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Eisenbahn

 Normen 

AEG

BR-Drs. 71/21 (zu den am 01.07.2021 in Kraft getretnen Änderungen des AEG)

EVO

ERegG

§ 41 BImSchG

HaftPflG

 Information 

1. Begriffsbestimmung

Nach der Begriffsbestimmung des § 2 AEG sind Eisenbahnen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsdienste erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastruktur-Unternehmen).

Keine Eisenbahnen im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes sind andere Schienenbahnen, Magnetschwebebahnen, Straßenbahnen und die nach ihrer Bau- oder Betriebsweise ähnlichen Bahnen, Bergbahnen oder Bahnen besonderer Bauart (vgl. § 1 AEG).

2. Europäische Vorgaben

2.1 RL 2012/34

Der Inhalt der RL 2012/34 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums wurde grundsätzlich 1:1 in das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) umgesetzt.

2.2 RL 2007/58

Mit der RL 2007/58 über die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der Gemeinschaft wurdeder Markt für grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr geöffnet. Die Richtlinie unterscheidet dazu drei Fälle:

  • grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr innerhalb der Europäischen Union:

    Die Richtlinie sieht Zugangsrechte für grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr innerhalb der Europäischen Union vor.

  • grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat:

    Die Richtlinie gewährt keine Zugangsrechte für Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland. Das einzige an Deutschland angrenzende Drittland ist die Schweiz. Schweizerische Eisenbahnen erhalten folglich auf der Grundlage dieser Richtlinie keinen Zugangsanspruch in Deutschland.

  • grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr und Güterverkehr im Transit durch das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union:

    Die Richtlinie gewährt ebenfalls keine Zugangsrechte für grenzüberschreitende Eisenbahnverkehrsleistungen, die im Transit durch das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union erbracht werden.

    Nach der Richtlinie gilt als "Transit" die Durchfahrt durch das Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ohne Be- oder Entladen von Gütern und/oder ohne Aufnahme oder Absetzen von Fahrgästen im Gemeinschaftsgebiet. Wird der Zugang gleichwohl gewährt, können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union solche Verkehre von der Anwendung der Richtlinie ausnehmen. Von dieser Ausnahmemöglichkeit wird für Deutschland kein Gebrauch gemacht. Geregelt werden müsste der Fall eines Transits durch das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, der seinen Ursprung außerhalb der Europäischen Gemeinschaft hat und in die Schweiz führt, sowie in umgekehrter Richtung. Dafür besteht de facto kein Bedürfnis.

Der Inhalt der RL 2007/58 wurde in das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) übernommen.

3. Bau/Änderung von Betriebsanlangen von Eisenbahnen

3.1 Allgemein

Dem Bau bzw. der Änderung von Betriebsanlangen von Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen hat gemäß § 18 AEG grundsätzlich ein Planfeststellungsbeschluss vorauszugehen. Bei der Planaufstellung müssen die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden.

Erneuerung einer bestehenden Betriebsanlage einer Eisenbahn als Änderung:

Gemäß § 2 Absatz 7d AEG liegt eine Erneuerung einer Eisenbahnanlage im Gegensatz zu einer Umrüstung vor, wenn durch die umfangreichen Arbeiten zum Austausch der bestehenden Infrastruktur die Gesamtleistung der Eisenbahnanlage nicht verändert wird. Wird eine bestehende Betriebsanlage der Eisenbahnen erneuert, bedarf der Austausch ausgehend von dem Zustand der vorausgegangenen Planfeststellung dann keiner weiteren planungsrechtlichen Genehmigung, wenn das zu erneuernde Bauwerk innerhalb der durch die Planfeststellung festgelegten Vorgaben errichtet werden soll. Bei Ersatzneubauten, bei denen z.B. die Anpassung an aktuelle technische Standards zu beachten ist, bedarf es bei der Erneuerung häufig einer leichten Vergrößerung des Grundrisses der bestehen Betriebsanlage, z.B. durch eine aufgrund der geltenden technischen Vorgaben im Vergleich zum bisherigen Bauwerk geänderten Bauart oder Bauform.

