (Prozessvergleich), weil dieser einen ausreichenden Schutz des Arbeitnehmers vor einem ungerechtfertigten Verlust des Mindestlohnanspruchs sicherstellt. Ausgeschlossen ist zudem die Verwirkung des Mindestlohnanspruchs.

Der Mindestlohn ist gemäß § 2 MiLoG grundsätzlich zum Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten Fälligkeit zu zahlen. Der Arbeitgeber hat den Mindestlohn spätestens bis zum letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats zu zahlen, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine spätere Zahlung des Mindestlohns stellt eine nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar.

Erfüllt ist der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn die für den Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn ergibt. Erfüllung tritt mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts ein. Auch verspätete Zahlungen können Erfüllungswirkung haben (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16).

1.2 Erfasste Vergütungen

Der Mindestlohnanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 135/16). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien bzw. der Tarifvertragsparteien nur dann ein, wenn der Mindestlohn unterschritten wird.

Bereitschaftsdienst:

Für die Vergütung von Bereitschaftsdienst gilt Folgendes:

  • Bereitschaftsdienst ist grundsätzlich zu vergüten, als wenn der Arbeitnehmer während der gesamten Zeit gearbeitet hätte.

  • Aber gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG gibt es folgende Ausnahme: Die durch das Arbeitszeitgesetz vorgegebenen Grenzen der täglichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers können überschritten werden, wenn in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichen Umfang aus Bereitschaftsdienst besteht.

  • Das heißt Folgendes: (Nur) In einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung kann geregelt werden, dass nur ein bestimmter Zeitanteil der als Bereitschaftsdienst geleisteten Zeit auch als Arbeitszeit angerechnet wird.

  • Die Höhe der Vergütung selbst richtet sich nach der entsprechenden tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Regelung. Besteht keine gesonderte tarifliche Regelung, so sind Zeiten der Bereitschaftsdienst als normale Arbeitszeit zu vergüten.

Dies entspricht der Rechtsprechung:

Bereitschaftszeiten sind mit dem Mindestlohn zu vergüten (BAG 29.06.2016 – 5 AZR 716/15). Dabei ist es jedoch ausreichend, wenn die Vergütung geteilt durch die Summe der monatlich geleisteten normalen Arbeitsstunden einschließlich der Bereitschaftszeiten einen über dem Mindestlohn liegende Vergütung ergibt (BAG 11.10.2017 – 5 AZR 591/16).

Hinweis:

Gesonderte Regelungen bestehen für die Vergütung von Bereitschaftsdienst in der Pflege.

1.3 Berücksichtigung von anderen Vergütungsbestandteilen

Bei der Frage, ob zusätzliche Vergütungsbestandteile bei der Berechnung des Mindestlohns zu berücksichtigen sind, ist danach zu unterscheiden, ob mit ihnen nur die allgemeine Arbeitsleistung vergütet werden soll (dann Anrechnung möglich) oder eine über die Grundleistung hinausgehende Leistung bzw. ein anderer Zweck verfolgt werden soll (dann keine Anrechnung möglich).

Zu dem Mindestlohn hinzuzuzahlen sind daher u.a. folgende Entgeltbestandteile:

  • Überstundenzuschläge

  • Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit

  • Nachtzuschläge

  • Stücklöhne und Akkordlöhne

  • Schichtzulagen

  • Schmutz- und Gefährdungszulagen

  • sonstige vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat gezahlten Zulagen und Prämien (BAG 21.12.2016 – 5 AZR 374/16)

Angerechnet werden können u.a.:

Nicht angerechnet werden können:

1.4 Entgeltfortzahlung

Es ist zwar noch keine höchstrichterliche Entscheidung zur Entgeltfortzahlung nach dem Mindestlohngesetz ergangen, aber die Entscheidung BAG 13.05.2015 – 10 AZR 191/14, die zu einem tariflichen Mindestlohn ergangen ist, dürfte auf den gesetzlichen Mindestlohn übertragbar sein. Danach berechnet sich die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften.

1.5 Keine missbräuchliche Umgehung

Der Mindestlohn darf gemäß § 3 MiLoG nicht durch missbräuchliche Konstruktionen umgangen werden. Außer in den Übergangsfällen des § 24 MiLoG kann von der Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes nicht abgewichen werden, soweit dies für die Arbeitnehmer ungünstiger wäre. Die Vorschrift des Satzes 1 bestimmt deshalb, dass Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam sind.

Keine missbräuchliche Konstruktion ist eine Entgeltumwandlung (Direktversicherung – Allgemein) nach dem Betriebsrentengesetz. Sie bleibt weiterhin möglich.

2. Ausschluss des Mindestlohns

Der Mindestlohn gilt gemäß § 22 MiLoG nicht für die folgenden Formen von Beschäftigungsverhältnissen:

  • Bestimmte Praktikantenverhältnisse:

    Grundsätzlich sind Praktikantinnen und Praktikanten gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG im Wege einer gesetzlichen Fiktion den Arbeitnehmern gleichgestellt. Damit will der Gesetzgeber der Schwierigkeit einer Unterscheidung von echtem Praktikum und missbräuchlichem Scheinpraktikum begegnen. Aber: Die gesetzliche Fiktion greift nicht ein, wenn einer der in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 MiLoG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt.

