Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 30.07.2010, Az.: BVerwG 6 P 11.09
Teilnahmerecht der Stufenvertretung an einer Personalversammlung bei Entsendung eines Vertreters durch den Gesamtpersonalrat
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.07.2010
Referenz: JurionRS 2010, 21540
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 11.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Berlin - 13.05.2009 - AZ: VG 70 A 2.09

Fundstellen:

DÖV 2010, 1028

NZA-RR 2010, 613-616

VR 2010, 394

ZfPR 2011, 15 (amtl. Leitsatz)

ZfPR online 2010, 4-7 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

BVerwG, 30.07.2010 - BVerwG 6 P 11.09

Amtlicher Leitsatz:

Das Teilnahmerecht der Stufenvertretung in der Personalversammlung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gesamtpersonalrat einen Vertreter entsendet.

In der Personalvertretungssache
...
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier und Dr. Möller
beschlossen:

Tenor:

Die Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, Fachkammer für Personalvertretungssachen Bund, vom 13. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Mit Schreiben vom 24. April 2008 wies der Beteiligte zu 1 den bei ihm gebildeten Hauptpersonalrat, den Antragsteller, darauf hin, dass nur entweder ein beauftragtes Mitglied der Stufenvertretung oder ein solches des Gesamtpersonalrates an den Personalversammlungen in den verselbständigten Dienststellen und an den Teilversammlungen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Bund teilnehmen könne. Er regte an, sich künftig jeweils mit dem Gesamtpersonalrat, dem Beteiligten zu 2, abzustimmen. Im Schreiben vom 15. Dezember 2008 bekräftigte der Antragsteller seine Auffassung, dass nur ein Vertreter des Hauptpersonalrates über in seinen Zuständigkeitsbereich fallende Schwerpunktthemen aktuell in einer Personalversammlung informieren könne. Der Beteiligte zu 1 hielt jedoch im Schreiben vom 18. Dezember 2008 an seiner entgegenstehenden Rechtsauffassung fest.

2

Das Verwaltungsgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Antragsteller berechtigt ist, einen Beauftragten zu Personalversammlungen der personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststellen des Beteiligten zu 1 sowie zu den Teilversammlungen auch dann zu entsenden, wenn der Beteiligte zu 2 beschlossen hat, einen Beauftragten zu entsenden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach der hier einschlägigen Regelung in § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG könne ein beauftragtes Mitglied der Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrates an Personalversammlungen teilnehmen. Der Wortlaut der Vorschrift lasse es zu, dass neben einem Beauftragten des Gesamtpersonalrates auch ein Beauftragter der Stufenvertretung an Personalversammlungen teilnehme. Das Bindewort "oder" sei nicht in dem Sinne eindeutig, dass die gleichzeitige Entsendung ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber sei bei seiner Formulierung von der typischen Gestaltung in der Bundesverwaltung ausgegangen. Bei dieser sei es eher die Ausnahme, dass bei einem mehrstufigen Aufbau Dienststellenteile so weit voneinander entfernt seien, dass sie sich verselbständigen könnten. Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung geböten es, neben einem Beauftragten des Gesamtpersonalrates auch einem solchen der Stufenvertretung das Recht einzuräumen, an Personalversammlungen teilzunehmen. Das Teilnahmerecht beruhe auf der Erwägung, dass es einem Beauftragten der jeweils zuständigen Personalvertretungen ermöglicht werden solle, in Personalversammlungen Stellung zu nehmen, wenn die Beschäftigten ihre in § 51 BPersVG beschriebenen Befugnisse wahrnähmen. Danach könnten die Beschäftigten dem zuständigen Personalrat Anträge unterbreiten und zu seinen Beschlüssen Stellung nehmen. Weiter dürften alle Angelegenheiten behandelt werden, die die Dienststelle oder ihre Beschäftigten beträfen. In Dienststellen, die sowohl eine Stufenvertretung als auch einen Gesamtpersonalrat hätten, könne zu Anliegen der Beschäftigten nur dann kompetent Stellung genommen werden, wenn Beauftragte beider Gremien anwesend sein könnten.

