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Bundesverwaltungsgericht
v. 23.07.2012, Az.: BVerwG 6 A 3.11
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Verbotsverfügung seitens des Bundesministeriums des Innern an einen dänischen Fernsehsender bzgl. der Ausstrahlung von Propagandasendungen für die kurdische Partei PKK im deutschen Sendegebiet
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Gerichtsbescheid
Datum: 23.07.2012
Referenz: JurionRS 2012, 23202
Aktenzeichen: BVerwG 6 A 3.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

EuGH - 22.09.2011 - AZ: C-244/10

BVerwG, 23.07.2012 - BVerwG 6 A 3.11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Art. 22a der Fernseh-Richtlinie verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, in Anwendung allgemeiner Rechtsvorschriften wie dem Vereinsgesetz Maßnahmen gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalter mit der Begründung zu treffen, dass die Tätigkeiten und Ziele dieses Veranstalters dem Verbot des Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufen, sofern die genannten Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen, die dieser Veranstalter von dem anderen Mitgliedstaat aus ausstrahlt, im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats verhindern. Dies hat das nationale Gericht zu prüfen.

  2. 2.

    Eine unzulässige Verhinderung der Weiterverbreitung von Fernsehsendungen stellt es dar, wenn der Empfangsstaat durch die Anwendung seiner allgemeinen ordnungsrechtlichen Regeln eine zweite Kontrolle von Fernsehsendungen zusätzlich zu der von dem Sendestaat durchzuführenden Kontrolle vornimmt.

  3. 3.

    Der Gerichtshof der Europäischen Union hat als in Betracht kommende inländische Betätigungen die Produktion von Sendungen, die Organisation von Veranstaltungen, bei denen Sendungen des Senders in einem öffentlichen Rahmen gezeigt werden, sowie allgemein im deutschen Hoheitsgebiet stattfindende Unterstützungsaktivitäten benannt. Der Gerichtshof hat angemerkt, das Verbot derartiger Tätigkeiten stelle grundsätzlich kein Hindernis für die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen dar und werde deshalb durch Art. 22a der Fernseh-Richtlinie nicht ausgeschlossen. Der Senat sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Inlandsbezug des gegenüber einem Fernsehsender erlassenen Betätigungsverbots zu einem solchen Weiterverbreitungshindernis führt.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Dr. Graulich, Dr. Möller
und Hahn
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Die gegen die Klägerin gerichtete Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juni 2008 wird aufgehoben, soweit das gegenüber der Klägerin angeordnete Betätigungsverbot die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen des Senders R. TV der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland betrifft und soweit die Verwendung von Kennzeichen der Klägerin oder ihres Senders bei dieser Tätigkeit verboten wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine von dem Bundesministerium des Innern erlassene vereinsrechtliche Verbotsverfügung.

2

Die Klägerin ist eine Aktien- und Holdinggesellschaft dänischen Rechts mit Sitz in Dänemark. Sie ist Inhaberin mehrerer dänischer Fernsehlizenzen und betreibt unter anderem den Fernsehsender R. TV A/S (im Folgenden: R. TV), der gleichfalls in der Rechtsform einer dänischen Aktiengesellschaft - der Klägerin in dem Parallelverfahren zum Aktenzeichen BVerwG 6 A 4.11 des Senats - geführt wird. Das vorwiegend in kurdischer Sprache produzierte Programm von R. TV wird seit dem 1. März 2004 europaweit - auch nach Deutschland - über Satellit ausgestrahlt und kann in den nahöstlichen Siedlungsgebieten der Kurden, insbesondere in der Türkei ebenfalls empfangen werden. R. TV ließ zeitweise Sendebeiträge durch die in Wuppertal ansässige, seit November 2009 in Liquidation befindliche V. Fernsehproduktion GmbH (im Folgenden: V.) produzieren.

3

Mit Verfügung vom 13. Juni 2008, die an die Klägerin, R. TV und V. gerichtet war, stellte das Bundesministerium des Innern fest, dass der Betrieb des Fernsehsenders R. TV durch die Klägerin sowie die Tätigkeit von R. TV selbst den Strafgesetzen zuwiderliefen und sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richteten, weil in dem Programm des Senders Propaganda für die verbotene PKK betrieben und Gewalt zur Durchsetzung der politischen Ziele der PKK sowie im Verhältnis zwischen Türken und Kurden befürwortet werde. Der Klägerin wurde verboten, sich im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes durch R. TV zu betätigen. R. TV wurde ebenfalls mit einem Betätigungsverbot belegt. Zudem wurde der Sender mit Blick auf die Tätigkeit der als seine Teilorganisation bezeichneten V. im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes verboten. V. wurde aufgelöst. Ferner wurde die Verwendung von Kennzeichen der verbotenen Organisationen untersagt und ihr im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandenes Vermögen beschlagnahmt und eingezogen.

