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EU-Gewaltschutzverfahren

Autor:
 Normen 

EUGewSchVG

VO 606/2013

RL 2011/99

 Information 

1. Allgemein

Rechtsgrundlagen des europaweiten Schutzes vor häuslicher Gewalt sind die folgenden Rechtsakte:

  • RL 2011/99 über die Europäische Schutzanordnung

Hinweis:

Dänemark und Irland sind vom Anwendungsbereich ausgenommen.

  • VO 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen

Die beiden Rechtsakte sollen sich gegenseitig ergänzen und zusammen einen effektiven, europaweiten Schutz der Opfer von Gewalt gewährleisten. Zu diesem Zweck sehen sie Systeme vor, wonach sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Gewaltschutzanordnungen der Mitgliedstaaten auch in den anderen Mitgliedstaaten der Europäische Union anerkannt und die den Opfern gewährten Schutzmaßnahmen auf einen anderen Mitgliedstaat ausgedehnt werden können.

Die Umsetzung der Inhalte der RL 2011/99 in das deutsche Recht sowie der Erlass der Vorschriften zur Durchführung der VO 606/2013 sind in das am 11. Januar 2015 in Kraft getretene EU-Gewaltschutzverfahrensgesetz (EUGewSchVG) eingearbeitet.

2. Umsetzung der Inhalte der RL 2011/99

Für Deutschland ist die RL 2011/99 nur im Hinblick auf eingehende Ersuchen aus anderen Mitgliedstaaten umzusetzen. Demgegenüber besteht für ausgehende Ersuchen kein Umsetzungsbedarf, weil sich die Richtlinie allein auf in Strafsachen ergangene Schutzmaßnahmen bezieht und solche nach der deutschen Rechtslage von vornherein nicht in Betracht kommen. Soweit eine Umsetzung einzelner Bestimmungen der RL 2011/99 unterblieben ist, besteht nach innerstaatlichem Recht kein Umsetzungsbedarf, weil die Umsetzung bereits durch bestehende Rechtsvorschriften gewährleistet ist.

Nach den Begriffsbestimmungen des § 2 EUGewSchVG bestehen folgende Definitionen:

  • Schutzmaßnahme ist eine in einem anderen Mitgliedstaat nach dessen nationalem Recht und nationalem Verfahren ergangene Entscheidung in Strafsachen, mit der einem Schuldner eines oder mehrere Verbote oder Beschränkungen auferlegt werden, um einen Gläubiger vor einer strafbaren Handlung zu schützen, die sein Leben, seine physische oder psychische Integrität, seine Würde, seine persönliche Freiheit oder seine sexuelle Integrität gefährden könnte.

  • Europäische Schutzanordnung ist eine von der Anordnungsbehörde eines anderen Mitgliedstaates getroffene Entscheidung im Zusammenhang mit einer Schutzmaßnahme, auf deren Grundlage ein innerstaatliches Gericht eine oder mehrere Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz ergreifen soll, um den Schutz des Gläubigers fortzuführen.

Gemäß § 3 EUGewSchVG kann ein Antrag auf Erlass einer Europäischen Schutzanordnung auch bei der zuständigen Behörde des vollstreckenden Staates gestellt werden und diese hat den Antrag dann so rasch wie möglich der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates zu übermitteln, d.h. eine den Schutz begehrende Person kann den Antrag auf Erlass einer Europäischen Schutzanordnung auch bei dem für sie zuständigen deutschen Familiengericht stellen.

Auch für die Anerkennung einer Europäischen Schutzanordnung ist das Familiengericht zuständig, in dessen Bezirk sich die den Schutz begehrende Person aufhält. Sofern die Europäischen Schutzanordnung unvollständig ist, muss das Gericht die zuständige Behörde des anordnenden Staates auffordern, die fehlenden Angaben nachzuholen.