3

Der Beteiligte zu 1 trägt zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde vor: Bereits der eindeutige Wortlaut der Regelung in § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG stehe dem streitigen Begehren entgegen. Danach könne ein beauftragtes Mitglied der Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrates sowie ein Beauftragter der Dienststelle, bei der die Stufenvertretung bestehe, an der Personalversammlung teilnehmen. Mit dieser Formulierung stelle der Gesetzgeber klar, dass nur ein beauftragtes Mitglied entweder der Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrates an der Personalversammlung teilnehmen könne. Ein Beauftragter der Dienststelle, bei der die Stufenvertretung bestehe, könne in jedem Falle teilnehmen, da der Gesetzgeber hier nicht das Wort "oder", sondern "sowie" verwende. Der Gesetzgeber habe hier zwischen einer alternativen und einer kumulativen Teilnahme unterscheiden wollen. Abgesehen davon sei nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung das Teilnahmerecht des Antragstellers hier ausgeschlossen. Entscheidend sei, welches Gremium mit den personellen und sozialen Belangen der Dienststelle befasst sei und bei Unzuständigkeit des Leiters der Dienststelle, in der die Personalversammlung abgehalten werde, an die Stelle des dort gebildeten Personalrates trete. Im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Bund sei der Gesamtpersonalrat im Ergebnis zuständig für Angelegenheiten der (verselbständigten) Dienststellen der zentralen Dienststelle als übergeordneter Dienststelle. Der Hauptpersonalrat sei hingegen lediglich zu beteiligen, wenn eine nachgeordnete Dienststelle, das heißt im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Bund eines der Reha-Zentren, von der Maßnahme betroffen sei. Der Hauptpersonalrat trete daher nur bezüglich dieser Dienststellen an die Stelle des Personalrates. Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei daher zu gewährleisten, dass in den Fällen, in denen die verselbständigten Dienststellen nicht zur Entscheidung befugt seien, der Gesamtpersonalrat und in den Fällen, in denen die nachgeordneten Dienststellen nicht zur Entscheidung befugt seien, der Hauptpersonalrat an den Personalversammlungen teilnehmen könne. Da es im vorliegenden Fall ausschließlich um Personalversammlungen im Bereich der zentralen Dienststelle gehe, sei allein der Beteiligte zu 2 zuständige Personalvertretung.

4

Der Beteiligte zu 1 beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

5

Der Antragsteller sowie der Beteiligte zu 2 beantragen,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

6

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss.

II

7

Die zulässige Sprungrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 ist nicht begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1, § 96a Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Der Antragsteller ist berechtigt, einen Beauftragten zu Personalversammlungen der personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststellen sowie zu Teilversammlungen im Bereich der Deutschen Rentenversicherung Bund auch dann zu entsenden, wenn der Beteiligte zu 2 beschlossen hat, einen Beauftragten zu entsenden.

8

Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG. Danach können ein beauftragtes Mitglied der Stufenvertretung oder des Gesamtpersonalrates sowie ein Beauftragter der Dienststelle, bei der die Stufenvertretung besteht, an Personalversammlungen teilnehmen.

9

1.

Dem streitigen Begehren steht nicht bereits der Wortlaut der vorbezeichneten Vorschrift entgegen.

10

a)

Zwar erscheint wegen der Verwendung des Wortes "oder" ein Verständnis naheliegend, wonach nur entweder die zuständige Stufenvertretung oder der Gesamtpersonalrat ein Mitglied in die Personalversammlung entsenden kann (so Lorenzen, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 52 Rn. 15; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 52 Rn. 14). Zweifel daran sind aber schon deswegen angebracht, weil das Gesetz keine Regelung für den Fall vorsieht, dass sowohl die Stufenvertretung als auch der Gesamtpersonalrat einen Vertreter zu entsenden beabsichtigen (vgl. Weber, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 52 Rn. 21; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 52 Rn. 7). Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der Vorschrift von der idealtypischen Vorstellung ausgegangen ist, wonach der Dienststelle nur entweder eine Stufenvertretung oder ein Gesamtpersonalrat zugeordnet ist. Das ist der Fall, wenn in einer mehrstufigen Verwaltung keine nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigten Dienststellen existieren bzw. wenn in einer einstufigen Verwaltung ein Gesamtdienststellenorganismus aus Hauptdienststelle und Nebenstellen besteht (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 10. Juni 1994 - 1 A 941/91 PVB - PersR 1996, 27 <28>). Die Verwendung des Wortes "oder" spiegelt in diesen Fällen lediglich die alternativen Organisationsstrukturen wider.

