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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 26.01.2016, Az.: BVerwG 10 B 17.15
Wirksamkeit und Auswirkungen einer Mitgliedschaft in einem fehlerhaften Zweckverband einer Gemeinde sowie Auslegung der negativen Kooperationshoheit
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.01.2016
Referenz: JurionRS 2016, 10977
Aktenzeichen: BVerwG 10 B 17.15
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:260116B10B17.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Thüringen - 12.03.2015 - AZ: 4 KO 758/14

BVerwG, 26.01.2016 - BVerwG 10 B 17.15

Redaktioneller Leitsatz:

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Bezeichnung einer Rechtsfrage des revisiblen Rechts und die nähere Darlegung, inwiefern diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Januar 2016
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 12. März 2015 wird verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 656 873,47 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger ist Funktionsnachfolger eines 1991 gegründeten Zweckverbandes, zu dem die Beklagte 1992 beigetreten war. Durch Urteil vom 30. August 2001 wurde festgestellt, dass der Zweckverband nicht wirksam entstanden und die Beklagte deshalb nicht dessen Mitglied geworden sei. Daraufhin wurde mit Wirkung vom 19. Dezember 2001 der Kläger gegründet, dem die Beklagte nicht angehört. Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund einer auf den 19. September 2001 bezogenen Ausgliederungsbilanz auf Ausgleichszahlung nebst seitherigen Verzugszinsen in Anspruch. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 656 873,47 € nebst Verzugszinsen verurteilt.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der allein in Anspruch genommene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht schlüssig dargelegt, obwohl dies geboten gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu wäre erforderlich gewesen, eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu bezeichnen und näher darzulegen, inwiefern diese Frage der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren voraussichtlich zu rechnen ist und inwiefern hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht. Das leistet die Beklagte nicht.

3

Die Beklagte bestreitet ihre Pflicht zur Ausgleichszahlung unter anderem mit dem Vortrag, bereits Ende 1993 ihre Mitgliedschaft in dem alten Zweckverband zum 1. Januar 1994 gekündigt und sich seither auch nicht am Verbandsleben beteiligt zu haben. Sie hält die Rechtsansicht des Berufungsgerichts für fehlerhaft, das diesen Vortrag für unerheblich gehalten und stattdessen darauf abgestellt hat, dass der alte Zweckverband die ihm übertragene Aufgabe der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung auch im Gebiet der Beklagten tatsächlich bis zum 19. September 2001 wahrgenommen habe. In diesem Zusammenhang hält sie die Fragen für klärungsbedürftig, welche Anforderungen an die Beendigung der Mitgliedschaft einer Gemeinde in einem fehlerhaften Zweckverband zu stellen seien; ob ein Ausscheiden einer Gemeinde aus einem unerkannt fehlerhaften Zweckverband auch schon vor der (gerichtlichen) Feststellung der Fehlerhaftigkeit möglich ist; ob die Annahme des Berufungsgerichts, dass ihre Mitgliedschaft in dem fehlerhaften Zweckverband erst mit der gerichtlichen Feststellung der Fehlerhaftigkeit geendet habe, einen Eingriff in ihre, der Beklagten, Organisationshoheit darstelle, welche durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet werde; und ob es mit der negativen Kooperationshoheit einer Gemeinde vereinbar sei, diese ungeachtet ihrer Kündigungserklärung und Nichtteilnahme am Verbandsleben weiterhin als Mitglied eines Zweckverbandes zu behandeln.

4

Aus der näheren Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird deutlich, dass die Beklagte hiermit Rechtsfragen zur Auslegung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG bezeichnen möchte, zu dessen Garantiegehalt sie unter anderem die Befugnis einer Gemeinde rechnet, die Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben eigenverantwortlich zu organisieren ("Organisationshoheit") sowie einem zur gemeinschaftlichen Aufgabenwahrnehmung gebildeten Zweckverband fernzubleiben ("negative Kooperationshoheit"). Sie legt allerdings nicht näher dar, inwiefern die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits eine nähere Klärung des Garantiegehalts von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG erforderlich macht. Namentlich lässt die Beschwerdebegründung jegliche Auseinandersetzung mit der insofern bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts vermissen.

5

Im Übrigen geht die Beschwerde auch am Gegenstand der angefochtenen Entscheidung vorbei. Das Berufungsgericht hat allein darüber entschieden, welche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte sich aus der Beendigung des fehlerhaften Zweckverbandes zum 19. September 2001 und aus dessen Neugründung ohne die Beklagte ergeben. Hierfür hat es allein darauf abgestellt, dass der fehlerhafte Zweckverband seine Aufgabe bis zu seiner Beendigung tatsächlich auch für das Gemeindegebiet der Beklagten wahrgenommen und hierzu auch die auf dem Gebiet der Beklagten belegenen Einrichtungen genutzt habe, die erst zum 20. September 2001 in die Nutzungsbefugnis der Beklagten übergegangen seien. Für diese Entscheidung hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Mitgliedschaft der Beklagten in dem fehlerhaften Zweckverband vielleicht schon zu einem früheren Zeitpunkt durch Austritt oder Kündigung wirksam beendet worden sei, für unerheblich gehalten (vgl. insb. UA S. 17). All dies beruht auf einer Auslegung und Anwendung des Thüringer Landesrechts, das der Überprüfung in der Revision nicht unterliegt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Inwiefern die Annahme des Berufungsgerichts, der verbleibende Zweckverband habe gegen die ausscheidende Gemeinde einen Anspruch auf Auseinandersetzung in Ansehung des zum Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens auf diese übergehenden Anlagevermögens, ungeklärte Fragen zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG aufwirft, macht die Beklagte nicht deutlich.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert

Hoock

Dr. Rublack

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