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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 13.12.2011, Az.: BVerwG 1 WB 8.11
Anforderung einer Sonderbeurteilung eines Berufssoldaten vom Personalamt der Bundeswehr zur Dokumentation seiner Bewährung als Kommandeur
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 32548
Aktenzeichen: BVerwG 1 WB 8.11
ECLI: [keine Angabe]

Rechtsgrundlagen:

§ 2 Abs. 1 S. 1 SLV

Nr. 407 Buchst. d ZDv 20/6

BVerwG, 13.12.2011 - BVerwG 1 WB 8.11

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Weist ein militärischer Vorgesetzter einen Untergebenen auf Mängel bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben hin, bewegt sich der Vorgesetzte im Rahmen seiner Führungsaufgaben. Ein solches Verhalten des Vorgesetzten begründet nicht den Vorwurf der Befangenheit.

2.

Es gehört zu den Führungsaufgaben eines Disziplinarvorgesetzten, personelle Veränderungen anzuregen, um negativen Auswirkungen nicht genügender dienstlicher Leistungen vorzubeugen.

3.

Eine Verletzung der Verfahrensbestimmungen in Nr. 507 und 508 ZDv 20/6 kann für sich gesehen nicht zu einer Aufhebung einer Beurteilung führen, weil dieser Verfahrensfehler einer Heilung nicht zugänglich ist.

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
...
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß,
den ehrenamtlichen Richter Oberst i.G. Baehr und
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Hüsch
am 13. Dezember 2011
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine Sonderbeurteilung, die zur Dokumentation seiner Bewährung als Kommandeur des F.bataillons ... in E. vom Personalamt der Bundeswehr angefordert worden ist.

2

Der 1964 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit wird voraussichtlich mit Ablauf des ... 2025 enden. Am ... 2003 erfolgte seine Ernennung zum Oberstleutnant. Zum ... 2006 wurde er auf den Dienstposten des Kommandeurs des F.bataillons ... in E. versetzt. Infolge disziplinarer Ermittlungen war er vom ... 2008 bis zum ... 2009 - mit Unterbrechungen zur Inübunghaltung im Fallschirmspringen - zur Dienstleistung zum ...kommando ... in E. kommandiert. Seit dem ... 2009 wird er aufgrund der Versetzungsverfügung des Personalamts der Bundeswehr vom 18. November 2008 auf dem Dienstposten eines IT-Stabsoffiziers und Referenten beim .../Bundesamt für ... der Bundeswehr in K. verwendet. Das Landratsamt A. bescheinigte dem Antragsteller am 9. September 2008 einen Grad der Behinderung von 90.

3

Mit Schreiben vom 26. November 2008 beantragte der Kommandeur des ...regiments ... beim Personalamt die Ablösung des Antragstellers vom Dienstposten des Bataillonskommandeurs. Er führte zur Begründung aus, der Antragsteller sei für diesen Dienstposten nicht mehr geeignet; zunehmende Vertrauensverluste und Störungen belasteten den Dienstbetrieb unannehmbar. Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 teilte das Personalamt dem Befehlshaber des ...kommandos ... mit, dass der Versetzungsvorschlag unzulässig sei, weil die Versetzung des Antragstellers auf den gegenwärtig von ihm innegehabten Dienstposten bereits am 18. November 2008 verfügt worden sei.

4

Mit E-Mail-Schreiben vom 21. November 2008 forderte das Personalamt beim ...kommando ... die Vorlage einer Sonderbeurteilung für den Antragsteller an. Zur Begründung legte es dar, dass der Antragsteller zuletzt zum 30. September 2007 planmäßig beurteilt worden sei. Um die Bewährung in der herausgehobenen Verwendung eines Bataillonskommandeurs hinreichend zu dokumentieren, sei aus Sicht der personalbearbeitenden Stelle die Vorlage einer Sonderbeurteilung erforderlich. Diese Sonderbeurteilung ersetze nicht die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2009 und sei deshalb nicht im Rahmen der Vergleichsgruppe des Offiziers zu berücksichtigen. Gleichwohl werde um Anlegen eines entsprechenden Maßstabes gebeten.