    Begriff der hochschulrechtlichen Bestimmung:

    Nach dem Urteil des BAG (BAG 19.01.2022 – 5 AZR 217/21) ist der in § 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG verwendete Begriff der »hochschulrechtlichen Bestimmungen« umfassend zu verstehen. Unter diesen Begriff fallen – wie von der Gesetzesbegründung vorgesehen – neben Studien- und Prüfungsordnungen auch Zulassungsordnungen, die die Absolvierung eines Praktikums als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorschreiben. Das BAG hat dementsprechend das von der Klägerin geleistete verpflichtende Vorpraktikum als ein aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung verpflichtendes Praktikum angesehen.

  • Personen i.S.v. § 2 Abs. 2 JArbSchG ohne abgeschlossene Berufsausbildung.

    Die Regelung des § 2 Abs. 2 JArbSchG ist auf eine nachhaltige Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt gerichtet. Durch die Ausnahme wird nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/1558) sichergestellt, dass der Mindestlohn keinen Anreiz setzt, zugunsten einer mit dem Mindestlohn vergüteten Beschäftigung auf eine Berufsausbildung zu verzichten.

  • In einer Berufsausbildung Beschäftigte.

  • Ehrenamtlich tätige Personen.

  • Langzeitarbeitslose i.S.v. § 18 SGB III in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung.

3. Branchenspezifische Mindestlöhne

Daneben können andere (höhere) branchenspezifische Mindestlöhne auf der Basis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes festgesetzt werden. Diese werden in dem Gesetz allgemein als »Mindestarbeitsbedingungen« bezeichnet.

4. Mindestlohn in der Berufsausbildung

Rechtsgrundlage ist die »Bekanntmachung zur Fortschreibung der Höhe der Mindestvergütung für Berufsausbildungen nach dem Berufsbildungsgesetz«. Für das Jahr 2024 wurden folgende Mindestvergütungen für im Jahr 2024 begonnene Berufsausbildungen festgesetzt:

  • 1. Jahr: 649,00 EUR

  • 2. Jahr: 766,00 EUR

  • 3. Jahr: 876,00 EUR

5. Kontrolle

Gemäß § 14 MiLoG sind die Zollbehörden zuständig, die Einhaltung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten zu überprüfen.

6. Ausländische Pflegekräfte

Das BAG hat mit einem Paukenschlag die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen erneut vor großen Herausforderungen gestellt:

»Nach Deutschland in einen Privathaushalt entsandte ausländische Betreuungskräfte haben, soweit nicht der Anwendungsbereich der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche eröffnet ist, Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Bereitschaftsdienst« (BAG 24.06.2021 – 5 AZR 505/20).

7. Mindestlohnkommission

Die Bundesregierung hat eine Mindestlohnkommission (http://www.mindestlohn-kommission.de) errichtet, die über die Anpassung der Höhe des Mindestlohns entscheidet. Die Mindestlohnkommission wurde aufgrund ihrer zentralen Aufgabenstellung als ständiges Gremium eingerichtet.

Die Mindestlohnkommission setzt sich gemäß § 4 MiLoG aus insgesamt neun Mitgliedern zusammen. Sieben davon sind stimmberechtigt, unter ihnen der Vorsitzende. Aus Kreisen der Wissenschaft werden zwei beratende Mitglieder ohne Stimmrecht bestellt. Die Mindestlohnkommission wird jeweils für fünf Jahre eingesetzt.

8. Dokumentationspflichten des Arbeitgebers

Ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 SGB IV oder in den in § 2a SchwarzArbG genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigt, ist gemäß § 17 MiLoG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren.

Diese Dokumentationspflichten bestehen gemäß § 1 MiLoDokV nicht, wenn die betreffenden Arbeitnehmer ein verstetigtes regelmäßiges monatliches Entgelt oberhalb eines näher bestimmten Schwellenwertes von 4.176,00 EUR erhalten und der Arbeitgeber für diese Arbeitnehmer seine nach § 16 Abs. 2 ArbZG bestehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit und zur Aufbewahrung dieser Aufzeichnungen erfüllt.

Der Schwellenwert ist als absoluter Betrag gleichermaßen für Beschäftigte in Voll- und Teilzeit maßgeblich. Dies ist erforderlich, um missbräuchlichen Fallgestaltungen (Kombination von gezielt zu niedrig angesetzten Arbeitszeit mit einer Praxis unbezahlter Überstunden) entgegenzuwirken.

 Siehe auch 

Arbeitnehmerüberlassung – Rahmenarbeitsverhältnis

Bereitschaftsdienst

Mindestarbeitsbedingungen

Tarifvertrag

Boeck: Das Verhältnis von Mindestlohn und Sittenwidrigkeitsrechtsprechung; Recht der Arbeit – RdA 2018, 210

Busch/Cordes: Weihnachten das ganze Jahr? Anrechenbarkeit von anteilig gezahltem Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn; Neue Wirtschafts-Briefe – NWB 2015, 3118

Heuschmid/Hlava: Die Durchsetzungsmechanismen des Mindestlohngesetzes; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2015, 1719

Lembke: Der Mindestlohnanspruch. Erste Rechtsprechung zum Mindestlohngesetz; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2016, 3617

Sagan: »Stimmt so!« – Die Anrechnung von Trinkgeld auf den gesetzlichen Mindestlohn; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2019, 1977

Schrader/Noval: Die Dokumentationspflicht nach dem Mindestlohngesetz; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2015, 1783

Spielberger/Schilling: Das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns; Neue Juristische Wochenschrift – NJW 2014, 2897