11

b)

Der Hinweis des Beteiligten zu 1 auf das Teilnahmerecht eines Beauftragten der Dienststelle, bei der die Stufenvertretung besteht, führt nicht weiter. Mit der Verwendung des Wortes "sowie" wollte der Gesetzgeber sprachlich der Symmetrie Ausdruck verleihen, die im Verhältnis zwischen dem Leiter der übergeordneten Dienststelle und der dort gebildeten Stufenvertretung in Bezug auf das Teilnahmerecht in der Personalversammlung bestehen soll. Eine zwingende Aussage zum Teilnahmerecht im Verhältnis zwischen Stufenvertretung und Gesamtpersonalrat folgt daraus nicht.

12

2.

Die Rechtssystematik enthält Hinweise darauf, dass die Teilnahmerechte der Stufenvertretung und des Gesamtpersonalrates nicht im Sinne eines strengen Entweder-Oder zu verstehen sind.

13

Im Bereich mehrstufiger Verwaltungen ist die Bildung von Stufenvertretungen zwingend (§ 53 Abs. 1 BPersVG). Dagegen ist die Bildung eines Gesamtpersonalrates in dem Sinne fakultativ, als die Verselbständigung von Nebenstellen und Dienststellenteilen, die von der Hauptdienststelle weit entfernt sind, von der Willensbildung der betroffenen Beschäftigten abhängt (§ 6 Abs. 3 BPersVG). Dem entsprechend nimmt sich der Gesetzgeber in Bezug auf Wahl, Amtszeit, Geschäftsführung, Rechtsstellung und Beteiligungsrechten primär der Stufenvertretungen an (§§ 53, 54, 82 Abs. 1 und 2 BPersVG), während er hinsichtlich der Gesamtpersonalräte weitgehend auf die Regelungen für die Stufenvertretungen verweist (§§ 56, 82 Abs. 3 BPersVG). Dabei behandelt er beide Personalvertretungen als eigenständige, in ihrer Tätigkeit voneinander getrennte Gremien. Deren Aufeinandertreffen nimmt er nicht in den Blick, sondern überlässt damit zusammenhängende Fragen der Rechtsanwendung. So ist z.B. in der personalvertretungsrechtlichen Praxis zu klären, welchem Personalrat die Stufenvertretung nach § 82 Abs. 2 Satz 1 BPersVG Gelegenheit zur Äußerung zu geben hat, wenn die nachgeordnete Dienststelle aus Hauptdienststelle und verselbständigten Nebenstellen und Dienststellenteilen besteht (vgl. dazu Beschluss vom 15. Juli 2004 - BVerwG 6 P 1.04 - Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 18 S. 14 f.). Aus alledem ergeben sich bereits systematische Hinweise darauf, dass der Gesamtpersonalrat ein Gremium ist, welches die Stufenvertretung nicht verdrängt, sondern ergänzt.

14

3.

Die Entstehungsgeschichte der Regelungen in § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG bestätigt diesen Eindruck. Die Bestimmung geht zurück auf einen Vorschlag des Innenausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks 7/1339 S. 22). Im Bericht des Innenausschusses vom 6. Dezember 1973 heißt es: "Nach einem Antrag der SPD/FDP kann zukünftig ein Mitglied der Stufenvertretung sowie ein Beauftragter der entsprechenden Dienststelle an Versammlungen teilnehmen" (BTDrucks 7/1373 S. 5 zu § 51). Nur die Stufenvertretung, nicht aber der Gesamtpersonalrat wird hier erwähnt. Daraus lässt sich ablesen, dass der Gesetzgeber gerade das Teilnahmerecht der Stufenvertretung in der Personalversammlung sichergestellt wissen wollte. Die Anfügung der Worte "oder des Gesamtpersonalrates" hat vor diesem Hintergrund eine vervollständigende, nicht aber eine die Teilnahme der Stufenvertretung ausschließende Bedeutung.

15

4.

Weitergehende rechtssystematische und teleologische Überlegungen gebieten es, das Teilnahmerecht der Stufenvertretung in der Personalversammlung nicht in den Fällen auszuschließen, in denen ein Vertreter des Gesamtpersonalrates teilnimmt (vgl. OVG Münster a.a.O. S. 28; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V, K § 52 Rn. 13a; Altvater u.a., a.a.O. § 52 Rn. 7; Weber, a.a.O. § 52 Rn. 21).

