Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 16.01.2014, Az.: BVerwG 10 B 1.14, 10 PKH 1.14
Rücknahme der Einbürgerung bei Verschweigen einer Doppelehe als arglistige Täuschung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.01.2014
Referenz: JurionRS 2014, 10499
Aktenzeichen: BVerwG 10 B 1.14, 10 PKH 1.14
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 30.01.2013 - AZ: VGH 5 BV 12.2314

BVerwG, 16.01.2014 - BVerwG 10 B 1.14, 10 PKH 1.14

Redaktioneller Leitsatz:

Rechtsfragen kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn über sie in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt entschieden werden müsste.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Januar 2014
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt ... ..., ..., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

1. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehend ausgeführten Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2

2. Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Beschwerde ist, soweit sie nicht bereits die Darlegungsanforderungen verfehlt, unbegründet. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass die Beschwerde eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung bezeichnet und des weiteren begründet, warum diese Rechtsfrage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht hinsichtlich aller von ihr aufgeworfenen Fragen.

3

Die Beschwerde leitet die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus ab, dass die folgenden Fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht geklärt seien:

"Die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Rücknahme der Einbürgerung des Klägers hängt zum einen davon ab, ob das Verschweigen einer Doppelehe die Rücknahme einer Anspruchseinbürgerung rechtfertigt, weil es eine arglistige Täuschung im Sinne des § 48 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VwVfG darstellt. Weiter hängt sie davon ab, ob die einem mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Bigamisten erteilten Aufenthaltstitel rechtswidrig sind. Und schließlich hängt sie davon ab, ob nach Ablauf der Frist des § 35 Abs. 3 StAG noch Ermessensfehler durch das Nachschieben von Ermessenserwägungen geheilt werden können."

4

2.1 Die Fragen, ob das Verschweigen einer Doppelehe eine arglistige Täuschung im Sinne des § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG darstellt und daher die Rücknahme der erteilten Aufenthaltstitel sowie der Einbürgerung rechtfertigt und ob die einem mit einem deutschen Staatsangehörigen verheirateten Bigamisten erteilten Aufenthaltstitel rechtswidrig sind, ermöglichen die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil sie für die hier streitgegenständliche Rücknahme der Einbürgerung nicht erheblich sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Einbürgerung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Voraussetzung des seit acht Jahren bestehenden rechtmäßigen Aufenthalts nach § 85 Abs. 1 Satz 1 AuslG a.F. gefehlt habe. Denn die dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel seien mittlerweile bestandskräftig mit Rückwirkung entzogen worden. Daher sei auch für das Einbürgerungsverfahren bindend davon auszugehen, dass entsprechende Aufenthaltstitel weder erteilt noch verlängert worden seien. Mit dieser Begründung des Berufungsgerichts, das davon ausgeht, in der hier vorliegenden Fallkonstellation sei keine Inzidentprüfung der aufenthaltsrechtlichen Befugnis zur Rücknahme der Aufenthaltstitel vorzunehmen, setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

5

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass der Kläger seine 1984 in Pakistan eingegangene Ehe nie aufgelöst hat. Daher sei die spätere deutsche Ehe bigamisch erfolgt und habe zu rechtswidrigen Aufenthaltstiteln geführt. Die dieser rechtlichen Schlussfolgerung zugrunde liegende tatrichterliche Würdigung, die in Pakistan geschlossene Ehe habe fortbestanden, hat die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, so dass der Senat daran in dem erstrebten Revisionsverfahren gebunden wäre (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die Ausführungen des Klägers, er habe seine "frühere Ehe" mangels Entscheidungserheblichkeit für die Einbürgerung nach § 85 AuslG (a.F.) bei seinem Einbürgerungsantrag nicht angeben müssen und die Aufenthaltstitel seien rechtmäßig erteilt worden, vernachlässigt die Bindung des Revisionsgerichts an die nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Die Vorinstanz hat zudem aufgrund ihrer eingehenden, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Beweiswürdigung festgestellt, dass der Kläger seine von Anfang an rechtswidrige Einbürgerung subjektiv mit Täuschungsabsicht und damit durch eine bewusste Täuschung erwirkt habe. Mit ihrer davon abweichenden tatsächlichen Einschätzung vermag die Beschwerde die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu erreichen. Gegen den rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts, Täuschungshandlungen gegenüber der Ausländerbehörde müssten jedenfalls dann für die Einbürgerung nicht folgenlos bleiben, wenn die Ausländerbehörde die Aufenthaltstitel mit Rückwirkung zurücknehme und sich die Täuschungshandlung durch das Unterlassen derselben notwendigen Angaben wie vor der Ausländerbehörde im Einbürgerungsverfahren fortsetze, so dass die Täuschungshandlung auch für die Rechtswidrigkeit der Einbürgerung kausal sei (UA Rn. 29), macht die Beschwerde keine beachtlichen Zulassungsgründe geltend.

6

2.2 Die Frage, ob Ermessensfehler nach Ablauf der Frist des § 35 Abs. 3 StAG noch durch ein Nachschieben von Ermessenserwägungen geheilt werden können, hat sich für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich gestellt. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat die mit Bescheid vom 22. August 2008 verfügte Rücknahme der Einbürgerung im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 3. Juni 2003 - BVerwG 1 C 19.02 -BVerwGE 118, 216 <218 ff.> = Buchholz 11 Art. 16 GG Nr. 73 S. 2 ff. und vom 9. September 2003 - BVerwG 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <19> = Buchholz 11 Art. 16 GG Nr. 74 S. 9) noch unmittelbar am Maßstab des Art. 48 BayVwVfG gemessen. Daher hat er sich zu der Frist des § 35 Abs. 3 StAG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 158) nicht unmittelbar verhalten. Die Vorinstanz hat - die Entscheidung tragend - einen Ermessensfehler bereits im Bescheid selbst verneint. Die dieser Würdigung entgegengesetzte Annahme der Beschwerde, die Rücknahmeentscheidung des Beklagten sei wegen eines Ermessensdefizits zu der eintretenden Staatenlosigkeit des Klägers fehlerhaft gewesen, weist weder auf eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung noch auf einen Verfahrensfehler. Da das Berufungsgericht lediglich ergänzend und nicht - wie erforderlich - in tragender Weise (UA Rn. 33: "Unabhängig davon ...") darauf abgestellt hat, dass der Beklagte im Berufungsverfahren seine Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt habe und der nunmehr geltenden Vorschrift des § 35 Abs. 3 StAG kein dahingehendes Verbot zu entnehmen sei, erweist sich die aufgeworfene Grundsatzfrage für das Berufungsurteil nicht als entscheidungserheblich.

7

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. 42.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand Juli 2004, abgedruckt in NVwZ 2004, 1327; durch die Neufassung 2013 insoweit unverändert).

Prof. Dr. Berlit

Prof. Dr. Kraft

Fricke

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.