Rechtswörterbuch

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach Themen im Rechtswörtebuch zu suchen!

Kalkulationsirrtum

 Normen 

§ 119 BGB

 Information 

Bei einem Kalkulationsirrtum kommt es für den Erklärenden einer Willenserklärung zu einem Fehler in der seiner Entscheidung zugrunde liegenden Kalkulation.

Es wird unterschieden zwischen einem offenen und einem versteckten Kalkulationsirrtum:

  • Ein versteckter Kalkulationsirrtum ist ein bereits im Stadium der Willensbildung unterlaufender Irrtum im Beweggrund (Motivirrtum).

    Beispiel:

    Ein Handwerker macht ein Angebot, eine bestimmte Leistung für 10.000,00 EUR zu erbringen, vergisst dabei jedoch Materialkosten von 5.000,00 EUR in seine Kalkulation einzubeziehen.

    Ist ein Vertrag zustande gekommen, berechtigt ein versteckter Kalkulationsirrtum nicht zur Anfechtung der Willenserklärung (BGH 26.01.2005 - VIII ZR 79/04).

  • Bei einem offenen bzw. offenkundigen Kalkulationsirrtum ist der Irrtum aus der Willenserklärung bzw. den Umständen heraus für den Vertragspartner erkennbar.

    An einem offenen Kalkulationsirrtum darf der Erklärungsgegner den Erklärenden nicht festhalten. Bei positiver Kenntnis oder treuwidriger Vereitelung der positiven Kenntnis des Irrtums liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor, wenn der Erklärungsgegner das Vertragsangebot annimmt und auf der Durchführung des Vertrags besteht (BGH 27.11.2007 - X ZR 111/04).

Die Erteilung des Zuschlags im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge auf ein von einem Kalkulationsirrtum beeinflusstes Angebot kann einen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Bieters darstellen. Die Schwelle zu einem solchen Pflichtenverstoß ist überschritten, wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer auch nur annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen (BGH 11.11.2014 - X ZR 32/14).

Diese BGH-Rechtsprechung geht einher mit der folgenden Entscheidung:

Der öffentliche Auftraggeber ist während eines Ausschreibungsverfahrens grundsätzlich nicht verpflichtet, Angebote der Bieter auf Kalkulationsfehler zu überprüfen oder weitere Ermittlungen anzustellen. Nur in Ausnahmefällen kann eine solche Pflicht bestehen, wenn sich der Tatbestand eines Kalkulationsirrtums und seine unzumutbaren Folgen für den Bieter aus dessen Angebot oder den bekannten sonstigen Umständen geradezu aufdrängt (OLG Koblenz 15.07.2015 - 5 U 140/15).

 Siehe auch 

Anfechtung Willenserklärungen

Vergaberecht - Nachprüfungsverfahren

Willenserklärung

BGH 28.02.2002 - I ZR 318/99 (Irrtum über das Bestehen einer USt-Pflicht)

Petersen: Der beiderseitige Irrtum zwischen Anfechtungsrecht und Geschäftsgrundlage; Jura 2011, 430

Waas: Der Kalkulationsirrtum zwischen Anfechtung und unzulässiger Rechtsausübung; Juristische Schulung - JuS 2001, 14