5

Daraufhin fertigte der Kommandeur des ...regiments ... (Oberst K.), dem der Antragsteller als Bataillonskommandeur vom 28. Mai 2008 bis zum 18. August 2008 unterstellt war, unter dem 28. November 2008 einen Beurteilungsbeitrag an, der dem Antragsteller am 15. Dezember 2008 eröffnet und in Kopie ausgehändigt wurde. Darin bescheinigte er dem Antragsteller in Abschnitt 3 "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" einen Durchschnittswert von 5,5. In der zusammenfassenden Beschreibung der Persönlichkeit (Abschnitt 4.2) führte Oberst K. aus:

"OTL ... ist seit 20. November 2006 in der Funktion des Bataillonskommandeurs. Er stellt sich dieser Aufgabe mit großer Tatkraft, hohem persönlichen Engagement und klaren Zielvorstellungen. Dabei setzt er seine Vorstellungen von den fachlichen und militärischen Fähigkeiten seiner unterstellten Soldaten konsequent und ohne Kompromisse durch.

In seinem Bemühen um eine konsequente Zusammenarbeit mit dem ...regiment ... lässt er es jedoch zuweilen an einem angemessenen Kommunikations- und Informationsverhalten fehlen. Insbesondere versäumt er es gelegentlich, wichtige, aber für ihn ungünstige Sachverhalte zu melden. Dies führt bei seinen vorgesetzten Dienststellen zu einem unvollständigen Lagebild.

Auch in seinem Führungsverhalten lässt er zuweilen die konsequente Anwendung der Grundsätze der Inneren Führung vermissen. Der Befehlshaber im Wehrbereich III hat ihm aus diesem Grunde schriftlich eine mangelnde Sensibilität bescheinigt und die Teilnahme an einem Lehrgang 'Innere Führung mit BtlKdr/Kdt' angeordnet. Bei den wenigen Gelegenheiten des persönlichen Umgangs mit ihm wurde mir zudem deutlich, dass es ihm bei der Führung des unterstellten Personals an der für einen Kommandeur erforderlichen Fähigkeit fehlt, zu integrieren und unterschiedliche Interessen auszugleichen. Vielmehr neigt er sehr deutlich dazu, zu polarisieren und Gräben zu vertiefen. Sein Umgangston ist bisweilen schroff und abweisend.

Die Ausbildung gestaltet OTL ... anspruchsvoll, interessant und erlebnisorientiert. Bei Planung und Durchführung der Ausbildung lässt er jedoch gelegentlich das Augenmaß für die dienstlichen Erfordernisse vermissen.

Ich komme auch nach nur kurzer Zusammenarbeit zu dem Ergebnis, dass sich OTL ... in seiner Funktion als Bataillonskommandeur nicht bewährt hat. Die im Beurteilungsbeitrag meines Vorgängers vergebenen Wertungen zu den Einzelmerkmalen trage ich daher nicht mit."

6

Mit Verfügung vom 22. Dezember 2008 leitete der Befehlshaber des ...kommandos ... ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein. Gegenstand dieses Verfahrens war u.a. der Vorwurf einer unwürdigen und körperverletzenden Behandlung von Untergebenen.