16

a)

Das Teilnahmerecht der Stufenvertretung ist ebenso wie dasjenige des Gesamtpersonalrates in Beziehung zu setzen zu den Aufgaben der Personalversammlung (vgl. Beschluss vom 18. März 1981 - BVerwG 6 P 85.78 - Buchholz 238.3 A § 52 BPersVG Nr. 1 S. 3). Die Personalversammlung kann dem Personalrat Anträge unterbreiten und zu seinen Beschlüssen Stellung nehmen (§ 51 Satz 1 BPersVG). Sie darf alle Angelegenheiten behandeln, die die Dienststelle oder ihre Beschäftigten unmittelbar betreffen (§ 51 Satz 2 BPersVG). Sie darf sich danach mit allen Aufgaben befassen, die in den Zuständigkeitsbereich des Personalrates fallen, also vor allem auch mit Fragen im Zusammenhang mit dessen Beteiligungsrechten. Sie ist befugt, beteiligungspflichtige Angelegenheiten zu erörtern und zu entsprechenden Aktivitäten des Personalrates Stellung zu nehmen. Sie ist ein Organ der Personalvertretung mit dem Charakter eines dienststelleninternen Ausspracheforums (vgl. Beschluss vom 12. Dezember 2005 - BVerwG 6 P 7.05 - [...] Rn. 16 und 18, insoweit bei Buchholz 251.7 § 45 NWPersVG Nr. 1 nicht abgedruckt).

17

b)

Das Teilnahmerecht der Stufenvertretung in der Personalversammlung bezweckt somit, dass den Beschäftigten ein kompetenter Gesprächspartner für diejenigen Angelegenheiten zur Verfügung steht, in welchen der Stufenvertretung spezielle Aufgaben und Befugnisse erwachsen. Dabei sind - entsprechend der Doppelfunktion der Stufenvertretung - deren Kompetenzen sowohl im Stufenverfahren nach § 69 Abs. 3 BPersVG als auch im Bereich ihrer originären Zuständigkeit nach § 82 Abs. 1 BPersVG in den Blick zu nehmen (vgl. Beschlüsse vom 18. März 1981 a.a.O. S. 3 f. und vom 21. Mai 2007 - BVerwG 6 P 5.06 - Buchholz 251.5 § 42 HePersVG Nr. 1 Rn. 27).

18

aa)

Die Stufenvertretung wird im Stufenverfahren zuständig, wenn im Mitbestimmungsverfahren zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem Personalrat keine Einigung erzielt wird und die Sache sodann zur übergeordneten Dienststelle gelangt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 BPersVG). Befindet sich das Mitbestimmungsverfahren im Zeitpunkt der Personalversammlung in diesem Stadium oder hat es dort seine Erledigung gefunden, so ist ein Mitglied der Stufenvertretung in besonderer Weise geeignet, den betroffenen oder interessierten Beschäftigten der Dienststelle den Stand oder den Ausgang des Verfahrens authentisch zu erläutern. Ein Mitglied des Gesamtpersonalrates ist dazu nicht in der gleichen Weise in der Lage, weil dem Gesamtpersonalrat ebenso wenig wie den örtlichen Personalräten in Hauptdienststelle und Nebenstellen im Stufenverfahren Kompetenzen zustehen.

19

bb)

Die originäre Zuständigkeit der Stufenvertretung nach § 82 Abs. 1 BPersVG ist gegeben, wenn der Leiter der übergeordneten Dienststelle eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt, welche die Beschäftigten nachgeordneter Dienststellen oder des gesamten Geschäftsbereichs betrifft (vgl. Beschlüsse vom 13. September 2002 - BVerwG 6 P 4.02 - Buchholz 250 § 82 BPersVG Nr. 17 S. 8 f. und vom 15. Juli 2004 a.a.O. S. 15). Eine Zuständigkeit des Gesamtpersonalrates ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Als kompetenter Gesprächspartner kommt in dieser Hinsicht für die Beschäftigten in der Personalversammlung der Dienststelle ausschließlich ein Mitglied der Stufenvertretung in Betracht.

