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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 27.08.2015, Az.: BVerwG 3 B 36.15
Auslegung des Hessischen Rahmenvertrages über die vollstationäre Versorgung; Leistungskategorien des Entgeltrechts des Achten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Elftes Buch (SGB XI)
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.08.2015
Referenz: JurionRS 2015, 25274
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 36.15
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Hessen - 24.03.2015 - AZ: 10 A 272/14

Fundstelle:

PflR 2016, 122-124

BVerwG, 27.08.2015 - BVerwG 3 B 36.15

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. August 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten, mit der ihr untersagt wird, mit den Bewohnern ihres Alten- und Pflegeheims ein zusätzliches Entgelt für die Begleitung zu Arzt- oder Therapeutenbesuchen zu vereinbaren, soweit diese Begleitung als Regelleistung zu qualifizieren sei; das sei dann der Fall, wenn der Besuch notwendig und der Bewohner dazu eigenständig nicht mehr in der Lage sei.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass - erstens - Bundesrecht den Landesgesetzgeber nicht daran hindere, die Heimaufsichtsbehörde zu ermächtigen, die Einhaltung von Rahmenverträgen nach § 75 und § 88 des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs - SGB XI - zu überwachen und gegen Verstöße einzuschreiten, und - zweitens - dem für die zugelassenen Pflegeeinrichtungen verbindlichen Rahmenvertrag entnommen werden könne, dass die notwendige Begleitung zum Besuch externer Ärzte oder Therapeuten von den allgemeinen Pflegeleistungen umfasst sei.

3

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ist nicht begründet. Die Rechtssache weist weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auf noch sind die gerügten Divergenzen im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erkennbar.

4

1. Die Klägerin hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"Gibt es im Entgeltrecht des Achten Kapitels des SGB XI nur die beiden Kategorien der Regel- und der Zusatzleistungen und müssen daher alle sachlich erforderlichen Leistungen vom allgemeinen Pflegesatz abgedeckt werden oder gibt es weitere, vom Leistungsumfang des SGB XI nicht abgedeckte notwendige Leistungen (sonstige Leistungen), für die die Pflegeheimbewohner selbst oder im Falle von Sozialhilfebedürftigkeit der zuständige Sozialhilfeträger nach den Bestimmungen des SGB XII aufkommen müssen?

Und ist es folglich so, dass der Rahmenvertrag nicht anders ausgelegt werden kann, als dass die Begleitung zu einem Arzt- oder Therapeutenbesuch als Regelleistung vom Pflegesatz mit umfasst ist, oder handelt es sich im Gegenteil um eine andere Leistung, für welche ein Einrichtungsbetreiber als sonstige Leistung ein zusätzliches Entgelt verlangen darf?"

5

Soweit diese Frage auf die Auslegung des Hessischen Rahmenvertrages über die vollstationäre Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI zielt, kommt eine Zulassung der Revision schon deswegen nicht in Betracht, weil es sich bei solchen Rahmenverträgen nicht um revisibles Recht im Sinne des § 137 Abs. 1 VwGO handelt. Darauf hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 28. Mai 2014 - 8 B 71.13 - ( Rn. 13) hingewiesen. Die Einwände, die die Beschwerdeführerin gegen diese Rechtsprechung erhebt, sind nicht berechtigt. Ihre Auffassung, bei den Rahmenverträgen handele es sich um Bundesrecht, weil sie ihre Verbindlichkeit gegenüber den Pflegekassen und zugelassenen Pflegeeinrichtungen nach § 75 Abs. 1 Satz 4 SGB XI und damit kraft Bundesgesetzes entfalten, ist rechtsirrig; denn das durch die Rahmenverträge verkörperte Recht setzen keine Bundesorgane, sondern die in § 75 Abs. 1 SGB XI genannten vertragsschließenden Parteien auf Landesebene. Dass sie dazu durch Bundesgesetz ermächtigt werden, erhebt den Vertragsinhalt nicht zum Bundesrecht (BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1977 - 8 C 44.76 - BVerwGE 54 <56>; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 20 m.w.N.; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 137 Rn. 38); es bleibt das Recht der zur Rechtsetzung ermächtigten Vertragsparteien, solange der Bundesgesetzgeber es sich nicht zu eigen macht.

