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Factoring

 Normen 

Gesetzlich nicht geregelt.

 Information 

1. Allgemein

Factoring ist ein Vertrag über die Abtretung einer Forderung im Rahmen eines Forderungskaufvertrages.

Factoring ist eine Form der Finanzdienstleistung. Der Factoring-Vertrag ist selbst gesetzlich nicht geregelt. Die Rechtslage bestimmt sich nach dem allgemeinen Recht. Es wird zwischen dem echten und dem unechten Factoring unterschieden:

  • Beim echten Factoring wird die Forderung durch den Käufer endgültig gekauft. Es handelt sich um einen Forderungskauf. Der Käufer (Faktor) übernimmt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners.

  • Im Unterschied dazu kommt es beim unechten Factoring nur zu einer Abtretungerfüllungshalber: Wird die Forderung durch den Schuldner nicht erfüllt, kann der Faktor bei dem Forderungsverkäufer Rückgriff nehmen. Der Vertrag ist ein gemischt-typischer Vertrag, der in vielen Teilen einem Darlehensvertrag entspricht.

    Hinweis:

    Das unechte Factoring hat in Deutschland so gut wie keine praktische Bedeutung.

Vorteil des Factorings für den Unternehmer (Factoringkunden) ist die Sicherheit vor einem etwaigen Forderungsausfall, die unmittelbare Erhöhung des Eigenkapitals sowie die Möglichkeit der Entlastung der Buchhaltung.

Der BGH hat mit der Entscheidung BGH 27.02.2007 - XI ZR 195/05 die Zulässigkeit des Verkaufs einer Darlehensforderungen einschließlich der sie sichernden Grundschuld durch das Kreditinstitut bestätigt.

2. Abgrenzung zum Inkasso

Grundsätzlich handelt es sich sowohl beim Inkasso als auch bei dem Factoring um die Einziehung einer Forderung gegen Geld. Der Unterschied besteht darin, dass es sich bei dem Factoring um eine Finanzierungsart handelt (d.h. Forderungen systematisch gekauft werden) und bei dem Inkasso einzelne Forderungen zur Einziehung übertragen werden. Im Einzelnen können die Übergänge jedoch fließend sein.

Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob das wirtschaftliche Ergebnis der Einziehung dem Abtretenden zukommen soll. Hierbei ist nicht allein auf den Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten ihr zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die eine Umgehung des Gesetzes durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Einziehung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze vermeidet. Entscheidend ist insoweit, ob die Forderung einerseits endgültig auf den Erwerber übertragen wird und dieser andererseits insbesondere das Bonitätsrisiko, d.h. das volle wirtschaftliche Risiko der Beitreibung der Forderung, übernimmt (BGH 11.12.2013 - IV ZR 46/13).

Maßgebliches Kriterium für die Differenzierung zwischen der Übertragung zu Einziehungszwecken (Inkassozession) und dem Forderungserwerb im Wege des Forderungskaufs ist die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den Erwerber (BGH 11.12.2013, Rn. 18): Die Einziehung einer abgetretenen Forderung auf fremde Rechnung (Inkassozession) soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung unter Erlaubnisvorbehalt stehen, weil hier nur die formale Forderungsinhaberschaft auf den Einziehenden übertragen wird, die Einziehung aber weiterhin auf Risiko und Rechnung des Zedenten erfolgt und die Forderung für den Zessionar wirtschaftlich fremd bleibt (BT-Drucks. 16/3655, S. 36, 48). Sie ist von den Fällen des Forderungskaufs abzugrenzen, "bei denen ein endgültiger Forderungserwerb stattfindet und das Risiko des Forderungsausfalls auf den Erwerber übergeht", sodass die Einziehung auf eigene Rechnung erfolgt. Die für die Bewertung als Forderungskauf in Abgrenzung zur Inkassozession notwendige Übernahme des wirtschaftlichen Risikos der Forderungseinziehung liegt auch dann vor, wenn der Forderungskäufer die Forderung mit einem Abschlag von 3,75 % des Nennwertes der Forderung vom Verkäufer übernimmt (OLG Bremen 04.02.2016 - 5 U 7/15).

