Rechtswörterbuch

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Fernabsatzvertrag

 Normen 

§ 312c BGB

§ 356 BGB

Art. 246 EGBGB

 Information 

1. Begriffsbestimmung

Fernabsatzverträge sind gemäß § 312c BGB Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden.

Hinweis:

Fernkommunikationsmittel sind gemäß § 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind. Als Beispiele werden im Gesetz genannt: Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.

Ein Fernabsatzvertrag liegt nicht vor, wenn der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Der Unternehmer hat zu beweisen, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines solchen Systems erfolgt ist.

An das Vorliegen eines solchen Vertriebs- oder Dienstleistungssystems sind nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12637) insgesamt jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Unbeachtlich ist auch, wer das für die Lieferung im Fernabsatz organisierte Vertriebs- bzw. Dienstleistungserbringungssystem betreibt. Damit sind auch Online-Plattformen erfasst, die von Unternehmern genutzt werden. Nicht erfasst sind jedoch Webseiten, die lediglich Informationen über den Unternehmer, seine Waren oder Dienstleistungen und seine Kontaktdaten bieten.

Die Begriffsbestimmung des Fernabsatzvertrags umfasst auch Situationen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume des Unternehmers lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Hiervon zu unterscheiden ist die Situation, in der der Verbraucher in den Geschäftsräumen des Unternehmers bereits über einen konkreten Vertrag verhandelt, diesen aber letztendlich erst später über ein Fernkommunikationsmittel abschließt. In diesem Fall liegt kein Fernabsatzvertrag vor. Auch ein Vertrag, der über ein Fernkommunikationsmittel angebahnt und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird, ist kein Fernabsatzvertrag. So führt eine telefonische Terminsreservierung, z.B. bei einem Friseur, nicht zu einem Fernabsatzvertrag. Die Definition setzt zudem zwingend voraus, dass bis zum Vertragsschluss ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet werden. Die gemäß den Verordnungen für die Grundversorgung mit Energie, Wasser oder Fernwärme durch bloße Entnahme des Verbrauchers konkludent geschlossenen Verträge werden daher nicht erfasst.

Fernabsatzvertrag bei einem Fahrzeugvermittlungsportal:

Das OLG Celle hat den Begriff des für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem für ein Fahrzeugsvermittlungsportal definiert:

"Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem ist bei der systematischen Nutzung von Fahrzeugvermittlungsportalen durch einen Gebrauchtwagenhändler anzunehmen, wenn dessen personelle und sachliche Organisation grundsätzlich darauf eingestellt ist, auf elektronischem oder telefonischem Wege eingehende Kundenanfragen dergestalt zu bearbeiten, dass ein Vertragsschluss unter ausschließlicher Nutzung von Fernkommunikationsmitteln erzielt wird. Auf die Anzahl der tatsächlich auf diese Weise abgeschlossenen Verträge kommt es demgegenüber nicht an" (OLG Celle 03.06.2020 - 7 U 1903/19).

Bei dem Fernabsatzvertrag handelt es sich nicht um eine gesonderte Vertragsart. Der Vertrag selbst ist immer ein Kaufvertrag, ein Werkvertrag o.Ä. Fernabsatzverträge sind eine Unterform der Verbraucherverträge.

Auch der Rechtsanwaltsvertrag kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Fernabsatzvertrag sein mit der Mögllichkeit des Widerrufs. Aber:

"Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem liegt regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält" (BGH 23.11.2017 - IX ZR 204/16).

2. Informationspflichten

Siehe insofern den Beitrag "BGB-Informationspflichten".

3. Widerruf / Rückgabe / Rücksendung / Wertersatz

Zu den Inhalten siehe den gesonderten Beitrag "Widerruf - Fernabsatzvertrag".

 Siehe auch 

BGB-Informationspflichten

E-Commerce

E-Commerce - AGB

E-Commerce - Anbieterkennzeichnung

E-Commerce - Datenschutz

E-Commerce - grenzüberschreitender

E-Commerce - Informationspflichten

E-Commerce - Rückgaberecht

E-Commerce - Verbraucherkredit

E-Commerce - Widerrufsrecht

Fernunterrichtsvertrag

Kaufvertrag

Unbestellte Lieferung

Verbraucher

BGH 29.04.2010 - I ZR 66/08 (kein Beginn der Widerrufsfrist bei Abrufbarkeit der Informationen im Internet)

BGH 19.03.2003 - 295/01 (Voraussetzungen des Anfertigung der Ware bei Verwendung von Standardbauteilen)

Brisch: Informationspflichten des Unternehmers im Fernabsatzvertrag und elektronischen Geschäftsverkehr, Zeitschrift für die Anwaltspraxis - ZAP 2002, 497

Fischer: Fernabsatzvertrag: Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Anfertigung der Ware nach Kundenspezifikation?; Der Betrieb - DB 2003, 1103

Hupka: Unverzüglichkeit der Widerrufsbelehrung bei eBay-Versteigerungen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 1122

Kramme: Die Einbeziehung von Pflichtinformationen in Fernabsatz- und Außergeschäftsraumverträge; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2015, 279

Lettl: Haustürgeschäft (§ 312 Abs. 1 S. 1 BGB) und Fernabsatzvertrag (§ 312d Abs. 1 S. 1 BGB); Juristische Arbeitsblätter - JA 2010, 694

Möller: Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Postident-Verfahren; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2005, 1605

Skamel: Widerrufsrecht bei nichtigem Fernabsatzvertrag; Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht - ZGS 2010, 1069

Wendehorst: Dauerbaustelle Verbrauchervertrag: Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2011, 2551

Wendehorst: Das neue Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2014, 577