7

Aufgrund der Beurteilungsbeiträge des Kommandeurs des ...regiments ... vom 28. November 2008 und seines Vorgängers (Oberst A.) vom 10. April 2008 fertigte der Chef des Stabes des ...kommandos ... (Oberst i.G. Kr.) - nach vorangegangener Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung beim Streitkräfteunterstützungskommando - unter dem 12. März 2009 die angeforderte Sonderbeurteilung, die dem Antragsteller am 25. März 2009 eröffnet wurde. Oberst i.G. Kr. stellte in Abschnitt 3 "Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten" einen Durchschnittswert von 6,0 fest. In Abschnitt 3.3 der Beurteilung führte er im Rahmen der Hinweise zur Leistungsentwicklung Folgendes aus:

"Oberstleutnant ... stellt sich der Aufgabe Bataillonskommandeur mit nie erlahmender Tatkraft, äußerst hohem, persönlichem Einsatz und unermüdlichem Engagement. Seine Leistungsbilanz muss jedoch über den Beurteilungszeitraum differenziert betrachtet werden.

Einerseits setzt er seine Entschlüsse auf der Grundlage sachlicher, regelmäßiger Lagebeurteilungen in klare und auf hohem Niveau stehende Zielvorgaben für sein Bataillon um und vermochte es, als besonders fordernder Führer Teile seines unterstellten Bereiches bedingungslos an sich zu binden und hochmotiviert zu teilweise brillanten Leistungen und Arbeitsergebnissen zu führen. Seine in jeder Hinsicht anspruchsvolle, an Grenzen führende Ausbildung war abwechslungsreich und erlebnisorientiert. In der Stabsarbeit zeigte er sich versiert und überzeugend, im schriftlichen und mündlichen Vortrag umfassend und prägnant. Hervorzuheben sind sein persönlicher Einsatz und stetes Kümmern für und um die förderliche Ausbildung seines Offiziernachwuchses und in der Weiterbildung des ihm unmittelbar unterstellten Führungspersonals.

Andererseits ist es ihm nicht gelungen, den anderen, leistungsschwächeren Teil seines unterstellten Bereiches in das Team der Leistungsträger zu integrieren und auch diesem Teil Erfolgserlebnisse zu vermitteln und sie vor Ausgrenzung und vor Gruppenzwang zu bewahren. Dieses Verhalten schmälert im Vergleich zu seiner sonstigen Aufgabenerfüllung seine Leistungsbilanz hinsichtlich der Zielerreichung, seines Führungsverhaltens und der Zusammenarbeit. In diesen Einzelmerkmalen wurden die Leistungserwartungen insgesamt erfüllt, teilweise übertroffen.

Seine Schwerbehinderung mit einem für den Beurteilungszeitraum mit Ausweis vom 9. September 2008 dokumentierten Grad der Behinderung von 90 hat sich weder quantitativ noch qualitativ erkennbar leistungsmindernd in der Wahrnehmung seiner dienstpostenspezifischen Tätigkeiten ausgewirkt."

8

In Abschnitt 4.2 in der zusammenfassenden Beschreibung der Persönlichkeit und den Hinweisen zur Persönlichkeitsentwicklung erklärte Oberst i.G. Kr. außerdem:

"Oberstleutnant ... ist eine gereifte Persönlichkeit mit preußisch geprägtem Auftreten und sportlichem, durchtrainiertem Erscheinungsbild. Sein berufliches und soldatisches Selbstverständnis ist besonders ausgeprägt, mit großer Freude und großem Engagement stellt er sich ohne Vorbehalt allen Herausforderungen. Intelligent, flexibel, sach- und fachkundig meistert er sein erhebliches Arbeitspensum. In der Verfolgung gesteckter Ziele ist er konsequent, unnachgiebig und wirkt dabei zuweilen verbissen. Dieser als extrem ehrgeizig, aber nur wenig selbstkritisch zu bezeichnende Stabsoffizier unterwirft sich selbst schonungslos allen Anforderungen mit dem Anspruch, als erster Mann des Bataillons allen etwas vormachen, ja sich selbst etwas beweisen zu müssen. Ab dem letzten Quartal 2007 wurde zunehmend erkennbar, dass er die Anforderungshöhe an seine Untergebenen mehr an seinen eigenen überhöhten Maßstäben definiert und weniger an dem charakteristischen Anforderungsprofil für sein Bataillon. Oberstleutnant ... schätzt spektakuläre physische Herausforderungen wie z.B. einen Zugspitzmarsch und schont bei Belastungen weder sich noch seine Gesundheit. So hat er trotz des Grades seiner Schwerbehinderung noch im Dezember 2008 seine letzten Fallschirmsprünge zum Erhalt seines Sprungscheines absolviert.

