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Fortsetzungserkrankung

Autor:
 Normen 

§ 3 Abs. 1 S. 2 EFZG

 Information 

1. Allgemein

Erneute zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung eines Arbeitnehmers.

Bei der Frage der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei wiederholten Erkrankungen des Arbeitnehmers innerhalb eines kurzen Zeitraums ist zwischen Wiederholungserkrankungen und Fortsetzungserkrankungen zu unterscheiden:

Eine Fortsetzungserkrankung ist das erneute Erkranken des Arbeitnehmers an derselben Krankheit, d.h. es handelt sich um dieselbe Grundkrankheit. Eine Fortsetzungserkrankung liegt daher z.B. auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach einer Lungenentzündung an einer Rippenfellentzündung erkrankt.

In diesem Fall beträgt der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich nur insgesamt sechs Wochen.

Die Beweispflicht für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung obliegt dem Arbeitnehmer (LAG Köln 18.10.2012 – 7 Sa 454/12).

2. Voraussetzungen eines neuen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung

Der Anspruch entsteht erst dann wieder neu, wenn der Arbeitnehmervor seiner erneuten Erkrankung mindestens sechs Monate gearbeitet hat oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit ein Zeitraum von zwölf Monaten vergangen ist.

Der Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG setzt voraus, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Zwölf-Monats-Frist erneut arbeitsunfähig wird. Die Bestimmung greift nicht ein, wenn der Arbeitnehmer schon vorher erneut arbeitsunfähig wird und die Arbeitsunfähigkeit über den Ablauf der Zwölf-Monats-Frist hinaus bestehen bleibt (BAG 14.03.2007 – 5 AZR 514/06).

3. Einheit des Verhinderungsfalls

Als Einheit des Verhinderungsfalls wird die Sachlage bezeichnet, bei der der Arbeitnehmer während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit an einer anderen Erkrankung erkrankt.

Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht in diesem Fall nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet, d.h. ausgeheilt war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt (BAG 25.05.2016 – 5 AZR 318/15).

Denn die Entgeltfortzahlung wäre von der Beklagten nur zu leisten, wenn beide Erkrankungen nicht als einheitlicher Verhinderungsfall im Sinne der Rechtsprechung des BAG zu sehen sind (u.a. BAG 11.12.2019 – 5 AZR 505/18; BAG 25.05.2016 – 5 AZR 318/15):

»Ein einheitlicher Verhinderungsfall ist regelmäßig hinreichend indiziert, wenn zwischen einer »ersten« krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einer dem Arbeitnehmer im Wege der »Erstbescheinigung« attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Hiervon ist auszugehen, wenn die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Der Arbeitnehmer ist mit anderen Worten darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine bisherige Erkrankung bei Eintritt der mit neuer Erstbescheinigung attestierten Arbeitsverhinderung keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ein Krankengeldbezug angeschlossen hat und der Arbeitnehmer in der Folge vom Arbeitgeber unter Vorlage einer neuen Erstbescheinigung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen Arbeitsunfähigkeit verlangt.

Hiervon ausgehend besteht ein hinreichend gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen Verhinderungsfalls regelmäßig dann, wenn sich an eine »erste« Arbeitsverhinderung in engem zeitlichen Zusammenhang eine dem Arbeitnehmer im Wege der »Erstbescheinigung« attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit dergestalt anschließt, dass die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder dass zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Es ist deshalb dem Arbeitnehmer auch unter Berücksichtigung seiner Sachnähe zuzumuten, seine Behauptung, es lägen voneinander zu trennende Verhinderungsfälle vor, durch konkreten Vortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende bzw. Beginn der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren und hierfür ggf. vollen Beweis zu erbringen.«

»Der hiernach erforderliche Vortrag ist im Regelfall mit der Offenlegung der einzelnen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen im maßgeblichen Zeitraum verbunden« (BAG 18.01.2023 – 5 AZR 93/22).

Beispiel für das Vorliegen einer Einheit des Verhinderungsfalls:

Der Arbeitnehmer ist seit 2020 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Im September 2023 trägt er vor, dass er nunmehr an einer anderen Krankheit erkrankt sei und er verlangt Entgeltfortzahlung.

Aufgrund der obigen Rechtsprechung ist allein schon aufgrund der durchgängigen Arbeitsunfähigkeit der Beweiswert erschüttert und der Arbeitnehmer muss den Vollbeweis antreten, dass im Zeitpunkt der Zweiterkrankung die Ersterkrankung ausgeheilt war.

Praxistipp:

Praxistipp:

Der Arbeitgeber hat zwar keine Kenntnisse über die Art der den Krankschreibungen zugrunde liegenden Krankheiten, aber er kann ggf. anhand der die Krankschreibungen ausstellenden Arztpraxis bzw. des Krankenhauses Rückschlüsse auf das Vorliegen einer andere Erkrankung ziehen bzw. die nicht erfolgte Ausheilung der Ersterkrankung ziehen, so z.B. wenn die Ersterkrankung von dem Hausarzt und die Zweiterkrankung von einer Gynäkologin ausgestellt wurde und es im Anschluss daran wieder zu einer AU-Bescheinigung durch den Hausarzt kommt.

 Siehe auch 

Arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer

Entgeltfortzahlung

Im Ausland arbeitsunfähig erkrankter AN

Wiederholungserkrankung

Litty: Die Darlegungs- und Beweislast bei Fortsetzungserkrankungen und Einheit des Verhinderungsfalls – eine Kurzübersicht; Zeitschrift für das Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes – ZTR 2023, 622