Beschl. v. 31.03.2011, Az.: BVerwG 9 VR 2.11
Fundstellen:
BayVBl 2012, 93-94
DVBl 2011, 4
LKV 2011, 3
NVwZ 2011, 6 (Pressemitteilung)
NVwZ 2011, 7
NVwZ 2011, 820-821
SächsVBl 2011, 166-167
SächsVBl 2011, 2
SächsVBl 2011, 232
UPR 2011, 320
VR 2011, 215
BVerwG, 31.03.2011 - BVerwG 9 VR 2.11
Amtlicher Leitsatz:
Abweichend vom gesetzlichen Regelfall des § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG fehlt es an einem aktuellen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, wenn bei Erlass dieses Beschlusses bereits absehbar war und der Öffentlichkeit als politische Beschlusslage vermittelt wurde, dass mit einem baulichen Vollzug des festgestellten Plans erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt (hier: frühestens in 1 1/4 Jahren) zu rechnen ist.
In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 29. Dezember 2010 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 82 500 € festgesetzt.
Gründe
I
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 29. Dezember 2010 für den Neubau der Bundesautobahn A 100 zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Anschlussstelle Am Treptower Park in den Bezirken Neukölln und Treptow-Köpenick von Berlin. Sie bestreiten die Planrechtfertigung für das Vorhaben und machen darüber hinaus geltend, die Planfeststellung beruhe wegen Mängeln der Verkehrsprognose auf einer fehlerhaften Abwägung.
II
Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen, ist begründet. Das Interesse der Antragsteller am Unterbleiben von Vollzugsmaßnahmen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens überwiegt das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses. Im vorliegenden Fall ist - abweichend vom gesetzlichen Regelfall des § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG - nicht erkennbar, dass trotz des Interesses der Antragsteller an einer Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zu der im Hauptsacheverfahren vorzunehmenden Prüfung der von ihnen erhobenen rechtlichen Einwände gegen das Vorhaben ein aktuelles öffentliches Interesse an der sofortigen Umsetzung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses besteht. Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung selbst eingeräumt, dass der Beginn des baulichen Vollzugs nicht vor März 2012 vorgesehen ist. Angesichts dieses schon bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im Dezember 2010 absehbaren und der Öffentlichkeit durch die von den Antragstellern in Bezug genommenen Presseberichte - vom Antragsgegner unbestritten - als politische Beschlusslage in Berlin vermittelten Zeitraums von etwa 1 1/4 Jahren bis zum Vollzugsbeginn hätte es nahegelegen, die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO bereits von Amts wegen behördlich auszusetzen, um so die für die Antragsteller zur Vermeidung etwaiger Rechtsnachteile unausweichliche, weil fristgebundene Einleitung eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entbehrlich zu machen (vgl. hierzu Beschlüsse vom 17. September 2001 - BVerwG 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2, vom 7. Juli 2010 - BVerwG 9 VR 1.10 - [...] Rn. 2 und vom 22. September 2010 - BVerwG 9 VR 2.10 - [...] Rn. 3). Gründe, aus denen der Antragsgegner bereits jetzt darauf angewiesen wäre, von der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses Gebrauch zu machen, sind weder schlüssig dargelegt noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist der Antragsgegner durch die aufschiebende Wirkung der Klage nicht an verwaltungsinternen Maßnahmen zur Vorbereitung des Planvollzugs gehindert, namentlich kann er - auf eigenes Risiko - die Ausführungsplanung und die Ausschreibung von Bauleistungen vorantreiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dr. Storost
Domgörgen
Buchberger
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