Durch die zum 13.03.2020 neu eingefügte Ergänzung in § 18 Abs. 1 AEG ist der Ersatz von bestehenden Betriebsanlagen nur dann genehmigungspflichtig, wenn der Grundriss der Betriebsanlage wesentlich geändert wird. Damit wird der Begriff der Änderung, für die nach § 18 Abs. 1 S. 1 AEG der Plan vor dem Bau festzustellen ist, für Ersatzneubauten eingeschränkt. Die Beurteilung, ob eine wesentliche Änderung des Grundrisses vorliegt, ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu bewerten: So liegt nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/15626) eine wesentliche Änderung z. B. vor, wenn durch die umfangreicheren Ausmaße des Bauwerks Grundstücke Dritter in Anspruch genommen werden müssen oder Dritte durch die Änderung erstmals oder erheblich mehr belastet werden.

Für das Planfeststellungsverfahren gelten dabei gemäß § 18 S. 3 AEG grundsätzlich die §§ 72 - 78 VwVfG, sofern nicht in den §§ 18a - 18e AEG etwas anderes bestimmt ist.

§ 22 Abs. 1 S. 1 AEG sieht die Möglichkeit der Enteignung vor für Zwecke des Baus und des Ausbaus von Betriebsanlagen der Eisenbahn, soweit sie zur Ausführung eines festgestellten oder genehmigten Bauvorhabens notwendig ist. Dabei sind die Betroffenen gemäß § 18 Abs. 2 AEG bzw. § 22a AEG zu entschädigen.

Duldungspflichten bei Unterhaltung von Betriebsanlagen einer Eisenbahn:

§ 22b AEG regelt die besonderen Pflichten von Eigentümern, Besitzern oder Nutzungsberechtigten von Grundstücken, die für die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen oder Erneuerungsmaßnahmen benötigt werden. Den Personen wird eine Duldungspflicht für das Betreten und die Nutzung des Grundstücks auferlegt, aber nur insoweit, wie dies zum Zwecke der Instandhaltung oder Erneuerung erforderlich ist. Das Kriterium der Erforderlichkeit ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und ermöglicht im Einzelfall, eine angemessene Entscheidung zu treffen. Erforderlich sein kann zum Beispiel die temporäre Anlage einer Baustraße oder einer Kranaufstellfläche, wenn anders die Instandhaltung oder Erneuerung nicht durchgeführt werden kann oder in unzumutbarer Weise erschwert wird. § 22b AEG erfasst nur zeitlich begrenzte Maßnahmen.

3.2 Bauverfahren durch ein Maßnahmegesetz

Mit dem "Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich" (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz - MgvG) werden Verfahren geschaffen, um anschließend den Neu- oder Ausbau sowie die Änderung von Verkehrsinfrastruktur durch Gesetz anstelle eines Verwaltungsakts zulassen zu können.

4. Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers

Mit dem am 01.07.2021 in Kraft getretenen § 24 AEG wurde die Verkehrssicherungspflicht eines Verfügungsberechtigten über ein Grundstück, über das eine Bahnstrecke verläuft, erstmals als öffentlich-rechtliche Pflicht konkret gesetzlich geregelt. Dabei entspricht nach der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 71/21) der Inhalt der Norm exakt der bisherigen Rechtsprechung des BGH.

Hinweis:

Neben dem Eigentümer kann u.a. der Pächter eines Grundstücks die verfügungsberechtigte Person sein.

