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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.07.2009, Az.: BVerwG 7 B 11.09
Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision i.R.d. Bauordnungsrechts; Einhaltung der Abstandsflächen bei Errichtung und Betrieb eines zusätzlichen Getreidesilos
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.07.2009
Referenz: JurionRS 2009, 19320
Aktenzeichen: BVerwG 7 B 11.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG München - 05.12.2006 - AZ: M 1 K 06.2535

VGH Bayern - 15.12.2008 - AZ: 22 B 07.143

BVerwG, 29.07.2009 - BVerwG 7 B 11.09

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Juli 2009
durch
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, Neumann und Guttenberger
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung

der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des von Osten an die Ilm angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. 1194 (nunmehr Fl.Nr. 1469) der Gem. H. Dieses hat eine Größe von ca. 3 ha, wird von dem weiter östlich gelegenen landwirtschaftlichen Betrieb (u.a. Pensionspferdehaltung) genutzt und liegt unbebaut zum Großteil im förmlich festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Ilm.

2

Die Beigeladene betreibt auf unmittelbar westlich der Ilm gelegenen Grundstücken eine Hart- und Weichweizenmühle. Mit immissionsschutzrechtlichem Änderungsbescheid vom 6. Juni 2006 erteilte das Landratsamt P.a.d.Ilm die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines zusätzlichen Getreidesilos (64,80 m hoch) mit einer Getreideannahmestelle (30,20 m hoch), eines Mühlengebäudes (34,95 m hoch) und eines Mehlsilos (60,85 m hoch); die drei letzten Vorhaben liegen dem Grundstück der Klägerin gegenüber getrennt durch die Ilm. Nachdem die Gemeinde H. im Dezember 2007 eine sich auf die Betriebsgrundstücke der Beigeladenen beziehende "Abstandsflächensatzung" erlassen hatte mit einer Reduzierung der Abstandsflächentiefe auf 0,4 H, erstrecken sich im Wesentlichen nur noch vom Mehlsilo einzuhaltende Abstandsflächen über die öffentliche Wasserfläche der Ilm hinaus auf das Grundstück der Klägerin nach Osten.

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. In seinem die Berufung zurückweisenden Urteil geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die die Abstandsflächentiefe von 1 H auf 0,4 H zurückführende Abstandsflächensatzung rechtmäßig sei. Das Grundstück der Klägerin sei zwar rechtlich nicht unbebaubar, die daher erforderliche Abweichungsentscheidung erweise sich aber als rechtmäßig. Die gewährten Verkürzungen der Abstandsflächen wirkten sich in tatsächlicher Hinsicht nur ganz geringfügig auf die Nutzbarkeit und Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks der Klägerin aus.

4

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

5

Die Beschwerde ist unbegründet. Die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

6

Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,

  • ob die Auslegung einer landesrechtlichen Abweichungsvorschrift des Bauordnungsrechts, die zu Lasten des von einem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn eine Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen (in erheblichem Umfang) für ein objektiv baurechtswidriges und damit städtebaulich nicht vertretbares Vorhaben zulässt, mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar ist und

  • ob die Auslegung einer landesrechtlichen Abweichungsvorschrift des Bauordnungsrechts, die bei der Entscheidung über eine solche Abweichung die (entscheidungstragende) Berücksichtigung des Bauherreninteresses an einer gesetzeswidrigen Erweiterung eines vorhandenen Baubestandes zulässt, mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar ist.

7

Die erste Frage würde sich in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht stellen, weil sie sich auf einen Sachverhalt bezieht, den der Verwaltungsgerichtshof so nicht festgestellt hat. Nach dessen mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen wirken sich die gewährten Verkürzungen der Abstandsflächen nur ganz geringfügig auf die Nutzbarkeit und Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks der Klägerin aus. An diese Tatsachenfeststellung ist das Revisionsgericht gebunden, § 137 Abs. 2 VwGO. Insbesondere kann eine Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden, wenn die Vorinstanz eine Tatsache nicht festgestellt hat, auf die die Nichtzulassungsbeschwerde - im Sinne einer "Abweichung von den gesetzlichen Abstandsflächen (in erheblichem Umfang)" - abhebt, und lediglich die Möglichkeit besteht, dass sie nach einer Zurückverweisung der Sache auf Grund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden kann (stRspr , Beschlüsse vom 19. Dezember 2007 - BverwG 7 B 55.07 - AbfallR 2008, 39 und vom 6. Juni 2006 - BVerwG 6 B 27.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 35 m.w.N.). Dabei ist letzteres vorliegend nur schwerlich in Erwägung zu ziehen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen davon ausgeht, dass von der Beigeladenen eingeholte und von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellte Gutachten bestätigten, dass weder nennenswerte Auswirkungen auf den landwirtschaftlichen Ertrag des Grundstücks noch auf die Pferdehaltung und die Nutzung des Grundstücks als Pferdekoppel zu erwarten seien. Im Vergleich hierzu geht die Beschwerde von einem Sachverhalt aus, der nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens wäre.

8

Die von der Beschwerde aufgeworfene zweite Frage würde sich in einem Revisionsverfahren im Hinblick auf einen Verstoß gegen Bundesrecht allenfalls dann stellen, wenn der Verwaltungsgerichtshof über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 35 Abs. 2 BauGB befunden und trotz einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Nr. 5 und 7 BauGB, nämlich der Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes oder der Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung, die Abwägung der widerstreitenden öffentlichen und privaten Interessen im Rahmen der Abweichungsentscheidung für rechtmäßig erachtet hätte. Die Vorinstanz hat aber weder zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens noch zu der in der Rechtsprechung umstrittenen Abwägungsrelevanz auch objektiv-rechtlicher öffentlicher Belange im Rahmen einer Abweichungsentscheidung Stellung genommen. Sie hat diese Fragen vielmehr ausdrücklich offen gelassen und eine Abwägungsrelevanz im Hinblick auf eine Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung oder einer Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes deswegen verneint, weil diese Belange auch bei Einhaltung der Abstandsflächen beeinträchtigt würden, das Abwägungsergebnis der Abweichungsentscheidung insoweit nicht maßgeblich (im Sinne einer fehlenden Kausalität) beeinflusst worden sei. Diese hypothetischen Erwägungen vermögen aber keinen Bundesrechtsverstoß zu begründen, dem im Rahmen eines Revisionsverfahrens nachzugehen wäre; die Fragestellung der Beschwerde hebt somit auf eine Rechtsauffassung ab, die der Entscheidung der Vorinstanz so nicht zu entnehmen ist mit der weiteren Folge ihrer fehlenden Entscheidungserheblichkeit.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG (Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs vom 7./.8. Juli 2004).

Krauß
Neumann
Guttenberger

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