4

Das Verfahren über die von der Klägerin gegen die Verbotsverfügung erhobene Klage (Az.: BVerwG 6 A 6.08) hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 24. Februar 2010 zum Zweck der Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt. Der Senat hat in den Gründen dieses Beschlusses dargelegt, dass das Bundesministerium des Innern das mit der angefochtenen Verbotsverfügung ausgesprochene Betätigungsverbot zwar zu Unrecht auf den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG gestützt hat, dieses jedoch nach nationalem Recht seine Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG findet, weil sich die Klägerin gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Zu einer Entscheidung über die Frage, ob der Heranziehung des letztgenannten Verbotsgrunds die Bestimmungen der gemeinschaftsrechtlichen Fernseh-Richtlinie entgegenstehen, hat sich der Senat ohne vorherige Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht im Stande gesehen. Er hat deshalb dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift über ein Vereinsverbot wegen Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung in den durch die Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl EG Nr. 1 298 S. 23) in der Fassung der Änderungsrichtlinie 97/36/EG vom 30. Juni 1997 (ABl EG Nr. 1 202 S. 60) koordinierten Bereich fällt und daher gemäß Art. 2a der Richtlinie ausgeschlossen ist.

5

Einen Beschluss mit einem ebensolchen Inhalt hat der Senat in dem von R. TV gegen die Verbotsverfügung vom 13. Juni 2008 anhängig gemachten Klageverfahren erlassen (Beschluss vom 24. Februar 2010 - BVerwG 6 A 7.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 53). Die von V. gegen die Verfügung erhobene Klage hat der Senat mit der Begründung abgewiesen, dass das Bundesministerium des Innern diese Gesellschaft nach § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG zu Recht als nichtgebietliche und rechtsfähige Teilorganisation von R. TV benannt hat (Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52).

6

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Vorabentscheidungsersuchen zu gemeinsamem Verfahren und gemeinsamer Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 22. September 2011 - Rs. C-244/10 und Rs. C-245/10 - (UA Rn. 54) entschieden, dass Umstände wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die unter eine Vorschrift des nationalen Rechts fallen, nach der Verstöße gegen den Gedanken der Völkerverständigung verboten sind, als vom Begriff der Aufstachelung zu Hass aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität im Sinne des Art. 22a der Fernseh-Richtlinie umfasst anzusehen sind. Dieser Artikel verwehrt es in seiner Auslegung durch den Gerichtshof einem Mitgliedstaat nicht, in Anwendung allgemeiner Rechtsvorschriften wie dem Vereinsgesetz Maßnahmen gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Fernsehveranstalter mit der Begründung zu treffen, dass die Tätigkeiten und Ziele dieses Veranstalters dem Verbot des Verstoßes gegen den Gedanken der Völkerverständigung zuwiderlaufen, sofern die genannten Maßnahmen nicht die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen, die dieser Veranstalter von dem anderen Mitgliedstaat aus ausstrahlt, im Hoheitsgebiet des Empfangsmitgliedstaats verhindern; dies hat das nationale Gericht zu prüfen.

7

Wegen des Vortrags der Beteiligten im Klageverfahren und der von ihnen gestellten Anträge wird auf die Gründe des Beschlusses des Senats vom 24. Februar 2010 verwiesen.

II

8

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache in dem bestehenden Verfahrensstadium keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art mehr aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§ 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

9

Die zulässige Klage ist begründet, soweit das von dem Bundesministerium des Innern unter dem 13. Juni 2008 gegenüber der Klägerin verfügte vereinsrechtliche Betätigungsverbot die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen des Senders R. TV der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland betrifft und soweit die Verwendung von Kennzeichen der Klägerin oder ihres Senders bei dieser Tätigkeit verboten wird. In diesem Umfang ist die angefochtene Verfügung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (1.). Im Übrigen ist die angefochtene Verfügung rechtmäßig und die Klage unbegründet (2.).

10

1. Das gegenüber der Klägerin ausgesprochene Betätigungsverbot wird, soweit es sich auf die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen des dänischen Senders der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland bezieht, durch § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198), Art. 9 Abs. 2 GG und § 18 Satz 2 VereinsG nicht getragen, da hierfür keiner der in Betracht kommenden Verbotsgründe herangezogen werden kann (a)). Deshalb kann insoweit auch das ausgesprochene Kennzeichenverbot keinen Bestand haben (b)).