Demnach hat derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, soweit möglich und zumutbar grundsätzlich dafür zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für die Rechtsgüter anderer - etwa auf Verkehrsflächen oder benachbarten Privatgrundstücken - ausgeht (BGH 13.06.2017 - VI ZR 395/16; BGH 31.05.1988 - VI ZR 275/87). Mit Urteil 06.03.2014 - III ZR 352/13 hat der BGH zudem klargestellt, wo er im Falle von Wald- bzw. Baumvegetation als potenzieller Gefahrenquelle die Grenzen der Verkehrspflicht sieht. Danach ist der Baum- bzw. Waldbesitzer im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht zur Beseitigung von Bäumen oder Teilen von ihnen verpflichtet, die den Verkehr konkret gefährden, insbesondere, wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Dagegen hat der BGH eine Pflicht zur Entfernung von gesunden Bäumen, nur, weil sie z.B. einer naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdeteren Baumart angehören, abgelehnt.

Bezüglich des zu überwachenden Gebiets wird gemäß § 24 AEG eine Fläche eines 50 Meter breiten Streifens beidseits entlang der Gleise, gemessen von der Gleismitte des außen liegenden Gleises, gefordert.

Zur Gefahrenabwehr sieht der BGH es als geeignet, erforderlich und zumutbar an, dass der Verkehrssicherungspflichtige den Baumbestand im sicherheitsrelevanten Bereich in angemessenen Zeitabständen zum Beispiel auf Standsicherheit, Krankheitsbefall oder konkret bruchgefährdete Äste kontrolliert (vgl. BGH 13.06.2017 - VI ZR 395/16; BGH 30.10.1973 - VI ZR 115/72; BGH 08.10.2004 - V ZR 84/04). Zusätzlich zur regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse sind weitere Untersuchungen dort geboten, wo besondere Umstände, wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung, sein statischer Aufbau oder ähnliche deutliche Warnhinweise auf eine konkret bestehende Umsturz- oder Astbruchgefahr liefern (BGH 06.03.2014 - III ZR 352/13). Als geeignet, erforderlich und zumutbar sieht der BGH zudem eine zeitnahe Beseitigung von konkreten Baumgefahren an: Der Verkehrssicherungspflichtige muss Bäume oderTeile von ihnen entfernen, die den Verkehr konkret gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen (BGH 06.03.2014 - III ZR 352/13). Zur Vermeidung von damit möglicherweise verbundenen Gefahrenmomenten kann es - je nach örtlicher Situation - erforderlich werden, den Bahnbetrieb auf der jeweiligen Bahnstrecke vorübergehend zu unterbrechen und Oberleitungen abzuschalten. In solchen Fällen ist eine enge Abstimmung der Maßnahme mit dem Bahnbetreiber erforderlich (siehe § 24a Abs. 3 AEG).

Die Verkehrssicherungspflicht erfordert nach der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 71/21) nicht die Beseitigung jeder potentiellen Gefahr. Zuentfernen sind nur solche Bäume oder Teile von ihnen, die den Verkehr konkret gefährden.

 Siehe auch 

Bahnreise

Immissionen

Verkehrslärm

Verkehrslärm - Verhältnismäßigkeitsklausel des § 41 Abs. 2 BImschG

BVerwG 02.08.2006 - 9 B 9/06 (Rechte der Kommunen im Planfeststellungsverfahren nach dem AEG)

BVerwG 28.07.2006 - 9 B 3/06 (Umfang der Substantiierungspflicht und Mitwirkungspflicht des Einwenders im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren)

VGH Bayern 11.03.2009 - 15 BV 08/1306 (Abgrenzung der Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde und des Eisenbahn-Bundesamtes)

Kramer: Die aktuelle Entwicklung des deutschen Eisenbahnrechts; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2006, 26

Kunz: Die Beförderung von Hunden im Eisenbahnverkehr; Transportrecht - TranspR 2001, 390

Marschall/Schweinsberg: Eisenbahnkreuzungsgesetz; 7. Auflage 2023

Stüer: Bahnflächen in der gemeindlichen Bauleitplanung - Freistellung und Baurecht auf Zeit; Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ 2006, 512