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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.01.2014, Az.: BVerwG 3 B 43.13
Pflicht zur Beweiserhebung bei Aufdrängung der Erhebung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.01.2014
Referenz: JurionRS 2014, 10799
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 43.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Meiningen - 21.03.2013 - AZ: VG 8 K 204/11 Me

BVerwG, 29.01.2014 - BVerwG 3 B 43.13

Redaktioneller Leitsatz:

Es ist grundsätzlich unschädlich und rechtlich unbedenklich, wenn die ehrenamtlichen Richter durch einen schriftlichen Aktenauszug vom Berufsrichter vor Beginn der mündlichen Verhandlung in den Sach- und Streitstand eingeführt werden.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 21. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger ist anerkannter Verfolgter gemäß § 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG). Er wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem der Beklagte den Anerkennungsbescheid teilweise zurückgenommen und festgestellt hat, dass der Kläger gemäß § 4 BerRehaG von Leistungen auszuschließen ist. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger sei entgegen seinen Angaben im Antragsformular ausweislich von Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) tätig gewesen. Widerspruch und Klage hiergegen, die der Kläger im Wesentlichen damit begründete, dass er nur unter Zwang für das MfS tätig geworden sei, blieben ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung der Klageabweisung aus, die Rücknahme sei rechtmäßig. Insbesondere sei erwiesen, dass der Kläger als Zelleninformator während seiner Inhaftierung im Herbst 1982 und in der Zeit von 1984 bis Oktober 1989 als IM tätig gewesen sei. Damit sei er erheblich in das Repressionssystem der DDR verstrickt gewesen und habe gegen die Grundsätze der Menschlichkeit verstoßen.

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor.

3

1. Der Kläger rügt, das Gericht habe die ihn und seine Familie jahrelang treffenden Repressalien, den dadurch entstandenen psychischen Druck und die Zwangslage, in die er dadurch geraten sei, sowie seine Biographie und innere

Einstellung zur DDR nicht hinreichend berücksichtigt und gewürdigt; es habe dadurch die Glaubhaftigkeit seines Vortrags falsch eingeschätzt. Damit sind Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung geltend gemacht, die, wenn sie vorlägen, revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen wären und einen Verfahrensmangel deshalb grundsätzlich nicht begründen können (stRspr, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18). Eine Ausnahme hiervon kommt zwar bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht. Einen solchen Fehler legt die Beschwerde aber nicht dar. Es trifft insbesondere nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die bezeichneten Umstände "vollständig unerwähnt" oder "mit keinem Wort" gewürdigt hat. Es hat vielmehr den Vortrag des Klägers im Tatbestand des Urteils (UA S. 3 ff.) wiedergegeben und ist in den Urteilsgründen auf sie eingegangen (vgl. UA S. 8 f.). Dass es sich den Schlussfolgerungen des Klägers nicht angeschlossen hat, ist als solches nicht verfahrensfehlerhaft.

4

2. Es ist ebenso wenig ein Verfahrensmangel, dass das Gericht die Ehefrau des Klägers nicht als Zeugin vernommen hat. Die Nichterhebung von Beweisen ist nur dann verfahrensfehlerhaft, wenn sich dem Gericht eine weitere Aufklärung nach seinem insoweit maßgeblichen Rechtsstandpunkt aufdrängen musste. Die Beschwerde legt schon nicht dar, welche vom Verwaltungsgericht verneinten Tatsachen die Zeugin hätte bekunden können und inwiefern das Gericht auf dieser Grundlage zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Dies ist auch nicht ersichtlich. Dass der Kläger in der DDR verfolgt worden ist, steht aufgrund seiner Anerkennung nach § 1 Abs. 1 BerRehaG fest. Zudem ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger während der Haft schlecht behandelt und psychisch unter Druck gesetzt worden ist (UA S. 8). Wenn es gleichwohl zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Kläger zur Spitzeltätigkeit nicht durch eine rechtlich relevante Zwangslage genötigt worden ist, dann auf der Grundlage von Umständen, zu denen die Beschwerde potenziell relevante Aussagen der Zeugin nicht vorträgt. Dasselbe gilt für die Frage, ob dem Vortrag des Klägers insgesamt oder in Details zu glauben ist.

5

3. Der Kläger beanstandet des Weiteren, die ehrenamtlichen Richter hätten vor Beginn der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Zusammenfassung des Sachverhalts erhalten, wodurch ihre Überzeugungsbildung vorgeprägt worden sei und es ihnen nicht mehr möglich gewesen sei, sich selbst einen Eindruck vom Sach- und Streitstand zu machen. Einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zeigt die Beschwerde auch damit nicht auf. Namentlich liegt kein Verstoß gegen § 103 Abs. 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts zu Beginn der mündlichen Verhandlung den wesentlichen Inhalt der Akten vorgetragen. Weder aus der Niederschrift noch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich, dass der Kläger den Aktenvortrag als fehlerhaft oder unvollständig gerügt hätte; vielmehr hat er zur Sache verhandelt und einen Sachantrag gestellt. Danach ist für eine unzureichende Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter über den Sach- und Streitstoff, die ihre Entscheidungsfindung beeinflusst haben könnte, nichts ersichtlich. Unschädlich ist, dass sie - wie auch die Verfahrensbeteiligten - vorab einen schriftlichen Aktenauszug erhalten haben. Die Berufsrichter dürfen die ehrenamtlichen Richter vor Beginn der mündlichen Verhandlung in den Sach- und Streitstand einführen (vgl. Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 30.97 - Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 2 S. 16 f.

6

Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Kley

Dr. Wysk

Dr. Kuhlmann

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