11

a) Die rechtlichen Gründe, die es im vorliegenden Fall ausschließen, zur Rechtfertigung des erlassenen Betätigungsverbots auf den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG abzustellen, hat der Senat in seinem Beschluss vom 24. Februar 2010 (BA Rn. 25 ff.) ausführlich dargestellt. Die Beklagte ist dem im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht mehr entgegengetreten. Auch auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG konnte das Bundesministerium des Innern das Verbot, was die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen des Senders der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland anbetrifft, nicht in rechtmäßiger Weise stützen.

12

Die angefochtene Verbotsverfügung vom 13. Juni 2008 ist darauf gerichtet, "die Verbreitung des Senders R. TV in das und im Bundesgebiet" zu unterbinden (Verfügung S. 35). Entsprechend dieser der Verfügung objektiv zukommenden hauptsächlichen Zielsetzung hat sie der Senat im Hinblick auf den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG in seinem Beschluss vom 24. Februar 2010 (BA Rn. 45 ff.) überprüft. Der Senat hat nach Inaugenscheinnahme exemplarischer Bestandteile des Fernsehprogramms des Senders der Klägerin festgestellt, dass die Klägerin sich durch dessen Betrieb sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet. Der Sender der Klägerin berichtet nicht neutral über die Auseinandersetzungen zwischen türkischen und kurdischen Volkszugehörigen in der Türkei, sondern unterstützt den Einsatz von Guerillaeinheiten und das Verüben von Anschlägen durch die PKK, indem er sich deren Positionen in eindeutig erkennbarer, massiver und das Fernsehprogramm prägender Weise zu eigen macht.

13

Aus der von dem Senat eingeholten Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich indes, dass das gegenüber der Klägerin angeordnete Betätigungsverbot nicht auf diese Begründung gestützt werden darf. Denn der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 22. September 2011 (UA Rn. 44 bis 46) dargelegt, dass die von dem Senat in dem Fernsehprogramm des Senders der Klägerin festgestellten Umstände dem Anwendungsbereich des Art. 22a der Fernseh-Richtlinie unterfallen und die Beachtung dieser Vorschrift - gemäß Art. 3 Abs. 2 der Fernseh-Richtlinie - von den Behörden desjenigen Mitgliedstaats zu prüfen ist, dessen Rechtshoheit der betreffende Fernsehveranstalter unterliegt. Dies ist im vorliegenden Fall Dänemark. Die zuständige dänische Stelle hat eine Verletzung des Art. 22a der Fernseh-Richtlinie durch die inhaltliche Ausrichtung des Fernsehprogramms des Senders der Klägerin verneint.

14

Wenn nach den weiteren Darlegungen des Gerichtshofs (UA Rn. 47 ff., unter Bezugnahme auf das Urteil vom 9. Juli 1997 - Rs. C-34/95, De Agostini - <Slg. 1997, I-3843 Rn. 33 f, 38>) gleichwohl die Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die - wie hier die Regelungen des Vereinsgesetzes - nicht speziell die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehprogrammen betreffen, sondern allgemein der öffentlichen Ordnung dienen, nicht völlig und von vornherein ausgeschlossen ist, so gilt dies nicht, wenn dadurch in dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen aus einem anderen Mitgliedstaat verhindert wird. Eine solche Verhinderung stellt es jedenfalls dar, wenn der Empfangsstaat durch die Anwendung seiner allgemeinen ordnungsrechtlichen Regeln eine zweite Kontrolle von Fernsehsendungen zusätzlich zu der von dem Sendestaat durchzuführenden Kontrolle vornimmt. Auf Grund einer solchen unzulässigen zweiten Kontrolle hat das Bundesministerium des Innern der Sache nach den hier in Rede stehenden Teil des gegen die Klägerin gerichteten Betätigungsverbots erlassen.

15

An dieser eindeutigen Feststellung ändert sich nichts dadurch, dass der Gerichtshof weiter ausgeführt hat (UA Rn. 52), die am Verfahren beteiligte Bundesregierung habe geäußert, dass sie ungeachtet der Weite des von dem Bundesministerium des Innern verfügten Betätigungsverbots nicht in der Lage sei, Auswirkungen von im Ausland produzierten Fernsehsendungen in Deutschland zu verhindern, und deshalb der Empfang des Programms der Klägerin in Deutschland tatsächlich weiterhin möglich sei. Die Beklagte missversteht diese Darlegungen des Gerichtshofs, wenn sie meint, dieser habe zwischen dem rechtlichen, die Sendetätigkeit betreffenden Betätigungsverbot und der tatsächlichen Verhinderung der Ausstrahlung oder Weiterverbreitung als solcher unterschieden und lediglich in der letztgenannten Hinsicht einen Widerspruch zu den Bestimmungen der Fernseh-Richtlinie gesehen. Dass dem nicht so ist, wird daran deutlich, dass nach den Vorgaben des Gerichtshofs für die Frage der Verhinderung der Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen maßgeblich auf das - hier erfüllte - rechtliche Kriterium der von dem Empfangsstaat eingeführten zweiten Kontrolle von Fernsehsendungen abzustellen ist.

