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Erziehungshilfen

 Normen 

§ 27 SGB VIII

 Information 

1. Allgemein

Form der Kinder- und Jugendhilfe.

Ist der Erziehungsberechtigte mit der Erziehung des Kindes/Jugendlichen überfordert und ist das Kindeswohl gefährdet, hat der Erziehungsberechtigte gemäß § 27 SGB VIII Anspruch auf Hilfe zur Erziehung.

Erziehungshilfen / Hilfen zur Erziehung im Sinne der Kinder- und Jugendhilfe sind die in den §§ 28 - 35a SGB VIII aufgeführten Formen:

2. Voraussetzungen der Gewährung

Voraussetzung für die Gewährung der Hilfe ist, dass die Erziehungshilfe geeignet und notwendig ist. Die Entscheidung über die Art der zu gewährenden Erziehungshilfe ergeht gemäß § 36 SGB VIII gemeinsam mit den Personensorgeberechtigten nach der Aufstellung eines Hilfeplans.

Die Hilfen stehen zueinander in einem Stufenverhältnis: Das Anwendungsgebiet der Erziehungsberatung bezieht sich auf Kinder und Jugendliche mit einem geringeren Erziehungsbedarf, die Intensivpädagogik ist ein Instrument zur Hilfe von Kindern und Jugendliche mit extremen Verhaltensauffälligkeiten, bei denen die herkömmlichen sozialpädagogischen Methoden bzw. Hilfen zur Erziehung nicht anwendbar bzw. nicht erfolgreich sind.

Die verschiedenen Formen der Erziehungshilfen sind gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII im Inland zu erbringen. Sie dürfen nur dann im Ausland erbracht werden, wenn dies nach der Maßgabe der Hilfeplanung zur Erreichung des Hilfeziels im Einzelfall erforderlich ist. In der Vergangenheit waren insbesondere Maßnahmen der Intensivpädagogik im Ausland erbracht worden.

In § 27 Abs. 2a SGB VIII ist klargestellt, dass der Anspruch auf eine Erziehungshilfe bestehen bleibt, wenn das Kind oder der Jugendliche von einer anderen unterhaltspflichtigen Person außerhalb des Elternhauses aufgenommen wurde.

"Übernehmen die Großeltern eines Kindes oder Jugendlichen dessen Vollzeitpflege so erfolgt diese Pflege auch dann "in einer anderen Familie" im Sinne des § 33 Satz 1 SGB VIII und "außerhalb des Elternhauses" im Sinne des § 27 Abs. 2 a SGB VIII und des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, wenn die Eltern des Kindes ebenfalls bei den Großeltern wohnen. (...) Als Pflegepersonen geeignet sind sie dann, wenn sie die erzieherische Mangelsituation im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen tatsächlich günstig beeinflussen können, Verpflichtungen zur Kooperation mit dem Jugendamt eingehen und zur Annahme unterstützender Leistungen bereit und im Stande sind (...). § 27 Abs. 2 a SGB VIII stellt für die Gewährung erzieherischer Hilfen klar, dass eine (abstrakte) Unterhaltspflicht naher Verwandter für die Gewährung von Hilfe zur Erziehung irrelevant ist. Lediglich bei der Festsetzung des monatlichen Pauschalbetrages zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes oder Jugendlichen nach § 39 SGB VIII kommt eine nach § 1601 BGB dem Grunde nach bestehende Unterhaltspflicht naher Verwandter zum Tragen. § 39 Abs. 4 Satz 4 SGB VIII räumt dem Jugendamt einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Kürzung des die Kosten für den Sachaufwand des Kindes oder Jugendlichen betreffenden Teils des Pflegegeldes ein, wenn die Pflegeperson mit dem Pflegekind in gerader Linie verwandt und im Sinne des Unterhaltsrechts leistungsfähig ist" (VGH Bayern 30.06.2016 - 12 C 16/1162).

3. Aufwendungsersatz für eine selbst beschaffte Maßnahme

Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt gemäß § 36a SGB VIII die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird.

Dabei kann die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe auch ohne eine schriftliche Fixierung in einem Hilfeplan festgestellt werden. Wird die beantragte Leistung zu Unrecht abgelehnt, so kann ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für eine selbst beschaffte Hilfe bestehen. Das BVerwG hat dazu folgende Grundsätze aufgestellt (BVerwG 18.10.2012 - 5 C 21/11):

"Hat demgegenüber das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, können an dessen Stelle die Betroffenen den sonst der Behörde zustehenden nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Einschätzungsspielraum für sich beanspruchen. Denn in dieser Situation sind sie - obgleich ihnen der Sachverstand des Jugendamtes fehlt - dazu gezwungen, im Rahmen der Selbstbeschaffung des § 36a Abs. 3 SGB VIII eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme zu treffen."

"Weil den Betroffenen die Entscheidung aufgebürdet ist, eine angemessene Lösung für eine Belastungssituation zu treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten."

4. Rechtliche Einordnung der Leistungsansprüche

Die Rechtsprechung hat das Leistungsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer dem Zivilrecht zugeordnet:

"Im sogenannten jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungserbringer liegt regelmäßig ein privatrechtlicher Vertrag vor, dem der Jugendhilfeträger durch Bewilligung der Kostenübernahme als weiterer Schuldner beitritt. Dieser Schuldbeitritt erfolgt mittels privatrechtsgestaltendem Verwaltungsakt, durch den der Leistungserbringer zugleich einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Jugendhilfeträger erwirbt. Dadurch wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um " (VGH Bayern 19.06.2018 - 12 C 18/313).

 Siehe auch 

Hilfeplan

Intensivpädagogik

Kinderschutz

Leistungen für Bildung und Teilhabe

Pflegekind

Sozialpädagogische Familienhilfe

BVerwG 19.08.2010 - 5 C 10/09 (Beteiligung der Eltern an den Kosten der Erziehungshilfe)

OVG Schleswig-Holstein 04.07.2006 - 2 O 20/06 (Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers)

Landes: Erfahrungen mit dem Bugwellen-Effekt im ASD. Überlegungen zum Zusammenhang von Inanspruchnahme und Personalbestand in den Erziehungshilfen; Das Jugendamt - JAmt 2011, 238

Roth: Der Hilfeplan als Controllinginstrument im Bereich der Hilfen zur Erziehung; Jugendhilfe 2003, 19

Schellhorn/Fischer/Mann: SGB VIII/KJHG; Kommentar; 5. Auflage 2016

Tillmann: Gewandelte Anforderungen an Erziehungshilfen im Kontext der Mediatisierung; Jugendhilfe 2019, 293