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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 30.04.2013, Az.: BVerwG 2 B 10.12
Umfang der Verpflichtung der Dienststellenleitung zur Erteilung von Informationen und der etwaigen Zurverfügungstellung von Unterlagen im Rahmen der vorzeitigen Versetzung eines Beamten in den Ruhestand
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 30.04.2013
Referenz: JurionRS 2013, 38645
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 10.12
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Baden-Württemberg - 08.11.2011 - AZ: VGH 4 S 193/10

BVerwG, 30.04.2013 - BVerwG 2 B 10.12

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten, die einen einzelnen Beschäftigten betreffen, genügt es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst informiert wird.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. April 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. November 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 42 362 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der 1945 geborene Kläger ist Steueramtmann (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) und war zuletzt beim Finanzamt A als Großbetriebsprüfer beschäftigt. Seit Februar 2005 verrichtete er keinen Dienst mehr. Ein amtsärztliches Gutachten vom Februar 2006 kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger dienstunfähig sei. Im März 2006 informierte die Oberfinanzdirektion den Kläger über ihre Absicht, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Der Kläger erhob hiergegen Einwendungen und beantragte die Beteiligung des Personalrats. Im Juli 2006 bat die Oberfinanzdirektion den Bezirkspersonalrat um Mitwirkung bei der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand. Der Bezirkspersonalrat erteilte im selben Monat seine Zustimmung. Im August 2006 versetzte die Oberfinanzdirektion den Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit zum Monatsende vorzeitig in den Ruhestand. Der Widerspruch des Klägers ist erfolglos geblieben; auf die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die Beteiligung der Personalvertretung ordnungsgemäß gewesen sei. Bei der Mitwirkung in Personalangelegenheiten genüge es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst, d.h. über die davon betroffene Person sowie über Art und Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme, informiert werde und die hierfür erforderlichen Unterlagen vorgelegt bekomme. Dies sei hier geschehen. Auch in materieller Hinsicht sei die vorzeitige Versetzung des Klägers in den Ruhestand nicht zu beanstanden. Auf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens sei der Kläger als dienstunfähig anzusehen. Eine anderweitige Verwendung oder eine begrenzte Dienstfähigkeit komme danach nicht in Betracht.

4

2. Der geltend gemachte Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 -BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 = NVwZ 2011, 507 [BVerwG 02.02.2011 - BVerwG 6 B 37.10]; stRspr).

6

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der Beschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des Berufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der Beschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 6. Januar 2012 - BVerwG 2 B 113.11 - DÖD 2012, 104).

7

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Zwar ist die Auslegung landesrechtlicher Normen des Personalvertretungsrechts revisibel, wenn sie einen beamtenrechtlichen Inhalt haben und deshalb materiell dem Beamtenrecht zuzuordnen sind, was insbesondere in Betracht kommen kann, wenn geregelt wird, ob und in welcher Weise der Personalrat an beamtenrechtlichen Maßnahmen zu beteiligen ist (BVerwG, Beschluss vom 28. August 1986 - BVerwG 2 C 67.85 - Buchholz 237.5 § 42 HeLBG Nr. 5 S. 8 m.w.N.). Die Ausführungen der Beschwerde sind aber sämtlich einzelfallbezogen und rügen die vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Auch wenn man die formulierte Frage, "ob die angegriffene Maßnahme des Beschwerdegegners deshalb rechtswidrig und damit anfechtbar ist, weil dieser nicht alle Informationen beziehungsweise Unterlagen an den Bezirkspersonalrat weitergereicht hatte, die er bedeutsam für die Prüfung der Frage halten durfte, ob ein Versagungsgrund durch den Bezirkspersonalrat vorliegen könnte" zugunsten des Klägers dahin auslegt, dass die Klärung der grundsätzlichen Frage begehrt wird, ob die Dienststellenleitung bei der Mitwirkung des Personalrats in personellen Angelegenheiten alle aus ihrer Sicht für den Personalrat möglicherweise bedeutsamen Informationen erteilen und Unterlagen zur Verfügung stellen muss, führt dies nicht zur Zulassung der Revision.

8

Die Frage des Umfangs der Verpflichtung der Dienststellenleitung zur Erteilung von Informationen und der etwaigen Zurverfügungstellung von Unterlagen ist durch die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt: Der Umfang der Unterrichtung des Personalrats richtet sich im Einzelfall jeweils danach, für welche Maßnahme die Zustimmung beantragt wird. Bei der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten, die einen einzelnen Beschäftigten betreffen, genügt es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst, d.h. über die davon betroffene Person sowie über Art und Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme, informiert wird (Beschluss vom 10. August 1987 - BVerwG 6 P 22.84 -BVerwGE 78, 65 <69> = Buchholz 251.0 § 69 BaWüPersVG Nr. 1). Die Unterrichtung muss konkret genug sein sowie Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen Anforderungen nicht und führt zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn der Personalrat in kurzer und knapper Form zutreffend über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wird (Urteil vom 12. Oktober 1989 - BVerwG 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362> = Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 49; Beschluss vom 19. August 2004 - BVerwG 2 B 54.04 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 62).

