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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.01.2010, Az.: BVerwG 3 B 84.09
Neuartigkeit eines Endprodukts bei Verarbeitung von herkömmlichen Lebensmitteln in einem üblichen Verfahren
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.01.2010
Referenz: JurionRS 2010, 11311
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 84.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 12.05.2009 - AZ: 9 B 09.199

Rechtsgrundlage:

Art. 1 Abs. 2 Buchst. f VO 97/258/EG

BVerwG, 29.01.2010 - BVerwG 3 B 84.09

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Das in Japan hergestellte Produkt Man-Koso 3000 darf nicht ohne eine Genehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 258/97 in den Verkehr gebracht werden.

  2. 2.

    Der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 erfüllen oder unbedenklich sind, reicht nicht dafür aus, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen.

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und Buchheister
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

1.

Die Klägerin wehrt sich gegen das Verbot, das in Japan hergestellte Produkt Man-Koso 3000 in den Verkehr zu bringen. Das Produkt besteht aus über 50 Pflanzenzutaten, unter anderem Gobo-Wurzeln, Lotus-Wurzeln, Yuri-Knollen, und Akebi- oder Shiso-Blättern, und wird durch langjährige Fermentierung gewonnen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin nach Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH mit der Begründung zurückgewiesen, das Produkt falle als neuartiges Lebensmittel unter die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten; es dürfe deshalb nicht ohne die nach der Verordnung erforderliche Genehmigung in Verkehr gebracht werden. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

2

2.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

3

a)

Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.

4

Die Klägerin wirft zunächst die Frage auf, ob auch die Verarbeitung von herkömmlichen Lebensmitteln in einem üblichen Verfahren dazu führen kann, dass das Endprodukt als neuartig anzusehen ist. Diese Frage ist, soweit sie für den Fall Bedeutung hat, durch den EuGH in dem Vorlageverfahren C-383/07 mit Urteil vom 15. Januar 2009 bereits beantwortet worden. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil nicht fehlinterpretiert. Es hatte den EuGH unter anderem gefragt, ob - im Sinne des Rechtsstandpunktes der Klägerin - ein Lebensmittel schon dann nicht neuartig ist, wenn sämtliche bei der Herstellung verwendeten Zutaten in der Gemeinschaft schon bisher in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Der EuGH hat die Frage verneint. Der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung der Verordnung erfüllten oder unbedenklich seien, reiche nicht dafür aus, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung einzustufen sei, sei von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen (a.a.O. Tenor Ziffer 2 und Rn. 26). Da nicht auszuschließen sei, dass der Herstellungsvorgang zu Änderungen der verwendeten Zutaten mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die öffentliche Gesundheit führen könne, sei die Prüfung, welche Folgen dieser Vorgang habe, selbst dann geboten, wenn das Enderzeugnis aus Zutaten bestehe, die jeweils für sich genommen die Voraussetzungen der Verordnung erfüllten (a.a.O. Rn. 27). Der Einwand der Klägerin, die Ausführungen des EuGH bezögen sich nur auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung und beträfen nur die Herstellung in einem nicht üblichen Verfahren, geht fehl. Der EuGH hatte schon deshalb keinen Anlass, seine Aussage (nur) auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung zu beziehen, weil die Vorlagefragen ausschließlich die Erzeugnisgruppen nach Buchst. d und e der Vorschrift betrafen (vgl. Vorlagebeschluss vom 3. August 2007 - 25 B 03.3405 - Rn. 16 und 17). Demgemäß ist der EuGH auf der Grundlage der Angaben im Vorlagebeschluss davon ausgegangen, dass das Produkt in einem "üblichen" Verfahren hergestellt werde (Urteil vom 15. Januar 2009 a.a.O. Rn. 20). Soweit er gleichwohl Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung angesprochen hat (a.a.O Rn. 24 ff.), diente die Vorschrift - wie schon im Vorlagebeschluss (a.a.O. Rn. 26 a.E.) - als Auslegungshilfe für die Annahme, dass es für die Neuartigkeit eines Lebensmittels im Sinne der ersten Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung stets auf das Enderzeugnis ankomme - und zwar selbst dann, wenn alle Zutaten bereits in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der Gemeinschaft verwendet worden sein mögen (Urteil vom 15. Januar 2009 a.a.O. Rn. 26). Der Hinweis der Klägerin auf das Diskussionspapier der Europäischen Kommission zur Durchführung der Verordnung führt nicht weiter. Abgesehen davon, dass es an der erfolgten Klärung der Rechtsfrage durch den EuGH nichts zu ändern vermag (und im Übrigen aus dem Jahr 2002 stammt), betrifft es neue Formulierungen mit bekannten Zutaten, die nicht unter die in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung genannten Gruppen fallen. Das Produkt der Klägerin fällt aber nach Auffassung des Berufungsgerichts unter Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und e der Verordnung.

5

Für die weiter aufgeworfene Frage, ob auch bei Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung auf das Endprodukt abzustellen sei, gilt das Vorstehende entsprechend. Im Übrigen ist die Frage nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht die Einstufung des Produkts als neuartiges Lebensmittel auch auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung gestützt hat.

6

Die schließlich von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Unternehmer die materielle Beweislast für die Nichterweislichkeit von Tatsachen zur Neuartigkeit eines Lebensmittels trägt, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Sie bezieht sich auf Ausführungen des Berufungsgerichts zu der zwischen den Beteiligten streitig gebliebenen Frage der Verfügbarkeit einzelner Zutaten des Produkts vor dem maßgeblichen Stichtag (Rn. 19 des Berufungsurteils), die das Urteil nicht tragen. Das Berufungsgericht hat eindeutig bejaht, dass das Produkt vor dem 15. Mai 1997 in der Gemeinschaft noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sei, und zur Begründung ausgeführt, dass es insoweit auf das Endprodukt und nicht auf die von der Klägerin behauptete Verfügbarkeit von Zutaten ankomme (Rn. 17 und 18 des Berufungsurteils). Beweislastregeln hat es dabei nicht angewandt; es konnte sich vielmehr darauf stützen, dass die Beteiligten selbst in der mündlichen Verhandlung erklärt hatten, sich darüber einig zu sein, dass das Endprodukt vor dem Stichtag im Gebiet der Gemeinschaft nicht in nennenswertem Umfang verwendet worden sei (s. Niederschrift S. 2). Überlegungen zur materiellen Beweislast hat das Berufungsgericht erst anschließend angestellt und sie mit der Formulierung eingeleitet, "im Übrigen" der Ansicht zu sein, dass eine Nichterweislichkeit in einem Zweifelsfall zu Lasten der Klägerin gehe. Diese Überlegungen beziehen sich ausdrücklich auf die von der Klägerin in Zweifel gezogenen Aussagen der Fachbehörde, die die Verfügbarkeit bestimmter Zutaten betraf. Dieser Passus ist nach dem dargestellten Gang der Entscheidungsgründe lediglich eine ergänzende Erwägung; getragen wird die Entscheidung von der Feststellung, dass jedenfalls das Endprodukt vor dem Stichtag nicht in nennenswertem Umfang verwendet wurde.

7

b)

Die erhobene Verfahrensrüge ist ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat seine Aufklärungspflicht durch die Ablehnung der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht verletzt. Ob ein Beweisantrag prozessordnungswidrig abgelehnt wurde, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts zu beurteilen. Ein Verfahrensfehler kann sich deshalb nicht daraus ergeben, dass das Berufungsgericht ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt Beweisanträge als nicht entscheidungserheblich ablehnt.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Kley
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Buchheister

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