6

Soweit die Fragestellung die Leistungskategorien des Entgeltrechts des Achten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Elftes Buch - betrifft, weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz selbst ergibt. Der Gesetzgeber kennt in dem bezeichneten Kapitel ausweislich des § 88 Abs. 1 SGB XI die Pflegesätze nach § 85, die Entgelte nach § 87 und die in § 88 Abs. 1 definierten Zusatzleistungen. Die Abgrenzung der Leistungen voneinander bestimmen nach § 75 Abs. 2 Nr. 1 und § 88 Abs. 1 Satz 2 SGB XI die Rahmenverträge; dabei ordnet § 84 Abs. 4 Satz 1 SGB XI an, dass mit den Pflegesätzen alle für die Versorgung der Pflegebedürftigen nach Art und Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit erforderlichen Pflegeleistungen der Pflegeeinrichtung (allgemeine Pflegeleistungen) abgegolten sind.

7

Abgesehen davon müsste in einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden, ob es - wie die Beschwerdeführerin wissen will - weitere vom Leistungsumfang des SGB XI nicht abgedeckte notwendige Leistungen (sonstige Leistungen) gibt, "für die die Pflegeheimbewohner selbst oder im Falle von Sozialhilfebedürftigkeit der zuständige Sozialhilfeträger nach den Bestimmungen des SGB XII aufkommen müssen"; denn der Verwaltungsgerichtshof hat die Vorschriften des Rahmenvertrages für den Senat bindend dahin ausgelegt, dass die umstrittene Begleitung zu den Arztbesuchen zu den Pflegeleistungen gehört, die durch den Pflegesatz abgegolten werden. Bereits dies trägt eigenständig das Ergebnis der Entscheidung, dass es sich nicht um Leistungen handeln kann, deren Vergütung gesondert verlangt werden darf. Die Auslegung des Rahmenvertrages durch den Verwaltungsgerichtshof wird auch nicht in entscheidungserheblicher Weise durch sein Verständnis der genannten Normen des SGB XI vorgeprägt. Mit den von der Beschwerdeführerin beanstandeten, an die Systematik des Gesetzes anknüpfenden Erwägungen, die der Verwaltungsgerichtshof vom Verwaltungsgericht übernommen hat, wird das gefundene Ergebnis lediglich untermauert, ohne dass es damit steht und fällt. Da vorrangig maßgeblich ist, dass die Leistung bereits nach dem Inhalt des Rahmenvertrages dem Pflegesatz zuzuordnen ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob ihr Charakter als Zusatzleistung auch aus systematischen Erwägungen ausscheidet.

8

2. Die im Anschluss an diese Grundsatzrüge geltend gemachten Divergenzen sind ebenfalls nicht erkennbar.

9

a) Soweit die Klägerin eine Abweichung von dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2003 - 1 BvR 1077/00 - (insoweit ist nur die Begründung der Parallelentscheidung desselben Tages - 1 BvR 452/99 - in aufgenommen) rügt, fehlt es bereits an einander widersprechenden Rechtssätzen, die dem angegriffenen Urteil und dem herangezogenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegen. Das Bundesverfassungsgericht setzt sich mit der Frage auseinander, ob der Bezug des Begriffs der Pflegebedürftigkeit auf die in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgezählten Verrichtungen mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren ist; es äußert sich nicht zu der für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungserheblichen Frage, wie im Bereich der Pflegeversicherung Regel- und Zusatzleistungen abzugrenzen sind.

10

b) Die daneben gerügte Abweichung von dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 - B 3 P 3/08 R - () kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO führen, weil das Bundessozialgericht nicht zu den dort aufgeführten Gerichten gehört. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vermag der Vortrag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Rüge am Inhalt der vermeintlichen Divergenzentscheidung vorbeigeht. Dem Umstand, dass das Bundessozialgericht den Sozialgerichten bei der Überprüfung von Schiedssprüchen eine durch den Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle beschränkte Kontrollbefugnis einräumt, lässt sich auch nicht nur ansatzweise etwas zu der Frage entnehmen, welche Leistungen der Rahmenvertrag in den Pflegesatz aufnehmen muss; die herangezogenen Ausführungen betreffen nur die Kontrolldichte, aber nicht den materiellrechtlich gebotenen Gehalt des Kontrollgegenstandes.

11

3. Schließlich ergibt sich auch keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, soweit die Klägerin erneut die Frage aufwirft, ob die Heimaufsichtsbehörden aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht befugt sein können, Verpflichtungen des Heimträgers durchzusetzen, die sich - und nur darauf kommt es hier an - aus dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI ergeben, denn dazu ist in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2014 (a.a.O.) alles gesagt.

12

Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Kley

Liebler

Dr. Wysk

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