Rechtswörterbuch

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Handlungseinheit

 Normen 

§ 52 StGB

 Information 

Grundlage der Beurteilung der Konkurrenzen von Straftaten.

Handlungen eines Täters werden strafrechtlich wie folgt eingeteilt:

  • Natürliche Handlung: Eine Willensbetätigung führt zu einer Handlung.

    Beispiel:

    Der Täter entschließt sich in dem Kaufhaus das T-Shirt einzustecken und steckt es auch ein.

  • Eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinne ist gegeben bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen, wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint (BGH 25.11.2004 - 4 StR 326/04).

    Ähnlich formulieren es andere Entscheidungen des BGH:

    "Eine natürliche Handlungseinheit ist anzunehmen, wenn zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint, und die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element miteinander verbunden sind" (BGH 31.10.2018 - 2 StR 281/18; BGH 30.11.1995 - 5 StR 465/95).

    Beispiel:

    Bei einem Einbruchsdiebstahl entnimmt der Täter mehrere Gegenstände.

    Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (BGH s.o.).

  • Rechtliche Handlungseinheit: Mehrere natürliche Handlungen oder Handlungseinheiten bilden aus Rechtsgründen eine rechtliche Handlungseinheit. Es sind folgende Unterformen anerkannt:

    • Dauerdelikt: Mehrere natürliche Handlungseinheiten werden zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verbunden. In der Praxis handelt es sich meist um das pflichtwidrige Unterlassen der Aufhebung eines rechtswidrigen Zustandes, z.B. beim Hausfriedensbruch.

    • Fortgesetzte Tat: Angriffe auf dasselbe Rechtsgut durch gleichartige, d.h. in der Ausführungsweise sich ähnelnde Einzelakte mit einem Gesamtvorsatz.

      Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Annahme der fortgesetzten Tat nur noch auf seltene Ausnahmen beschränkt, bei denen die Anwendung zur sachgerechten Erfassung von Unrecht und Schuld unumgänglich ist.

      Beispiel:

      Der mehrfache Gebrauch einer gefälschten Urkunde stellt nur eine Urkundenfälschung dar (Handlungseinheit), wenn "der mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht" (BGH 26.10.2016 - 4 StR 354/16; BGH 16.07.2015 -4 StR 279/15).

 Siehe auch 

Absprachen im Strafverfahren

Anklage

Gesamtstrafe

Hauptverhandlung

Konkurrenz von Straftaten

Staatsanwaltschaft

van Lessen: Handlungseinheit und Strafklageverbrauch bei mitgliedschaftlicher Beteiligung nach § 129, § 129a StGB. Anmerkung zu BGH, B. v. 09.07.2015 - 3 StR 537/14; Neue Zeitschrift für Strafrecht - NStZ 2016, 446

Sowada: Probleme der natürlichen Handlungseinheit; Jura 1995, 245

Wagemann: Natürliche Handlungseinheit bei Angriffen auf höchstpersönliche Rechtsgüter; Jura 2006, 580

Walter: Zur Lehre von den Konkurrenzen: Handlungseinheit und Handlungsmehrheit; Juristische Arbeitsblätter - JA 2004, 572