16

b) Da der Klägerin hiernach die von Dänemark aus vorgenommene Sendetätigkeit ihres dänischen Senders zu Unrecht untersagt worden ist, muss insoweit auch das in der angefochtenen Verfügung enthaltene Verbot der Verwendung von Kennzeichen der Klägerin oder ihres Senders aufgehoben werden. Es kann in dieser Hinsicht nicht auf § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG gestützt werden.

17

2. Demgegenüber hat die Klage gegen die Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juni 2008 in der Sache keinen Erfolg, soweit der Klägerin damit Betätigungen verboten werden, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland von ihrem Fernsehsender ausgehen oder dort zu dessen Gunsten vorgenommen werden (a)). Gleiches gilt für die Erstreckung des Kennzeichenverbots auf diese Tätigkeiten (b)) und die weiter angeordnete Beschlagnahme und Einziehung des im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandenen Vermögens der Klägerin und ihres Senders (c)).

18

a) Das mit der angefochtenen Verfügung gegenüber der Klägerin ausgesprochene Betätigungsverbot soll zwar nach seinem objektiven Erklärungsgehalt in erster Linie die Ausstrahlung und Verbreitung von Fernsehsendungen unterbinden, die der Sender der Klägerin von Dänemark aus nach bzw. in Deutschland vornimmt. Das Verbot greift jedoch darüber hinaus und erfasst auch Betätigungen in Deutschland, die auf den Sender der Klägerin bezogen sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Tätigkeiten für sich genommen den Verbotsgrund des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 3 GG verwirklichen, da dieser - wie dargelegt - bereits durch die von Dänemark aus betriebene Sendetätigkeit des Senders der Klägerin erfüllt wird und insoweit lediglich auf Grund Unionsrechts nicht anwendbar ist.

19

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat als in Betracht kommende inländische Betätigungen die Produktion von Sendungen, die Organisation von Veranstaltungen, bei denen Sendungen des Senders der Klägerin in einem öffentlichen Rahmen gezeigt werden, sowie allgemein im deutschen Hoheitsgebiet stattfindende Unterstützungsaktivitäten benannt. Der Gerichtshof hat angemerkt, das Verbot derartiger Tätigkeiten stelle - vorbehaltlich einer Überprüfung seiner konkreten Wirkungen durch den Senat - grundsätzlich kein Hindernis für die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Fernsehsendungen dar und werde deshalb durch Art. 22a der Fernseh-Richtlinie nicht ausgeschlossen. Der Senat sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Inlandsbezug des gegenüber der Klägerin erlassenen Betätigungsverbots zu einem solchen Weiterverbreitungshindernis führt. Soweit die Beteiligten einschlägige inländische Betätigungen namhaft gemacht haben, hat sie der Senat in den Gründen seines Beschlusses vom 24. Februar 2010 (a.a.O. Rn. 38 ff.) im Rahmen der Prüfung des Verbotsgrunds des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG nicht für hinreichend gewichtig erachtet, den Charakter der Klägerin als strafgesetzwidrig zu prägen. In Entsprechung dazu kann das Verbot dieser Betätigungen keine Wirkungen entfalten, die im Hinblick auf die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne der von dem Sender der Klägerin von Dänemark aus ausgestrahlten Fernsehsendungen in beachtlicher Weise ins Gewicht fallen.

20

b) Für die auf den Sender der Klägerin bezogenen inländischen Betätigungen findet das in der angefochtenen Verfügung ausgesprochene Verbot der Verwendung von Kennzeichen der Klägerin oder ihres Senders seine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG. Es knüpft mit seinen tatbestandlichen Voraussetzungen an das insoweit zu Recht verhängte Betätigungsverbot an.

21

c) Gleiches gilt für die weiterhin angeordnete Beschlagnahme und Einziehung des im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandenen Vermögens der Klägerin und ihres Senders. Diese Maßnahmen hat das Bundesministerium des Innern zu Recht auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 11 VereinsG gestützt.

22

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Klägerin ist mit ihrem Klagebegehren nur zu einem geringen Teil unterlegen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30 000 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).

Neumann

Büge

Dr. Graulich

Dr. Möller

Hahn

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