Die Anerkennung kann nur aus den in § 6 EUGewSchVG aufgeführten Gründen versagt werden. Nummer 4 enthält den Ablehnungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs für den Schuldner. Gemäß Art. 6 Abs. 4 der RL 2011/99 steht der gefährdenden Person vor dem Erlass einer Europäischen Schutzanordnung ein Anspruch auf rechtliches Gehör sowie ein Recht auf Anfechtung der Schutzmaßnahme zu, sofern ihm diese Rechte nicht bereits in dem zum Erlass der Schutzmaßnahme führenden Verfahren gewährt worden sind.

Liegt keiner der Versagungsgründe vor, so hat das Gericht unverzüglich über die Anerkennung zu entscheiden.

Die Ablehnung der Anerkennung kann mit der Beschwerde nach dem FamFG angegriffen werden. Gegen die Anerkennung selbst ist ein Rechtsmittel nicht vorgesehen (§ 8 EUGewSchVG).

Mit der Anerkennung der Schutzmaßnahme wird das Gericht gleichzeitig verpflichtet, eine nach § 1 GewSchG geeignete Maßnahme zu erlassen. Siehe insofern den Beitrag »Schutz vor Gewalt in der Wohnung«. Gleichzeitig müssen der Gläubiger, der Schuldner und die zuständige Behörde des anordnenden Staates über alle erlassenen Maßnahmen und über die möglichen Rechtsfolgen eines Verstoßes unterrichtet werden. Die Anschrift oder andere Kontaktangaben des Gläubigers dürfen nach Absatz 2 Satz 2 dem Schuldner dabei nicht offengelegt werden, es sei denn, diese Angaben sind für die Vollstreckung der erlassenen Maßnahme notwendig.

3. VO 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen

In den §§ 13 – 23 EUGewSchVG sind die zur Durchführung der VO 606/2013 erforderlichen Regelungen enthalten. Der Abschnitt ist in zwei Unterabschnitte gegliedert, von denen sich der erste auf Ersuchen bezieht, die aus dem Inland in das EU-Ausland ausgehen, während der zweite Ersuchen betrifft, die aus dem EU-Ausland in das Inland eingehen. Der Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Schutzmaßnahmen gemäß der in Art. 3 Nr 1 VO 606/2013 aufgeführten Begriffsbestimmung.

Wurde in einem Mitgliedstaat der Europäische Union eine Schutzmaßnahme angeordnet, so gilt der Inhalt der Schutzmaßnahme auch in einem anderen EU-Mitgliedsland.

Nach der Begründung der Verordnung werden alle Maßnahmen erfasst um eine Person zu schützen, wenn es ernsthafte Gründe zu der Annahme gibt, dass das Leben dieser Person, ihre körperliche oder psychische Unversehrtheit, ihre persönliche Freiheit, ihre Sicherheit oder ihre sexuelle Integrität in Gefahr ist, beispielsweise zur Verhütung jeder Form von geschlechtsbezogener Gewalt oder Gewalt in engen Beziehungen wie körperliche Gewalt, Belästigung, sexuelle Übergriffe, Stalking (Nachstellungen), Einschüchterung oder andere Formen der indirekten Nötigung. Die Verordnung gilt für alle Opfer, unabhängig davon, ob sie Opfer von geschlechtsbezogener Gewalt sind oder nicht.

Auch ist es unerheblich, ob die eine zivil-, verwaltungs- oder strafrechtliche Behörde die Schutzmaßnahme angeordnet hat.

Die Verordnung gilt für grenzüberschreitende Fälle. Ein grenzüberschreitender Fall liegt vor, wenn die Anerkennung einer Schutzmaßnahme, die in einem Mitgliedstaat angeordnet wurde, in einem anderen Mitgliedstaat beantragt wird.

 Siehe auch 

Ehewohnung

Hilfetelefon

Nachstellungen

Nichteheliche Lebensgemeinschaft – Mietvertrag

Schutz vor Gewalt in der Wohnung

Soziales Entschädigungsrecht