Oberstleutnant ... sollte entsprechend seiner Eignung und Befähigung zunächst und auf weitere Sicht als Dezernent eingesetzt werden."

9

Mit Schreiben vom 15. April 2009 legte der Antragsteller gegen die Sonderbeurteilung Beschwerde ein, die er im Wesentlichen damit begründete, dass nicht unerhebliche Zweifel an der Unbefangenheit des beurteilenden Vorgesetzten und des Verfassers des Beurteilungsbeitrags bestünden. Der Zeitraum der jeweiligen Unterstellung sei zu kurz gewesen, um derart negative Erkenntnisse entstehen zu lassen, die die dargestellten Bewertungen und die daraus resultierende Abweichung des Durchschnittswerts der Aufgabenerfüllung um 1,7 nach unten sowie die Herabsetzung der Förderprognose von Besoldungsgruppe A 16 auf Besoldungsgruppe A 13/A 14 im Vergleich zur letzten planmäßigen Beurteilung vom 5. Juli 2007 belastbar begründen könnten. Eine derartig drastische Herabsetzung sei undenkbar. Er könne sich dies nur mit der Befangenheit der beurteilenden Personen erklären. Der "Fall ..." habe in E. und Umgebung für erhebliche Unruhe gesorgt. Zum Zeitpunkt der Sonderbeurteilung sei bereits so umfangreich ermittelt worden, dass eine unbefangene Beurteilung nicht mehr möglich gewesen sei. Überdies habe man versäumt, mit ihm Zwischengespräche nach Nr. 507 und 508 ZDv 20/6 zu führen. Im Beurteilungszeitraum sei er kein einziges Mal darauf hingewiesen worden, dass sich seine Leistungen dramatisch verschlechtert hätten. Die Sonderbeurteilung weise im Übrigen im Verhältnis zu der Beurteilung vom 5. Juli 2007 ein widerspruchsvolles Bild auf. Noch in einer E-Mail vom 17. September 2008 habe ihm Oberst K. ein hervorragendes Leistungsbild als Kommandeur bestätigt. Die Sonderbeurteilung sei auch viel zu streng ausgefallen und stelle kein zutreffendes Bild über ihn selbst dar. Die offensichtlich aus seinem Fehlverhalten im April 2008 gezogenen Rückschlüsse seien nach Nr. 407 ZDv 20/6 mit einem Verwertungsverbot belegt. In den Formulierungen der Abschnitte 3 und 4 der Sonderbeurteilung liege darüber hinaus eine Abwertung allein aufgrund seiner Schwerbehinderung.

10

Der Befehlshaber des ...kommandos ... nahm unter dem 2. Juli 2009 zu der Sonderbeurteilung als nächsthöherer Vorgesetzter Stellung.

11

Die Beschwerde des Antragstellers wies der Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos mit Beschwerdebescheid vom 25. Juni 2010 zurück. Die weitere Beschwerde des Antragstellers vom 23. Juli 2010 wies der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit Beschwerdebescheid vom 16. November 2010 zurück.

