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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 23.09.2009, Az.: BVerwG 9 B 48.09
Qualifizierung von erlassenen Bescheiden als "Vorausleistungsbescheide" i.R.e. Festsetzung von Mitgliedsbeiträgen auf prognostischer Basis; Divergenz i.S.d. § 133 Abs. 3 S. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bei Vorliegen einer hinreichenden Benennung des tragenden abstrakten Rechtssatzes der angefochtenen Entscheidung; Zulässigkeit einer Aufklärungsrüge bei substantiierter Darlegung eines konkreten und tatsächlichen Aufklärungsmangels
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.09.2009
Referenz: JurionRS 2009, 23413
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 48.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Berlin-Brandenburg - 12.11.2008 - AZ: 9 B 36.08

BVerwG, 23.09.2009 - BVerwG 9 B 48.09

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2009
durch
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen, Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. November 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 956,97 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1.

Die Grundsatzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen nicht zur Zulassung der Revision.

a)

3

Für klärungsbedürftig hält die Beschwerde die Frage,

"ob bei einer Festsetzung der Mitgliedsbeiträge auf prognostischer Basis die erlassenen Bescheide als ,Vorausleistungsbescheide' zu qualifizieren sind."

4

Diese Grundsatzrüge kann schon deshalb nicht durchdringen, weil die Rechtsfrage so formuliert ist, dass sie sich nicht verallgemeinerungsfähig beantworten lässt (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Im Übrigen ist die Zulassung der Revision auch dann nicht gerechtfertigt, wenn mit Blick auf die Beschwerdebegründung und die tragenden Erwägungen der Vorinstanz angenommen wird, dass es der Sache nach um die Frage gehen soll, ob § 30 Abs. 1 Satz 2 WVG die Beitragspflicht der Verbandsmitglieder in dem Zeitpunkt entstehen lässt, in dem eine verlässliche Ermittlung der voraussichtlichen Kosten des Verbandes im nachfolgenden oder gerade begonnenen Veranlagungsjahr vorliegt mit der Folge, dass die Beitragsbescheide ab diesem Zeitpunkt als endgültige Bescheide zu qualifizieren sind. Denn diese Frage betrifft die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes - und mithin auch die Regelung des § 30 WVG - kommen hier nicht aufgrund bundesrechtlicher Anordnung, sondern deshalb zur Anwendung, weil Landesrecht hierauf verweist und diese landesrechtliche Verweisung für die Geltung des Wasserverbandsgesetzes sowohl dem Grunde als auch dem Umfang nach maßgeblich ist (§ 80 WVG; Beschlüsse vom 4. Juni 2002 - BVerwG 9 B 15.02 - [...] Rn. 11 und vom 7. Juni 2002 - BVerwG 9 B 30.02 - [...] Rn. 3). Dass die Auslegung und Anwendung der somit im vorliegenden Fall irrevisiblen Vorschrift des § 30 WVG durch die Vorinstanz ihrerseits klärungsbedürftige Fragen gerade des Bundesrechts aufwirft, wird nicht gerügt.

b)

5

Auch die sinngemäß weiter aufgeworfene Frage, ob die Rechtsfolge der Befreiung von der Grundsteuerpflicht nach § 4 Abs. 3 GrStG kraft Gesetzes oder erst auf Antrag oder durch Anzeige beim Gewässerunterhaltungsverband eintritt, vermag eine Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.

6

Diese Grundsatzrüge geht an den maßgeblichen Erwägungen der Vorinstanz vorbei. Diese hat nicht die bundesrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen einer Grundsteuerbefreiung, sondern die landesrechtliche Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Brandenburgischen Gesetzes über die Bildung von Gewässerunterhaltungsverbänden - GUVG - vom 13. März 1995 (GVBl I S. 14) in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (erweiternd) dahingehend ausgelegt, dass die im Grundbuch eingetragenen Eigentümer grundsteuerbefreiter Buchgrundstücke nur dann selbst Mitglieder der Gewässerunterhaltungsverbände sind und nicht durch die Gemeinden "vertreten" werden, wenn sie ihr Eigentum und die Tatsache der Befreiung von der Grundsteuer bei dem Verband angezeigt haben. Diese Auslegung lässt keine Bezüge zum revisiblen Recht erkennen.

7

2.

Die Divergenzrüge bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

8

Divergenz ist nur dann i.S.d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14).

