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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 22.01.2014, Az.: BVerwG 9 B 59.13
Klärungsbedürftigkeit bzgl. Wertermittlung von Grundstücken bei einem durchgeführten Bodenordnungsverfahren
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.01.2014
Referenz: JurionRS 2014, 11176
Aktenzeichen: BVerwG 9 B 59.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Sachsen-Anhalt - 20.06.2013 - AZ: OVG 8 K 12/11

BVerwG, 22.01.2014 - BVerwG 9 B 59.13

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Januar 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 90 509,40 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

3

a) Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich nicht aus der von der Beschwerde behaupteten uneinheitlichen Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts - Urteil vom 24. Juli 2008 - 7 F 865/07 -, des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts - Urteil vom 27. Juli 2006 - 7 D 27/04.F. - sowie des hier angegriffenen Urteils des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt. Zwar kann bei einer uneinheitlichen Rechtsprechung verschiedener Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Betracht kommen. Jedoch besteht der behauptete Widerspruch der Entscheidungen nicht. Denn sie gehen unter Hinweis auf das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2003 (BVerwG 9 C 5.02 - BVerwGE 118, 91) für die Wertermittlung von Grundstücken in einem nach § 64 LwAnpG durchgeführten Bodenordnungsverfahren von übereinstimmenden Maßstäben aus. Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde in Bezug auf das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts eine besondere "Vorgehensweise in zwei Schritten" behauptet, bei der zunächst sämtliche wertbeeinflussenden Faktoren des zu bewertenden Grundstücks als Ausgangswert zu ermitteln seien, bevor dann in einem zweiten Schritt eine wertgleiche Abfindung erfolgen könne (vgl. Beschwerdebegründung S. 2 f.), übersieht sie, dass dieses Vorgehen schon in § 27 FlurbG sowie in § 3 Abs. 2 WertV, die auch im vorliegenden Fall noch für die Wertermittlung im Jahre 2008 anwendbar war (vgl. UA S. 9 Mitte), angelegt ist.

4

Die im Einzelnen aufgeworfenen Fragen, "ob und inwieweit

1. vorhandene Bodenrichtwerte, die nicht das zu bewertende Grundstück selbst betreffen, aber in unmittelbarer Nähe desselben vorhanden sind, zur Bewertung herangezogen werden können,

2. Bodenrichtwerte bzw. Werte anderer, in der Nähe liegender Grundstücke (insbesondere Ortsteilen) zur Bewertung herangezogen werden können, auch wenn diese von der Struktur her (hier: Stadt - dort Dorf) oder von der Lage her (hier: Bundesstraße - dort: Landstraße) nicht vergleichbar sind,

3. welche allgemeinen Grundsätze überhaupt gelten bzw. heranzuziehen sind, was die Ermittlung eines "Ausgangswertes" des zu bewertenden Grundstückes anbelangt sowie die sich daraus ableitende Ermittlung geeigneter Bodenrichtwerte oder Vergleichsgrundstücke, die für die Abfindungsbemessung zugrunde zu legen sind und

4. inwieweit die Vorgehensweise in zwei Schritten (vgl. OVG Thüringen) und das vordergründige Abstellen auf Nutzung und Lage die richtige Herangehensweise für die sachgerechte Abfindungsermittlung des weichenden Bodeneigentümers darstellen",

bedürfen keiner grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift, zu der eine höchstrichterliche Entscheidung bislang noch nicht ergangen ist, ist allein deshalb von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache vielmehr nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind. Die Frage der Wertermittlung von Grundstücken in einem nach § 64 LwAnpG durchgeführten Bodenordnungsverfahren ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, soweit sie einer allgemeinen Beantwortung zugänglich ist, bereits geklärt (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2003 - BVerwG 9 B 58.03 - [...] unter Hinweis auf das Urteil vom 26. März 2003 - BVerwG 9 C 5.02 - a.a.O.). Danach ist - wie es das Oberverwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend darstellt (vgl. UA S. 8 Mitte) - eine Wertermittlung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung grundsätzlich nach § 19 Abs. 5 SachenRBerG auf der Grundlage von Bodenrichtwerten (vgl. § 196 BauGB) durchzuführen; dieses Vorgehen verdient regelmäßig gegenüber einer "konkreten" Wertermittlung den Vorzug. Ist eine Wertermittlung auf der Grundlage von Bodenrichtwerten nicht möglich, so kommt in der Regel das - auf erzielte Kaufpreise abstellende - Vergleichswertverfahren zur Anwendung. Weitere Einzelheiten zur Wertermittlung enthält die bereits erwähnte Wertermittlungsverordnung bzw. die am 1. Juli 2010 in Kraft getretene, die Wertermittlungsverordnung ablösende Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19. Mai 2010 (BGBl I S. 639).