12

Gegen diese ihm am 19. November 2010 eröffnete Entscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts beantragt. Den Antrag hat der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis mit seiner Stellungnahme vom 27. Januar 2011 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

13

Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:

Die Befangenheit in der Person des Oberst K. ergebe sich auch daraus, dass dieser unmittelbar vor der Abfassung seines Beurteilungsbeitrages einen Antrag auf Versetzung wegen aufgetretener Spannungen im Dienstbetrieb gestellt habe. Befangen sei außerdem der Verfasser des Beschwerdebescheids vom 25. Juni 2010. Das Unterlassen der erforderlichen Beurteilungsgespräche stelle einen erheblichen Verfahrensfehler dar. Die Sonderbeurteilung stehe inhaltlich in gravierendem Widerspruch zu der vorangegangenen planmäßigen Beurteilung vom 5. Juli 2007, wobei sie auch ohne nähere Erklärung von dem dort formulierten Laufbahnziel A 16/B 3 abgewichen sei. Ein Verstoß gegen Nr. 402 ZDv 20/6 liege darin, dass Oberst K. noch mit einer E-Mail vom 17. September 2008 eine positive Bewertung über ihn, den Antragsteller, als Bataillonskommandeur abgegeben habe.

Schließlich sei die Sonderbeurteilung mit Rücksicht auf die Entscheidung des Senats vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - aufzuheben, weil sie in Anlehnung an die vom Senat beanstandeten Richtwerte erstellt worden sei. Das folge aus dem Anforderungsschreiben des Personalamts, mit dem es auf die Einhaltung "entsprechender Maßstäbe" gedrungen habe.

14

Der Antragsteller beantragt,

die Sonderbeurteilung des Chefs des Stabes des ...kommandos ... vom 12. März 2009, den Beschwerdebescheid des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 25. Juni 2010 sowie den Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 16. November 2010 aufzuheben.

15

Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

16

Er führt aus, die Sonderbeurteilung sei verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und lasse Verstöße gegen Beurteilungsgrundsätze nicht erkennen. Die Ausführungen von Oberst i.G. Kr. in der Sonderbeurteilung und die Darlegungen von Oberst K. im Beurteilungsbeitrag beruhten auf sachlichen Erwägungen und zulässig verwerteten Erkenntnissen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Befangenheit seien bei den beurteilenden Vorgesetzten nicht erfüllt. Zwischen diesen Vorgesetzten und dem Antragsteller bestünde keine private Zerstrittenheit. Der Umstand, dass der Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos über verschiedene Beschwerden des Antragstellers entschieden habe, begründe auch nicht dessen Befangenheit, weil diese dienstlichen Angelegenheiten nicht als "Rechtsstreit" im Sinne der Nr. 305 Buchst. b ZDv 20/6 zu verstehen seien. Außerdem seien die von den genannten Vorgesetzten veranlassten Maßnahmen mit ihren jeweiligen damaligen Führungsaufgaben verbunden gewesen. Eine rechtlich relevante Befangenheit lasse sich daraus nicht ableiten. Die Verschlechterung der Sonderbeurteilung im Verhältnis zu früheren Beurteilungen indiziere nicht eine Befangenheit des Beurteilenden. Die Unterlassung von Beurteilungsgesprächen stelle keine Rechtsverletzung zulasten des Antragstellers dar. Eine gesetzliche Verpflichtung, ein Beurteilungsgespräch zu führen, bestehe nicht. Deshalb sei in Nr. 508 Buchst. e ZDv 20/6 festgelegt, dass ein unterbliebenes Beurteilungsgespräch nicht zur Aufhebung der Beurteilung führe. Im Übrigen sei die Sonderbeurteilung in sich widerspruchsfrei. Abweichungen zu einer vorangegangenen planmäßigen Beurteilung würden vom Schutzbereich der Nr. 401 ZDv 20/6 nicht erfasst. Die vom Antragsteller zitierte E-Mail des Oberst K. vom 17. September 2008 habe dem Antragsteller nicht ein "hervorragendes Leistungsbild" bestätigt, sondern lediglich Anteilnahme an seiner persönlichen Situation zum Ausdruck gebracht. Die rechtliche Möglichkeit, die Sonderbeurteilung erstellen zu lassen, werde von der Entscheidung des Senats vom 26. Mai 2009 nicht berührt. Mit Erlass vom 10. Juni 2009 habe das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ I 1 - festgelegt, dass lediglich planmäßige Beurteilungen auf der Basis der damaligen Fassung der ZDv 20/6 nicht mehr im Entwurf auszuhändigen, nicht abzuschließen und nicht zu eröffnen seien. Alle anderen Beurteilungsarten seien von der Entscheidung des Senats hingegen nicht betroffen. Soweit das Personalamt in der Anforderung der Sonderbeurteilung auf die Anlegung eines "entsprechenden Maßstabes" hingewirkt habe, resultiere dies aus der Selbstverständlichkeit, dass aussagekräftige Feststellungen zum Leistungsbild des Antragstellers auch nur im Vergleich zu anderen Offizieren seiner Vergleichsgruppe möglich seien. Es liege aber in der Natur von Sonderbeurteilungen, dass diese als einzelne, nicht zu einem allgemeinen Vorlagetermin zu fertigende Beurteilungen in Ermangelung ausreichend großer Fallzahlen nicht "unter Anwendung des Richtwertesystems" erstellt werden könnten.