Dementsprechend hat der BGH zur Klarstellung ausgeführt (BGH 21.03.2018 - VIII ZR 17/17):

  • "Die Einziehung im Wege des echten Factorings abgetretener Forderungen ist keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, weil ein Factoring-Unternehmen, welches das Risiko des Forderungsausfalls vertraglich vollständig übernommen hat, keine fremden, sondern eigene Angelegenheiten besorgt, wenn es die ihm abgetretenen Forderungen auf eigene Rechnung einzieht."

  • "Geht das Risiko des Forderungsausfalls nach den im Factoring-Vertrag getroffenen Vereinbarungen nicht vollständig auf das Factoring-Unternehmen über (unechtes Factoring), ist die Forderungseinziehung - sofern das Factoring-Unternehmen nach dem Vertragsinhalt weder zur Klärung von Rechtsfragen, wie Bestand und Durchsetzbarkeit der abgetretenen Forderungen, noch zum Inkasso verpflichtet ist - ebenfalls keine Inkassodienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, weil die Forderungsabtretung erfüllungshalber zur Kreditsicherung und damit als Nebenleistung, nicht aber im Rahmen eines eigenständigen Geschäfts des Factoring-Unternehmens erfolgt."

3. Durchführung des Factorings

Das Factoringentgelt beträgt ca. 0,8 - 2,5 % des Brutto-Forderungswertes. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach der Bonität des Schuldners sowie dem zu erwartenden Aufwand des Forderungsmanagements.

Vor dem Vertragsschluss wird die Forderung sowie die Bonität des Schuldners durch den Factor überprüft. Der Kunde wird in den meisten Fällen über die Abtretung informiert (offenes Factoring). Mit dem Abschluss des Vertrages wird der Wert der übertragenen Forderung an den Factoringkunden ausgezahlt, wobei üblicherweise ein Sicherheitsentgelt in Höhe von 10-15 % des Forderungswertes für Gewährleistungsansprüche, Skontoabzüge etc. zurückbehalten wird. Das Sicherheitsentgelt wird nach Ablauf der Fristen zur Inanspruchnahme an den Factoringkunden ausgezahlt.

In der Praxis wird der Factoringvertrag selten über einzelne Forderungen geschlossen, üblich ist vielmehr die Vereinbarung der langfristigen Übernahme von Forderungen bestimmter Schuldner mit der Vereinbarung eines bestimmten Finanzierungslimits.

4. Factoring einer anwaltlichen Honorarforderung

Die Frage, ob das Factoring der Rechtsanwaltsvergütung aufgrund der Vorgaben für Berufsgeheimnisträger zulässig ist, war lange Zeit umstritten. Die Frage wurde durch die Entscheidung BGH 01.03.2007 - IX ZR 189/05 beantwortet. Der Inhalt dieser Entscheidung wurde in § 49b Abs. 4 BRAO eingefügt. Danach besteht folgende Rechtslage:

  • Die Abtretung einer Anwaltsgebührenforderung oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen Rechtsanwalt oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften ist auch ohne Zustimmung des Mandanten wirksam.

  • In den anderen Fällen erfordert die Abtretung einer Gebührenforderung oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen Nicht-Rechtsanwalt das Vorliegen folgender Voraussetzungen:

    • Es liegt eine schriftliche Einwilligung des Mandanten vor

      oder

    • die Forderung ist rechtskräftig festgestellt.

Der neue Gläubiger ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Hinweis:

Dies gilt nach der Entscheidung OLG Hamm 15.12.2011 - 2 U 65/11 nicht für Praxis-/Kanzleiverkäufe.

5. Factoring einer ärztlichen / medizinischen Honorarforderung

Der von vielen Ärzten mit den ärztlichen Verrechnungsstellen über die Abtretung ihrer Honorarforderung vorgenommene Factoring-Vertrag ist nach der Grundsatzrechtsprechung des BGH (BGH 10.07.1991 - VIII ZR 296/90) ohne Zustimmung des Patienten wegen einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht nichtig.