5

Neue Gesichtspunkte, aus denen in dem erstrebten Revisionsverfahren über die bisherige Rechtsprechung hinaus zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten (vgl. hierzu Beschluss vom 25. November 1992 - BVerwG 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 m.w.N.), legt die Beschwerde nicht dar. Der Sache nach hält die Klägerin die konkrete Wertermittlung im Wesentlichen deshalb für verfehlt, weil aus ihrer Sicht im Rahmen des Vergleichswertverfahrens nach § 13 Abs. 2 WertV ein nicht geeigneter Bodenrichtwert herangezogen wurde, nämlich derjenige für ein Gewerbe- und Industriegebiet aus dem Ortsteil R... der Stadt F..., statt des von der Klägerin favorisierten Bodenrichtwerts für das Gewerbegebiet der Stadt H..., und zudem die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich unzutreffend erfolgte. Hinsichtlich beider Aspekte werden keine klärungsfähigen und -bedürftigen Rechtsfragen formuliert, die über den konkreten Einzelfall hinausreichen.

6

2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). In dem vorgenannten Sinne dargelegt bzw. bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) ist ein Verfahrensmangel nur dann, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan ist (stRspr; s. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier.

7

a) Der behauptete Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz durch die Nichteinholung eines neuen Wertermittlungsgutachtens (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat mit nachvollziehbaren Erwägungen erläutert, warum es dem Wertermittlungsgutachten des Beklagten folgt und warum es dasjenige des Gutachters K... im Verfahren vor dem Landgericht Magdeburg (9 O 2360/07) für methodisch zweifelhaft und in der Sache nicht für übertragbar hält (UA S. 9 ff.). Für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bestand damit aus der maßgeblichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts kein Anlass, zumal die Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls auch in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Antrag gestellt hat.

8

b) Ein Verfahrensfehler ist dem Oberverwaltungsgericht entgegen dem Vorbringen der Beschwerde auch nicht dadurch unterlaufen, dass es seine Entscheidung auf zuvor nicht erörterte rechtliche Gesichtspunkte gestützt und damit dem Rechtsstreit unter Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) eine Wendung gegeben hätte, mit der die Klägerin nicht zu rechnen brauchte. Die Klägerin begründet ihre Annahme eines Verfahrensfehlers damit, dass das Gericht trotz ihrer bereits im Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 geäußerten Bitte um einen richterlichen Hinweis sie erstmals in der mündlichen Verhandlung mit seiner Rechtsauffassung konfrontiert habe; angesichts der nur 25 Minuten dauernden Verhandlung habe sie hierzu nur "äußerst eingeschränkt" Stellung nehmen können. Erschwerend komme hinzu, dass zuvor ein Terminsverlegungsantrag abgelehnt worden sei, so dass die angereiste Terminsvertreterin mit der Rechtsauffassung des Gerichts "überrollt" worden sei.

9

Damit wird kein Gehörsverstoß aufgezeigt. Die Entscheidung über die Ablehnung der Terminsverlegung ist mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht zu beanstanden, insbesondere bestand für die Vertreterin eine hinreichend lange Einarbeitungszeit von fast zwei Monaten. Auch unter Berücksichtigung der Ausprägung, die der Grundsatz des rechtlichen Gehörs durch die Hinweis- und Erörterungspflichten nach § 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 VwGO erfährt, ist das Tatsachengericht nicht verpflichtet, die Beteiligten schon vor bzw. in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung (stRspr, vgl. nur Urteil vom 31. Juli 2013 - BVerwG 6 C 9.12 - NVwZ 2013, 1614 Rn. 38 m.w.N.). Insofern liegt auch keine Überraschungsentscheidung vor. Die Klägerin kannte das Wertermittlungsgutachten des Beklagten und wusste, von welchen Annahmen dieses ausging. Es war daher an ihr, dieses Gutachten zu erschüttern und etwa auf die nun mit der Beschwerde vorgetragenen Aspekte (vgl. Beschwerdebegründung S. 9 f.) hinzuweisen.

10

Soweit die Klägerin rügt, das Oberverwaltungsgericht lasse unbeachtet, dass die Klägerin die Vermessung der betroffenen Flächen beanstandet und abweichende Werte benannt habe, trifft diese Kritik ersichtlich nicht zu. Das Urteil geht auf die genannte Kritik ausdrücklich ein (vgl. UA S. 8 oben), hält das Vorbringen aber für unsubstantiiert und weist im Übrigen auf die fehlende Entscheidungserheblichkeit hin.

11

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dr. Bier

Buchberger

Dr. Bick

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