17

Die 7. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat den Antragsteller wegen eines Dienstvergehens mit rechtskräftigem Urteil vom 29. September 2009

(Az.: S 7 VL 09/09) zu einer Kürzung der jeweiligen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von zehn Monaten verurteilt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakten des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis - Az.: Fü S/RB 25-05-11/23.10 und 32.10 - sowie dessen gesonderte Akten betreffend die Beschwerde des Antragstellers gegen die Sonderbeurteilung vom 12. März 2009 (2 Bände) und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A - D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

19

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

20

1. Zwar ist der Sachantrag zulässig.

21

Dienstliche Beurteilungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 201 ZDv 20/6, die von einem militärischen Vorgesetzten erstellt worden sind (zu dieser Voraussetzung vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4), stellen nach ständiger Rechtsprechung des Senats truppendienstliche Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 WBO dar, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können. Zwar sind Aussagen und Wertungen in Beurteilungen zur Persönlichkeit, Eignung, Befähigung und Leistung der Beurteilten grundsätzlich nicht anfechtbar (ebenso: Nr. 1101 Satz 1 ZDv 20/6). Derartige Aussagen und Wertungen sind als höchstpersönliche Werturteile einer inhaltlichen gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Ein Soldat kann jedoch eine Beurteilung mit der Begründung anfechten, sie verstoße gegen Rechte, die ihm in Bezug auf die Erstellung von Beurteilungen eingeräumt sind (stRspr, vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - BVerwGE 134, 59 Rn. 27 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14> und zuletzt vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 51.10 - Rn. 19; zur Veröffentlichung in BVerwGE und in Buchholz vorgesehen). Dementsprechend erklärt Nr. 1101 Satz 2 ZDv 20/6 Beschwerden gegen Beurteilungen als nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Klarstellend weist Nr. 1102 ZDv 20/6 darauf hin, dass sich Soldatinnen und Soldaten beschweren können, wenn sie glauben, dass bei der Erstellung der Beurteilung solche Rechte verletzt worden sind, die ihnen als Garantie für eine sachgerechte Beurteilung nach der Rechtsordnung eingeräumt sind. Hiernach ist eine Beschwerde unter anderem dann statthaft, wenn der Beurteilte einen Verstoß gegen die Beurteilungsgrundsätze nach Nr. 401 bis 409 ZDv 20/6 geltend macht. Das ist hier durch den Antragsteller geschehen.

22

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.

23

Die Sonderbeurteilung vom 12. März 2009 und die deren Rechtmäßigkeit be-stätigenden Beschwerdebescheide des Befehlshabers des Streitkräfteunterstützungskommandos vom 25. Juni 2010 sowie des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 16. November 2010 sind rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

24

Dienstliche Beurteilungen sind in der Sache gerichtlich nur beschränkt nachprüfbar. Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob der beurteilende Vorgesetzte den anzuwendenden Begriff der Beurteilung oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn das Bundesministerium der Verteidigung auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 Satz 2 SLV Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, kann das Gericht bei gegebenem Anlass im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ferner prüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind und mit den gesetzlichen Regelungen, speziell mit denen der Soldatenlaufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und mit sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang stehen (Beschlüsse vom 6. März 2001 - BVerwG 1 WB 117.00 - BVerwGE 114, 80 = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 15, vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 23.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7> und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV Nr. 10> jeweils m.w.N.).

