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Baukastensystem des Eingruppierungsrechts

 Normen 

Gesetzlich nicht geregelt.

 Information 

1. Allgemein

Als Baukastensystem / Baukastenprinzip wird das System der aufeinander aufbauender tariflichen Anforderungen der Entgeltordnungen des TVöD (Bund) / TV-L bezeichnet.

Danach kann die nächsthöhere Entgeltgruppe erst geprüft werden, wenn die Anforderungen der jeweils niedrigeren Entgeltgruppe erfüllt sind, wobei die Prüfungen

  • im allgemeinen Teil des TV EntgO Bund mit den Entgeltgruppen 1, 4, 9 oder 13 beginnen.

  • im allgemeinen Teil der Entgeltordnung des TV-L (Anlage A) mit den Entgeltgruppen 1, 4, 9 oder 13 beginnen.

  • im allgemeinen Teil der EntgO (VKA) jeweils mit den Entgeltgruppe 1, 4, 9b, oder 13 beginnen

2. Inhalt des Baukastensystems

Kennzeichnend für das Baukastensystem ist, dass zur Erfüllung der tariflichen Anforderungen der jeweiligen Entgeltgruppe ein "Mehr" gegenüber den Anforderungen der nächstniedrigeren Entgeltgruppe vorliegen muss. Insbesondere ist dabei bei der Begründung der Stellenbewertung darauf zu achten, dass die zur Begründung verwendeten Anforderungen einer Stelle nicht vermischt werden:

Die zur Begründung der fachlichen Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe verwendeten Aufgaben dürfen nicht mehr zur Begründung der jeweiligen höheren Entgeltgruppe verwendet werden; sie sind verbraucht.

Beispiel:

Bewertung der Diplom-Bibliothekarin - Leitung:

Die Bewertungsprüfung hat mit der Entgeltgruppe 9 zu beginnen. Die tarifliche Anforderung an die einer Diplom-Bibliothekarin entsprechenden Tätigkeit muss mit den Leitungstätigkeiten begründet werden, da allein der die Bibliotheksleitung beinhaltende Arbeitsvorgang aufgrund des Zeitanteils von 60 % an der Gesamtarbeitszeit bewertungsrelevant ist.

Die Begründung der tariflichen Anforderungen der Entgeltgruppe 10 (besonders schwierigen Fachaufgaben) kann dann nicht mehr auf die herkömmlichen Aufgaben einer Bibliotheksleitung gestützt werden; diese sind schon zur Begründung der Entgeltgruppe 9 "verbraucht".

3. Tätigkeitsmerkmal der Heraushebung

Erforderlich ist, dass zunächst die tariflichen Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe erfüllt sind. Die Prüfung hat daher zunächst mit der Eingangsentgeltgruppe zu beginnen, d.h. der Entgeltgruppe 1, 4, 9 oder 13. Diese bildet dann den Maßstab für die Prüfung, ob sich die zu bewertenden Anforderungen an die auszuübende Tätigkeit durch Erfüllung der jeweiligen Tätigkeitsmerkmale aus diesen Anforderungen herausheben. Dies erfordert die Darlegung von Tatsachen, die einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten ermöglichen, d.h. der Stelleninhaber muss auch einen Sachvortrag zur Begründung der Ausgangsentgeltgruppe vortragen bzw. mit dieser beginnen (u.a. BAG 19.05.2010 - 4 AZR 912/08).

Gefordert wird daher eine Steigerung, die zu prüfenden Tätigkeitsmerkmale dürfen nicht abstrakt beurteilt werden. Dies wird in der Praxis, insbesondere von den Stelleninhabern selbst, bei der Stellung von Höhergruppierungsanträgen bzw. Eingruppierungsfeststellungsklagen immer wieder verkannt.

Dabei dürfen die Merkmale, die zur Heraushebungsqualifizierung der niedrigeren Entgeltgruppe heranangezogen wurden, nicht noch einmal zur weiteren Heraushebung herangezogen werden (BAG 12.05.2004 - 4 AZR 371/03). Es muss erkennbar sein, welche Tatsachen für welche Voraussetzungen welcher Tätigkeitsmerkmale verwendet werden sollen und daher "verbraucht" sind. Hierin liegt in der Praxis die Schwierigkeit der juristisch korrekten Begründung von herausgehobenen Tätigkeitsmerkmalen.

Die Rechtsprechung fordert, dass der Anspruchsteller Tatsachen darlegt, aus denen ein wertender Vergleich zwischen den herausgehobenen Tätigkeiten und den nicht herausgehobenen Tätigkeiten der niedrigeren Entgeltgruppe möglich ist (so u.a. BAG 20.02.2002 - 4 AZR 6/01, BAG 08.09.1999 - 4 AZR 609/98).

Beispiel:

Der gebotene Vergleich erfordert z.B., die Tätigkeit von Angestellten der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 1 darzulegen, also insbesondere, durch welche "besonders verantwortungsvolle Tätigkeit" sich die Tätigkeit aus der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2 heraushebt, die ihrerseits bereits "gründliche, umfassende Fachkenntnisse" und "selbständige Leistungen" erfordert. Weiter muss der Arbeitnehmer dann vortragen, welche darüber hinausgehende "besondere Schwierigkeit und Bedeutung" seine Tätigkeit beinhaltet (BAG 19.05.2010 - 4 AZR 912/08).

Beispiel:

Die Anforderungen an die Tätigkeit der Leitung "Personal und Organisation" in den zu bewertenden Arbeitsvorgängen heben sich nicht durch die "besondere Schwierigkeit" aus den Anforderungen der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 1 heraus. Die zur Erfüllung der Aufgaben benötigten Fachkenntnisse übersteigen weder in der Breite noch in der Tiefe die Anforderungen der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2:

Die Aufgaben der Leitung "Personal und Organisation" sind auf die Bereiche Personalmanagement, Veranstaltungsmarketing und -organisation sowie die abgegrenzten Aufgaben im Rahmen der Unterstützung der kaufmännischen Geschäftsführung begrenzt. Sämtliche geforderten Tätigkeiten entsprechen den in der Ausbildung zum Bachelor / Diplom Betriebswirt (FH) vermittelten Kenntnissen und heben sich nicht durch darüber hinausgehende Anforderungen an die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten des Stelleninhabers heraus. Auch das Erfordernis besonderer Erfahrungen ist nicht ersichtlich. Das vom Stelleninhaber verlangte Wissen und Können übersteigt daher insbesondere in der Tiefe nicht die bereits auf hohem Niveau befindlichen Anforderungen der Entgeltgruppe 9 Fallgruppe 2 in gewichtiger Weise.

4. Darlegung in der Eingruppierungsfeststellungsklage

Sofern der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage nicht auch die Erfüllung der tariflichen Anforderungen der niedrigeren Entgeltgruppe darlegt, aus der sich die Tätigkeit des Klägers herausheben soll, ist die Klage unbegründet (BAG 23.02.2005 - 4 AZR 191/04).

 Siehe auch 

Arbeitsvorgang

Richter/Gamisch: Eingruppierung im kirchlichen Dienst; Loseblattwerk

Richter/Gamisch: Am Anfang steht der "Arbeitsvorgang" - Systematisierung und aktuelle Rechtsprechung; Recht im Amt - RiA 2008, 145