20

c)

Das Teilnahmerecht des Gesamtpersonalrates in der Personalversammlung dient denselben Zwecken wie dasjenige der Stufenvertretung. Allerdings gilt die Einschränkung, dass der Gesamtpersonalrat keinerlei Kompetenzen im Stufenverfahren bei der übergeordneten Dienststelle hat (vgl. Beschluss vom 15. August 1983 - BVerwG 6 P 18.81 - BVerwGE 67, 353 <357> = Buchholz 238.36 § 83 NdsPersVG Nr. 1 S. 4; Altvater u.a., a.a.O. § 69 Rn. 36; Rehak, in: Lorenzen u.a., a.a.O. § 82 Rn. 35; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 82 Rn. 19; Ilbertz/Widmaier, a.a.O. § 69 Rn. 24, § 82 Rn. 23a ff.; Schwarze, in: Richardi u.a., a.a.O. § 82 Rn. 47). Dagegen ist er zur Beteiligung berufen, wenn der Leiter der Hauptdienststelle eine Maßnahme beabsichtigt, welche Beschäftigte der verselbständigten Dienststellen oder alle Beschäftigten der Gesamtdienststelle betrifft (vgl. Urteil vom 20. August 2003 - BVerwG 6 C 5.03 - Buchholz 251.8 § 56 RhPPersVG Nr. 1 S. 3 sowie Beschluss vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 36). In diesen Angelegenheiten ist ein Mitglied des Gesamtpersonalrates der geeignete Gesprächspartner für die Beschäftigten in der Personalversammlung der verselbständigten Dienststellen.

21

d)

Aus den vorstehenden Überlegungen folgt, dass das Teilnahmerecht der Stufenvertretung in der Personalversammlung unabhängig davon besteht, ob der Gesamtpersonalrat einen Vertreter entsendet. Die originäre Zuständigkeit der Stufenvertretung und die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrates in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten weisen wegen der beschriebenen, voneinander verschiedenen Anknüpfungspunkte keinerlei Überschneidungen auf. Freilich kann sich, wenn es in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zwischen dem Leiter der Dienststelle und dem zur Beteiligung berufenen Gesamtpersonalrat zu keiner Einigung kommt, ein Stufenverfahren bei der übergeordneten Dienststelle anschließen. Diese Fallgestaltung ist aber nicht anders zu beurteilen als die "gewöhnlichen" Fälle, in denen die fehlende Einigung zwischen Dienststellenleiter und örtlichem Personalrat zum Stufenverfahren führt und für welche das Teilnahmerecht der Stufenvertretung wegen des bereits erwähnten Gesichtspunktes der authentischen Erläuterung sachlich gerechtfertigt ist.

22

5.

Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 29 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VI). Sie hat einen zweistufigen Verwaltungsaufbau. Die obere Stufe bildet die zentrale Dienststelle. Diese hat ihren Hauptsitz in Berlin und verfügt über weitere Standorte, die sich teilweise nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigt haben. Diese verselbständigten Dienststellen gehören zur zentralen Dienststelle als übergeordneter Dienststelle. Der zentralen Dienststelle nachgeordnet sind die über das gesamte Bundesgebiet verteilten Reha-Zentren als selbständige Dienststellen nach § 6 Abs. 1 BPersVG, welche die untere Verwaltungsstufe der Deutschen Rentenversicherung Bund bilden (vgl. die Antragserwiderung des Beteiligten zu 1 vom 2. April 2009 S. 3, die Rechtsbeschwerdebegründung des Beteiligten zu 1 vom 13. Oktober 2009 S. 7 sowie die Rechtsbeschwerdeerwiderung des Beteiligten zu 2 vom 26. Februar 2010 S. 2). Daraus folgt für die Beteiligungsrechte des Hauptpersonalrates bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, des Antragstellers, und sein Teilnahmerecht aus § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG in Personalversammlungen der verselbständigten Dienststellen und in den Teilversammlungen:

23

a)

Der Antragsteller ist im Stufenverfahren zuständig, wenn es in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit zwischen dem Leiter eines Reha-Zentrums und dem dortigen Personalrat nicht zu einer Einigung kommt (§ 69 Abs. 3 Satz 1, § 88 Nr. 3 BPersVG). Diese Fallgestaltung ist hier nicht relevant, weil es vorliegend nur um die Teilnahme an Personalversammlungen im Bereich der zentralen Dienststelle geht.