Zwar können gemäß § 302 Abs. 2 S. 2 SGB V die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel zur Erfüllung ihrer in § 302 Abs. 1 SGB V gegenüber den Krankenkassen bestehenden Anzeigepflichten über die von ihnen erbrachten Leistungen Rechenzentren in Anspruch nehmen. Eine darüber hinausgehende Abtretung ist jedoch aufgrund der Verletzung von § 203 StGB nichtig.

Diese Rechtsprechung wurde von der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Karlsruhe 15.10.1997 - 13 U 8/96) weitergeführt.

Eine wirksame Einwilligung des Patienten in die Abtretung setzt voraus, dass der Erklärende eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, und die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet; auch muss er über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein. Erfolgt die Einwilligung in Form eines Formularvordrucks verwendeten Einverständniserklärung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingung können auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen - unwirksamen - Regelungen stehen (BGH 10.10.2013 - III ZR 325/12).

Mit dem Urteil OLG Hamm 17.11.2006 - 19 U 81/06 wurde die Unwirksamkeit erstmalig auch auf die Abtretung von nichtärztlichen Leistungserbringern (Krankengymnasten etc.) erstreckt.

6. Internationales Factoring

Rechtsgrundlage des internationalen Factorings kann bei Vorliegen der Voraussetzungen das "Unidroit-Übereinkommen über das internationale Factoring" sein. Vertragsstaaten sind u.a. Frankreich, Italien, Nigeria, Deutschland, Ungarn und Lettland. Der Inhalt kann im Internet unter der Adresse "http://www.unidroit.org/instruments/factoring" eingesehen werden.

Daneben besteht das "UN-Übereinkommen über die Abtretung von Forderungen im internationalen Handel (ZessÜ)".

 Siehe auch 

Abtretung

Geschäftsgeheimnis

Schuldsicherungsarten aus Vertrag

BGH 25.09.2014 - IX ZR 25/14 (Honorarforderungen bei gewerblichem Aufkaufen und Abtreten von Honorarforderungen von Steuerberatern durch eine Steuerberatungsgesellschaft)

BGH 17.01.2007 - VIII ZR 171/06 (Hinterlegung des Geldbetrages durch den Factor)

BGH 11.11.2004 - IX ZR 240/03 (Abtretung anwaltlicher Honorarforderungen)

BFH 06.05.2010 - V R 15/09 (Abtretung gegen einen unter dem Nennwert der Forderung liegenden Forderungskaufpreis)

http://www.factoring.de (Deutscher Factoring-Verband)

http://www.kaeuferportal.de/dienstleistungen/factoring/ (Internetportal für Kontakte zu Factoring-Anbietern)

http://www.anwvs.de (Factoring anwaltlicher Vergütungsforderungen)

Abel\Djagani: Weitergabe von Kreditnehmerdaten bei Forderungskauf und Inkasso. Die Rechtslage nach BDSG und DS-GVO; Zeitschrift für Datenschutz - ZD 2017, 114

Bartsch: Zum Vorsteuerabzug bei Factoringleistungen; Betrieb und Wirtschaft - BuW 2003; 932

Bette: Zur Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters unter besonderer Berücksichtigung der Forderungsabtretung im Rahmen eines echten Factoring; Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO 2010, 1628

Fischinger: Einführung ins Factoring; Juristische Ausbildung - JA 2005, 651

Gilgan: Factoring als alternative Finanzierungsform für Steuerberater. Verkauf von Forderungen bietet Vorteile im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen; Neue Wirtschafts-Briefe - NWB 2014, 1383

Kilian: Factoring von anwaltlichen Vergütungsforderungen an Nicht-Anwälte. Seit 2007 rechtlich möglich - und wie die Anwaltschaft das neue Instrument nutzt; Anwaltsblatt - AnwBl 2012, 728

Römermann: Praxisverkauf und Praxisbewertung bei Freiberuflern - ein (scheinbar) unlösbares Problem; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2012, 1694

Schwintowski/Schantz: Grenzen der Abtretbarkeit grundpfandlich gesicherter Darlehensforderungen; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2008, 472

Stumpf: Factoring - ein modernes und attraktives Finanzierungsinstrument zur Liquiditätssicherung; Betriebs-Berater - BB 2012, 1045