Rechtswörterbuch

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Gleichbehandlungsgrundsatz - Einzelfälle

 Normen 

Art. 3 GG

 Information 

1. Freiwilliger Sonderzahlungen / Übertarifliche Zulage

Bei der Leistung freiwilliger Sonderzahlungen ist zu unterscheiden:

  • Nach dem Urteil BAG 19.03.2003 - 10 AZR 365/02 liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn der Arbeitgeber den Angestellten seines Betriebes eine höhere Sonderzahlung als den gewerblichen Arbeitnehmern seines Betriebes gewährt und er dabei das Ziel verfolgt, die Angestellten längerfristig an das Unternehmen zu binden. Hintergrund ist, dass für den betreffenden Arbeitgeber die Neueinstellung von Angestellten mit erheblichen Kosten verbunden ist, während Arbeiter des betreffenden Gebiets auf dem Arbeitsmarkt leichter zu finden sind.

  • Gewährt der Arbeitgeber nur denjenigen Mitarbeitern eine Sonderzahlung, die in der Vergangenheit einer Entgeltabsenkung zugestimmt haben, kann dies sachlich gerechtfertigt sein. Ein sachlicher Grund liegt aber nicht vor, wenn die Leistung nicht nur dem Ausgleich von Gehaltsnachteilen, sondern auch anderen Zwecken dient (BAG 26.09.2007 - 10 AZR 569/06).

  • Eine Sonderzahlung darf ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann der Gruppe von Arbeitnehmern vorenthalten werden, die die Vereinbarung ungünstigerer Arbeitsbedingungen abgelehnt hat, wenn die Sonderzahlung ausschließlich dem Ausgleich von Nachteilen der Gruppe von Arbeitnehmern dient, die bereit war, mit dem Arbeitgeber für sie ungünstigere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren (BAG 05.08.2009 - 10 AZR 666/08).

Eine übertarifliche Zulage ist u.a. sachlich gerechtfertigt, wenn sie gewährt wird, weil sonst bestimmte Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, oder Angehörige einer bestimmten Gruppe überhaupt oder stärker an den Betrieb gebunden werden sollen (BAG 27.05.2015 - 5 AZR 724/13, LAG Berlin-Brandenburg 09.10.2015 8 Sa 84/15).

Unzulässig ist die Zahlung einer übertariflichen Zulage in dem folgenden Fall: Die Arbeitnehmer der Abteilung Abfallentsorgung erhalten eine Zulage, der Mitarbeiter der Abteilung Ordnung, der jedoch ebenfalls mit Aufgaben der Abfallentsorgung beauftragt ist, bekommt die Zulage mit der Begründung der anderen organisatorischen Eingliederung nicht.

2. Eingruppierung

Sofern der Arbeitgeber ausschließlich das Tarifrecht anwendet, ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet:

"Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht aber bei bloßem - auch vermeintlichem - Normvollzug. Darin liegt keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers" (BAG 16.05.2013 - 6 AZR 619/11, LAG Köln 30.11.2016 - 11 Sa 507/15).

"Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Irrtum gibt es daher nicht. Ist der Beschäftigte folglich aufgrund der für ihn geltenden Tarifautomatik richtig eingruppiert, entspricht also der Ist-Zustand seiner Eingruppierung dem tariflichen Soll-Zustand, so kann er sich in der Regel nicht darauf berufen, dass vergleichbare Arbeitnehmer gegebenenfalls irrtümlich eine höhere Vergütung erhalten" (LAG Rheinland-Pfalz 02.03.2016 - 7 Sa 343/15).

Aber der Anwendungsbereich ist nach dem obigen LAG-Köln Urteil eröffnet, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Kenntniss der unrichtigen Eingruppierung weiter nach der unrichtigen Entgeltgruppe vergütet:

"Eine solche Entscheidung trifft der Arbeitgeber erst, wenn er in Kenntnis einer fehlenden Rechtsgrundlage Leistungen (weiterhin) erbringt."

Dies geht einher mit der Rechtsprechung des BAG:

Sind Kollegen eines Arbeitnehmers im öffentlichen, kirchlichen oder sozialen Dienst bei gleicher Tätigkeit unrichtig höher eingruppiert, so hat der niedriger eingruppierte Arbeitnehmer erst dann einen Anspruch auf Höhergruppierung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Arbeitgeber nach Kenntnis von seinem Irrtum die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt (BAG 27.08.2008 - 4 AZR 484/07).

3. Vergütung

"Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bei individuellen Entgeltvereinbarungen anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt" (ArbG Siegen 21.03.2019 - 3 Ca 1071/18).

Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung ist der Ausgleich unterschiedlicher Arbeitsbedingungen zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern, solange ein solcher Ausgleich herbeigeführt wird und keine Überkompensation eintritt. Ob eine Entgelterhöhung nachteilige Arbeitsbedingungen der begünstigten Arbeitnehmer nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert hat, bemisst sich nach einem Gesamtvergleich: Gegenüberzustellen ist das Arbeitsentgelt, das der auf Gleichbehandlung klagende Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum aufgrund der für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Regelungen tatsächlich verdient hat, und dasjenige Arbeitsentgelt, das er erhalten hätte, wenn er zu den Konditionen der begünstigten Arbeitnehmern gearbeitet hätte (BAG 03.09.2014 - 5 AZR 6/13).

4. Arbeiter - Angestellte

Nach dem Urteil BAG 12.10.2005 - 10 AZR 640/04 ist das zwischen Arbeitern und Angestellten bestehende unterschiedliche Qualifikationsniveau kein sachlicher Grund für die Zahlung einer höheren Weihnachtsgratifikation an die angestellten Mitarbeiter. Als sachlicher Grund anerkannt worden wäre eine Höherzahlung mit dem Zweck einer stärkeren Bindung an das Unternehmen, da z.B. die Angestellten schwerer auf dem Arbeitsmarkt zu finden seien oder eine längere interne Einarbeitungszeit benötigten (= Bestätigung der obigen Rechtsprechung).

5. Betriebliche Altersversorgung

Beabsichtigt der Arbeitgeber bestimmte Arbeitnehmer von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auszunehmen, muss er in einer betrieblichen Ordnung die Kriterien für die Leistungsgewährung festlegen (BAG 19.08.2008 - 3 AZR 194/07).

6. Dienstkleidung

Bei Regelungen über die Dienstkleidung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (BAG 30.09.2014 - 1 AZR 1083/12).

 Siehe auch 

Allgemeine Gleichbehandlung - Arbeitsrecht

Arbeitsvertrag

Betriebliche Übung

Elternzeit - Sonderzahlungen

Entgelttransparenz

Gleichheitsgebot