24

b)

Trifft der zuständige Dienststellenleiter der Deutschen Rentenversicherung Bund - Direktorium oder Vorstand (§ 31 Abs. 1, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 SGB IV) - oder der Leiter einer verselbständigten Außenstelle eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme, so ergeben sich daraus für den Antragsteller im Stufenverfahren keinerlei Kompetenzen. Denn Hauptdienststelle und verselbständigte Nebenstellen bzw. Dienststellenteile bilden zusammen die übergeordnete Dienststelle der obersten Verwaltungsstufe. Der Nichteinigungsfall führt daher gemäß § 69 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1, § 88 Nr. 2 und 3 BPersVG sofort zur Einigungsstelle (vgl. Altvater u.a., a.a.O. § 88 Rn. 55; Schlatmann, in: Lorenzen u.a., a.a.O. § 88 Rn. 52; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 88 Rn. 14).

25

c)

Der Antragsteller ist zur Mitbestimmung berufen, wenn der Beteiligte zu 1 oder der Vorstand Maßnahmen zu treffen beabsichtigen, welche die Beschäftigten der Reha-Zentren oder alle Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund betreffen. Die erste Variante interessiert im vorliegenden Fall nicht, weil es hier nicht um den nachgeordneten Bereich geht. Anders liegt es bei der zweiten Variante. Von diesen Maßnahmen sind auch die Beschäftigten in den Personalversammlungen der verselbständigten Dienststellen sowie in den Teilversammlungen der zentralen Dienststelle - etwa in solchen nicht verselbständigter Standorte (vgl. § 48 Abs. 2 BPersVG) - betroffen. In solchen Angelegenheiten ist allein ein Mitglied des Antragstellers befähigt, den Beschäftigten Rede und Antwort zu stehen. Ein Mitglied des Gesamtpersonalrates kommt dafür nicht Betracht; dieser ist mit solchen Angelegenheiten, die den gesamten Geschäftsbereich betreffen, noch nicht einmal im Wege der Anhörung befasst (§ 82 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Steht ein Bericht über den Stand oder den Abschluss des Beteiligungsverfahrens in einer solchen Angelegenheit an, so ist es geradezu sachwidrig, dem Antragsteller die Teilnahme an der Personalversammlung nur deswegen zu verwehren, weil zugleich ein Mitglied des Gesamtpersonalrates, des Beteiligten zu 2, wegen anderer Themenbereiche an der Versammlung teilnimmt. Das gilt nicht nur für die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten, sondern auch für die sonstigen Aufgaben und Befugnisse - etwa im Bereich der allgemeinen Aufgaben und der Mitwirkung (§ 68 Abs. 1, § 72 Abs. 1 BPersVG) -, die dem Antragsteller als Hauptpersonalrat nach den Grundsätzen des § 82 Abs. 1 BPersVG zukommen.

26

6.

Mit seiner vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinem bereits zitierten Beschluss vom 18. März 1981 (a.a.O.). Im damals entschiedenen Fall ging es nicht um die gleichzeitige Teilnahme einer Stufenvertretung und des Gesamtpersonalrates, sondern um die gleichzeitige Teilnahme beider Stufenvertretungen in der Personalversammlung. Der Senat hat seinerzeit für den Hauptpersonalrat in Bezug auf die fragliche Dienststelle Kompetenzen weder im Stufenverfahren noch im Bereich der originären Zuständigkeit gesehen (a.a.O. S. 4).

27

7.

Das Teilnahmerecht nach § 52 Abs. 1 Satz 3 BPersVG bedeutet keine Teilnahmepflicht. Ob der Antragsteller von seinem Teilnahmerecht Gebrauch macht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Gegen eine Teilnahme werden auch mit Blick auf eine etwaige Erstattung von Reisekosten nach § 44 Abs. 1 Satz 2 BPersVG keine Bedenken bestehen, wenn in der Versammlung mit der Erörterung von Themen zu rechnen ist, in welchem dem Antragsteller in seiner Eigenschaft als Hauptpersonalrat spezielle Aufgaben und Befugnisse zustehen (vgl. dazu Ibertz/Widmaier, a.a.O. § 52 Rn. 14; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 52 Rn. 14). Dies bedarf hier keiner Vertiefung. Denn im vorliegenden Fall ist Streitgegenstand allein die abstrakte Frage, ob das Teilnahmerecht des Antragstellers entfällt, wenn der Gesamtpersonalrat, der Beteiligte zu 2, an der Versammlung teilnimmt. Diese Frage ist aus den genannten Gründen zu verneinen.

Neumann
Büge
Vormeier
Bier
Möller

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.