Rechtswörterbuch

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Inobhutnahme

 Normen 

§ 42 SGB VIII

§ 1666 BGB

 Information 

1. Begriffsbestimmung

Vorübergehende Unterbringung eines Minderjährigen durch das Jugendamt.

Die Inobhutnahme ist als vorübergehende Maßnahme zur Sicherstellung des Kindeswohls gedacht. Ziel ist es, während der Inobhutnahme eine für das Kind/den Jugendlichen bedarfsgerechte Hilfe zu finden.

2. Voraussetzungen

Gemäß § 42 SGB VIII ist das Jugendamt bei Vorliegen folgender Voraussetzungen berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen:

  • Das Kind oder der Jugendliche bittet selbst um die Inobhutnahme.

  • Aufgrund einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl ist die Inobhutnahme erforderlich und

  • Ein ausländisches Kind oder Jugendlicher kommt ohne Begleitung nach Deutschland und im Inland lebt keine sorgeberechtigte Person.

    Hinweis:

    Dabei sind die Jugendämter grundsätzlich verpflichtet, für die von ihnen in Obhut genommenen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen umgehend von Amts wegen einen Asylantrag zu stellen, wenn internationaler Schutz in Betracht kommt. Die Verpflichtung bezieht sich auf die für die Inobhutnahme von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen zuständigen Jugendämter, also diejenigen Jugendämter, denen das Kind oder der Jugendliche nach § 42b Abs. 3 S. 1 SGB VIII innerhalb von 14 Tagen zugewiesen wurde oder bei denen der unbegleitete Minderjährige - bei Ausschluss der Verteilung nach § 42b Abs. 4 SGB VIII - zur Inobhutnahme verbleibt.Die Verpflichtung des Jugendamtes zur Vornahme von Rechtshandlungen, die zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen notwendig sind, umfasst im Falle der Asylantragstellung für einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen auch die Sicherstellung der Einhaltung von Mitwirkungs- und Handlungspflichten nach dem Asylgesetz.

    Hinweis:

    Die weitere Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ist in den §§ 42a ff. SGB VIII geregelt, siehe insofern den Beitrag "Unterbringung ausländischer Kinder und Jugendlicher".

3. Verfahren

Das Jugendamt ist bei der Inobhutnahme verpflichtet, unverzüglich den Personensorgeberechtigte zu benachrichtigen. Widerspricht der Personensorgeberechtigte der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt bei Gefährdung des Kindeswohls eine Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen.

Bis zur Entscheidung des Familiengerichts muss das Jugendamt eine eigene Entscheidung über die Beendigung bzw. Aufrechterhaltung der Inobhutnahme treffen. Diese Entscheidung unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Das Familiengericht entscheidet nicht über die Rechtmäßigkeit dieser Inobhutnahme sondern trifft eine eigene Entscheidung (OVG Niedersachsen 18.09.2009 - 4 LA 706/07).

Während der Inobhutnahme obliegen die Entscheidungen über die Beaufsichtigung, Aufenthaltsbestimmung und Erziehung gemäß § 42 Abs. 1 S. 4 SGB VIII dem Jugendamt. Sozialpädagogisch ist die Inobhutnahme eine Form der Krisenintervention.

Gemäß § 42 Abs. 2 und 3 SGB VIII wird der Träger der öffentlichen Jugendhilfe daher zur unverzüglichen und umfassenden adressatenorientierten Aufklärung des in Obhut genommenen Kindes oder Jugendlichen und seiner Personensorge- oder Erziehungsberechtigten verpflichtet. Dabei soll dies in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.

4. Örtliche Zuständigkeit

Für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen ist gemäß § 87 SGB VIII allgemein der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält.

Die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen (Unterbringung ausländischer Kinder und Jugendlicher) richtet sich nach § 88a Abs. 2 SGB VIII.

5. Kostentragung

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine beitragspflichtige Maßnahme nach § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII, zu deren Kosten die Eltern des in Obhut genommenen Kindes durch Leistungsbescheid herangezogen werden darf (§ 92 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII).

Werden Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld für den jungen Menschen, so hat dieser einen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergeldes zu zahlen. Der Begriff der Leistung über Tag und Nacht erfasst auch die Inobhutnahme (BVerwG 21.10.2015 - 5 C 21/14).

Der Gegenstandswert in Verfahren in Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Eltern zu den Kosten der Aufwendungen der Jugendhilfe für ihr Kind beträgt - wie in Nr. 21.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 vorgeschlagen - "höchstens den Jahresbetrag" dieses Beitrages (OVG Saarland 01.12.2015 - 1 E 216/15).

 Siehe auch 

Anwalt des Kindes

Erziehungshilfen

Intensivpädagogik

Kinderschutz

Sozialpädagigische Familienhilfe

Unterbringung ausländischer Kinder und Jugendlicher

Czerner: Probleme der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII; Zentralblatt für Jugendrecht - ZfJ 2000, 372

Hoffmann: Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII; Das Jugendamt - JAmt 2012, 244

Krug/Riehle: SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar; Loseblatt

Schellhorn/Fischer/Mann u.a.: SGB VIII. Online-Kommentar; Luchterhand-Verlag