Rechtswörterbuch

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Beschneidung

 Normen 

§ 1631d BGB

 Information 

Die Personensorge als Teil des Sorgerechts umfasst gemäß § 1631d BGB auch das Recht, in eine medizinisch nicht notwendige Beschneidung des männlichen Kindes einzuwilligen. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung das Kindeswohl gefährdet wird. Ob eine solche Gefahr begründet ist, ist aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Beispiele werden in der Norm nicht aufgeführt.

Zentral und unabdingbar für die Berechtigung der Eltern zur Einwilligung ist, dass die Beschneidung des männlichen Kindes fachgerecht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Davon unabhängig darf die Beschneidung in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes auch durch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen vorgenommen werden, wenn sie dafür besonders ausgebildet und für die Durchführung der Beschneidung einer Ärztin oder einem Arzt vergleichbar befähigt sind.

Dabei hat die erste Rechtsprechung (OLG Hamm 30.08.2013 - 3 UF 133/13) zwei weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmale aufgeführt, die zu erfüllen sind:

  • Auch ein deutlich unter 14 Jahre altes Kind ist bzgl. seiner möglichen eigenen Einwilligungs- und Urteilsfähigkeit durch das Familiengericht gemäß § 159 FamFG persönlich anzuhören.

    Der Richter soll die Anhörung an einem anderen Ort, möglichst einem dem Kind vertrauten Ort, ausführen.

    Bezüglich des Verfahrens bestehen folgende weitere Vorgaben (OLG Frankfurt am Main 12.07.2022 - 1 UF 240/21):

    "Im Rahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach § 159 FamFG bedarf es der expliziten Wahrnehmung des Kindes als eigenständige Persönlichkeit durch das Gericht, was auch damit einhergeht, dass das Kind zumindest kurz in seinem Verhalten beobachtet wird, um so auch Rückschlüsse auf seine Befindlichkeit ziehen zu können."

    "Auch zum Ergebnis der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks ist ein Vermerk zu fertigen, in welchem die wesentlichen Vorgänge aufzunehmen sind (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Dazu gehört es auch, dass der persönliche Eindruck vom Kind und das Verhalten des Kindes im Vermerk geschildert und den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt wird."

  • Die Wirksamkeit der Einwilligung der oder des Personensorgeberechtigten in die Beschneidung hängt von einer von ihnen bzw. ihm darzulegenden und nachzuweisenden ordnungsgemäßen und umfassenden Aufklärung über die Chancen und Risiken des Eingriffs durch die mit der Durchführung der Beschneidung beauftragten Person ab, regelmäßig einen Arzt.

Für einen Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer vom Antragsgegner veranlassten Beschneidung des Kindes ist das Familiengericht sachlich zuständig (OLG Karlsruhe 22.09.2014 - 18 WF 219/13).

 Siehe auch 

Inobhutnahme

Kindeswohl

Kindeswohl - Gefährdung

Verstümmelung weiblicher Genitalien

Gerhardt/von Heintschell-Heinegg/Klein: Handbuch des Fachanwalts Familienrecht; 12. Auflage 2021

Peschel-Gutzeit: Die neue Regelung zur Beschneidung des männlichen Kindes; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2013, 3617