9

3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Zugrundelegung eines falschen oder unvollständigen Sachverhalts liegt ebenfalls nicht vor.

10

§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist verletzt, wenn das Gericht bei seiner rechtlichen Würdigung von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Dies ist z.B. gegeben, wenn es wesentliche Bekundungen eines Beteiligten nicht berücksichtigt oder ihm Erklärungen unterstellt, die er nicht abgegeben hat (Urteile vom 28. April 1983 - BVerwG 2 C 89.81 - Buchholz 237.6 § 39 NdsLBG Nr. 1 und vom 23. Januar 1984 - BVerwG 6 C 131.81 - [...] Rn. 10; Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - [...] m.w.N. und vom 21. März 2012 - 2 B 11.11 - [...]). Es fehlt an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, wenn es einzelne Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei seiner rechtlichen Würdigung außer Acht lässt, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen (Beschlüsse vom 15. Februar 2010 - BVerwG 2 B 126.09 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 232.0 § 96 BBG 2009 Nr. 1>, vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - [...] m.w.N. und vom 21. März 2012 - 2 B 11.11 - [...]). Ein solcher Verfahrensfehler ist hier nicht festzustellen.

11

Der Kläger rügt zum einen, der Verwaltungsgerichtshof habe fälschlich angenommen, die Amtsärztin habe in ihrem Gutachten vom Februar 2006 festgestellt, dass weder eine anderweitige Verwendung noch eine begrenzte Dienstfähigkeit beim Kläger in Betracht kämen; die Amtsärztin habe aber lediglich festgestellt, dass beim Kläger von einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht ausgegangen werden könne.

12

Zwar ist zutreffend, dass mit der bloßen Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit eine begrenzte Dienstunfähigkeit oder eine anderweitige Verwendbarkeit nicht verneint werden kann. Nach den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder (vgl. nur §§ 44 f. BBG §§ 53 f. BaWüLBG a.F.) ist vielmehr zu unterscheiden: Ist ein Beamter dienstunfähig, so muss bzw. soll geprüft werden, ob eine anderweitige Verwendung oder eine begrenzte Dienstfähigkeit in Betracht kommen. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 Rn. 14 m.w.N.; Beschluss vom 6. März 2012 - BVerwG 2 A 5.10 - RiA 2012, 165 f.).

13

Entgegen der Darstellung der Beschwerde erschöpft sich die Stellungnahme der Amtsärztin indes nicht in der Aussage, es könne "von der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht ausgegangen werden". Die Amtsärztin hat vielmehr in ihrem amtsärztlichen Zeugnis zur Untersuchung des Klägers im Februar 2006 auch die Fragen nach dessen begrenzter Dienstfähigkeit und einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit verneint (Bl. 117 der Personalakte des Klägers; Ziff. II Nr. 6 und 7). Dies übersieht die Beschwerde. Sie - und nicht das Berufungsurteil - geht von einem falschen Sachverhalt aus. Ob das amtsärztliche Gutachten eine ausreichende Grundlage für die Versetzung des Klägers in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit war, ist hier nicht zu klären.

14

Der Kläger rügt zum anderen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet habe, dass der Beklagte eine anderweitige Verwendung nach § 53 Abs. 3 BaWüLBG a.F. oder eine begrenzte Dienstfähigkeit nach § 53 a BaWüLBG a.F. nicht geprüft habe. Damit kann der Kläger schon deshalb nicht durchdringen, weil der Beklagte, nachdem beides im amtsärztlichen Zeugnis vom Februar 2006 verneint worden war, keinen Anlass mehr für eine solche Prüfung hatte. Im Übrigen macht der Kläger hier auch keinen Verfahrensmangel geltend, er rügt insbesondere nicht, dass das Gericht von einem falschen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Vielmehr greift er die Anwendung materiellen Rechts im Einzelfall an, nämlich die Verneinung einer anderweitigen Verwendbarkeit und einer begrenzten Dienstfähigkeit des Beamten durch den Dienstherrn als Voraussetzungen für die Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Damit ist ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht dargetan.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

Domgörgen

Thomsen

Dr. von der Weiden

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