9

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde nicht. Sie zeigt nicht auf, dass die Vorinstanz abweichend von dem von der Beschwerde zitierten Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3. Februar 2009 (2 BvL 54.06 - DVBl. 2009, 375) von der tragenden Erwägung ausgegangen ist, dass nicht steuerliche Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion keiner besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfen, sondern beliebig unter Rückgriff auf die jeweilige Sachgesetzgebungskompetenz begründet werden können. Im Übrigen kann dem angefochtenen Urteil ein solcher Rechtssatz auch nicht entnommen werden. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat die Frage, ob die Umlage der Verbandsbeiträge auf die Grundstückseigentümer überhaupt als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion einzustufen ist und als solche einer Rechtfertigung bedarf, für die Entscheidungsfindung der Vorinstanz keine Rolle gespielt. Die Beschwerde beschränkt sich dementsprechend im Wesentlichen darauf darzulegen, dass die Pflicht der Grundstückseigentümer zur Erstattung der von der Gemeinde geleisteten Verbandsbeiträge ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (mehr) gerechtfertigt sei, weil die von den Verbänden wahrgenommenen Aufgaben der Gewässerunterhaltung ihren privatnützigen Charakter ganz oder wenigstens weitgehend verloren hätten und nur noch der Allgemeinheit dienten. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung eines vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatzes genügt jedoch nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14).

10

3.

a)

Auch die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) können nicht durchdringen.

11

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, § 138 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

12

Die Beschwerde macht geltend, die Vorinstanz habe den Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. November 2008 nicht antragsgemäß vertagt und dadurch der Klägerseite die Möglichkeit zu sachgemäßer und erschöpfender Äußerung sowie zu hinreichender Substantiierung der von der Vorinstanz in der mündlichen Verhandlung am 12. November 2008 zurückgewiesenen Beweisanträge genommen. Damit ist ein Gehörsverstoß nicht hinreichend dargetan. Die Gehörsrüge erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei nach ihrer Ansicht ausreichender Gehörsgewährung - hier einer Stattgabe des Vertagungsantrags - noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15). Dazu lässt sich der Beschwerde jedoch nichts entnehmen. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht eingehend begründet, weshalb es eine Vertagung der mündlichen Verhandlung zur weiteren Vorbereitung nicht für notwendig erachtet hat. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Beschwerde nicht substantiiert auseinander, sondern stellt im Wesentlichen nur die Prozessgeschichte dar. Soweit zur Begründung der Notwendigkeit weiterer Vorbereitungszeit konkret auf den Schriftsatz des Beklagten vom 4. November 2008, mit dem der gerichtliche Auflagenbeschluss vom 21. Oktober 2008 beantwortet werden sollte, und auf die diesem Schriftsatz beigefügten umfangreichen Anlagen verwiesen wird, hat die Vorinstanz u.a. ausgeführt, dass der Auflagenbeschluss vom 21. Oktober 2008 auf eine nur ergänzende Auskunft des Beklagten gezielt und das Schreiben des Beklagten vom 4. November 2008 dementsprechend nichts grundlegend Neues enthalten habe. Die der Auskunft des Beklagten beigefügten Protokolle seien vor allem im Hinblick auf die - übersichtliche - Frage nach der Festsetzung der Beitragshöhe angefordert worden. Auch auf diese Erwägungen geht die Beschwerde nicht ein.

b)

13

Die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt ebenfalls nicht dem Darlegungsgebot.

14

Der Verfahrensmangel einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn substantiiert dargelegt wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.).

15

Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die Behauptung, der Beklagte habe das gerichtliche Auskunftsersuchen vom 2. September 2008 nicht vollständig beantwortet, vermag einen Aufklärungsmangel schon deshalb nicht zu begründen, weil nicht substantiiert dargelegt wird, dass die angebliche Auskunftslücke auch in den nachfolgenden mündlichen Verhandlungen bzw. durch weitere Stellungnahmen des Beklagten nicht beseitigt wurde. Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch nicht auf, dass im vorinstanzlichen Verfahren auf eine lückenlose Auskunftserteilung durch den Beklagten hingewirkt wurde. Hinsichtlich der Rüge, die Vorinstanz sei ihren Hinweisen nicht nachgegangen, "eine auch nur im Ansatz transparente Identifikation und Zuordnung von Kostenmassen zu umlagefähigen bzw. nicht umlagefähigen Kosten zu ermöglichen", fehlt die Darlegung, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und inwiefern entsprechende Feststellungen nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für die Klägerseite günstigeren Entscheidung hätten führen können. Soweit die Beschwerde darauf verweist, die Klägerseite habe in der Vorinstanz beantragt, dem Beklagten aufzugeben, "eine randscharfe Kostenrechnung der jeweils auf den (umlagefähigen) Pflichtaufgabenbereich sowie den Bereich der sog. freiwilligen Aufgaben entfallenden Kostenaufwandes für die Jahre 2000 - 2003 vorzulegen und durch Nachweise zu untersetzen", fehlt eine Darlegung zum weiteren Fortgang dieses Begehrens. Ein Aufklärungsmangel ist damit nicht schlüssig dargetan.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Domgörgen
Dr. Christ
Prof. Dr. Korbmacher

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