25

Die angefochtene Sonderbeurteilung hält diese Maßgaben ein und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

26

a) Die Sonderbeurteilung weist keine Formfehler oder Verstöße gegen das Beurteilungsverfahren auf.

27

aa) Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte vor, die in der Person des Oberst K. oder des Oberst i.G. Kr. den Vorwurf der Befangenheit als begründet erscheinen lassen.

28

Nach Nr. 305 Buchst. b ZDv 20/6 sind Anhaltspunkte für Befangenheit anzunehmen, wenn aus der Sicht desjenigen, der den Einwand geltend macht, Gründe vorliegen, ernsthaft an der Unbefangenheit der oder des Beurteilenden zu zweifeln, und dies für einen neutralen Betrachter verständlich und nachvollziehbar ist. Diese Zweifel können sich z.B. ergeben, wenn zwischen Beurteilendem und Soldaten besondere Beziehungen bestehen, die weit über das dienstliche Verhältnis hinausgehen (z.B. Verwandtschaft, Freundschaft, Rechtsstreit, privates Zerwürfnis). Zweifel an der Unbefangenheit eines Beurteilenden gehen dabei nach Nr. 305 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6 nicht schon aus einem Verhalten hervor, das mit den Erziehungs- und Führungsaufgaben dieses Vorgesetzten in Zusammenhang steht (z.B. Hinweise auf Schwächen, Anweisungen zur Abstellung von Mängeln, erzieherische Maßnahmen oder Disziplinarmaßnahmen). Insofern entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass es im Rahmen der Führungsaufgaben eines militärischen Vorgesetzten liegt, den Untergebenen auf Mängel bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben hinzuweisen. Mit einem derartigen Verhalten macht dieser Vorgesetzte sich nicht befangen. Ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten bringen naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich. Entsprechend können weder (allein) eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Soldaten durch den beurteilenden Vorgesetzten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen als solche Anlass dafür geben, eine Voreingenommenheit dieses Vorgesetzten anzunehmen. Denn dadurch wird grundsätzlich noch nicht die Erwartung in Frage gestellt, der Vorgesetzte wolle und könne seine Pflichten einschließlich derjenigen zur sachlichen und gerechten dienstlichen Beurteilung erfüllen (Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 16.97 - BVerwGE 106, 318 = Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 18 und Beschlüsse vom 23. Januar 1991 - BVerwG 1 WB 70.88 - DokBer B 1991, 172, vom 27. November 1996 - BVerwG 1 WB 44.96 - DokBer B 1997, 47, vom 29. April 1999 - BVerwG 1 WB 55.98, 66.98 - Buchholz 236.11 § 1 a SLV Nr. 6 = NZWehrr 1999, 204 = ZBR 1999, 348 [BVerwG 29.04.1999 - BVerwG 1 WB 55.98] und vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 24.05 - Rn. 33 jeweils m.w.N.). Das gilt auch für Maßnahmen und Entscheidungen, die der beurteilende Vorgesetzte in Ausübung seiner funktions- und dienstpostenbezogenen Disziplinarbefugnis trifft.

29

Unter Beachtung dieser Maßgaben stellt der Umstand, dass Oberst K. am 26. November 2008 - noch vor der Abfassung seines Beurteilungsbeitrages - die Ablösung des Antragstellers aus dessen Funktion als Bataillonskommandeur wegen eingetretenen Vertrauensverlusts und aufgetretener Spannungen im Dienstbetrieb beantragt hat, keinen Anhaltspunkt für seine Befangenheit dar. Es liegt im Bereich der Führungsaufgaben eines Disziplinarvorgesetzten, personelle Veränderungen anzuregen, um negativen Auswirkungen nicht genügender dienstlicher Leistungen vorzubeugen. Ebenso ist es seine Aufgabe, die Ordnungsmäßigkeit und möglichst störungsfreie Durchführung des Dienstbetriebes sicherzustellen und insoweit durch Einsatz seiner Disziplinarbefugnis möglichen (weiteren) Konflikten in der täglichen Zusammenarbeit vorzubeugen. Deshalb ist nach gefestigter Rechtsprechung des Senats das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen noch kein Anlass dafür, eine Voreingenommenheit des Disziplinarvorgesetzten anzunehmen, wenn nicht zusätzlich private Zerwürfnisse hinzutreten (Beschluss vom 29. April 1999 a.a.O.). Ein privates Zerwürfnis mit Oberst K. macht der Antragsteller selbst nicht geltend. Dagegen spricht auch die freundliche und fürsorgliche Diktion in der E-Mail, die Oberst K. am 17. September 2008 an den Antragsteller gerichtet hat. Die Tätigkeit des Beurteilenden in einem Ermittlungsverfahren knüpft im Übrigen ebenfalls an seine Funktion und Aufgabe als Disziplinarvorgesetzter an; sie indiziert - für sich allein - keine Gründe für eine fehlende Unvoreingenommenheit des Beurteilenden.

30

Ebenso wenig rechtfertigt die Tatsache, dass sich eine Beurteilung gegenüber einer früheren (planmäßigen) Beurteilung in den Einzelbewertungen deutlich verschlechtert hat, die Annahme der Befangenheit. Schwankungen im Leistungs- und Persönlichkeitsbild, die aus unterschiedlichen Gegebenheiten und deren Bewertung durch die Beurteilenden herrühren, sind erfahrungsgemäß jederzeit möglich; sie geben für sich genommen objektiv keinen Anlass zu der Annahme, eine schlechte(re) Beurteilung müsse notwendigerweise Ausdruck einer Befangenheit des Beurteilenden sein (stRspr, Beschlüsse vom 6. September 1988 - BVerwG 1 WB 141.87 - BVerwGE 86, 59 -, vom 29. April 1999 a.a.O., vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 1 WB 48.99 - und vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 23.05 - Rn. 28 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7>), zumal die unterschiedlichen Bewertungen Erkenntnisse aus verschiedenen Beurteilungszeiträumen betreffen.

31

Die kurze Dauer des Unterstellungsverhältnisses ist entgegen der Annahme des Antragstellers kein Kriterium für eine mögliche Befangenheit des beurteilenden Vorgesetzten. Dieser Vorgesetzte ist auch bei kürzeren Zeiträumen des Unterstellungsverhältnisses berechtigt und verpflichtet, im Rahmen seines persönlichen Werturteils Erkenntnisse über den zu beurteilenden Soldaten aus diesem Zeitraum zu berücksichtigen und zu gewichten, wenn er sie im Sinne der Nr. 402 ZDv 20/6 als kennzeichnend für die Persönlichkeit des zu beurteilenden Soldaten erachtet.

32

Soweit der Antragsteller zusätzlich den "Verfasser" des Beschwerdebescheids vom 25. Juni 2010 in seinen Befangenheitsvorwurf einbezieht, ist seinem Vorbringen kein relevanter Hinweis auf ein privates Zerwürfnis oder eine ähnliche Kontroverse außerhalb des dienstlichen Bereichs mit dem Befehlshaber des Streitkräfteunterstützungskommandos zu entnehmen.

33

bb) Die Rechtswidrigkeit der Sonderbeurteilung folgt auch nicht aus dem vom Antragsteller geltend gemachten Umstand, dass im Beurteilungszeitraum keine Beurteilungsgespräche mit ihm geführt worden seien.

34

Nach Nr. 507 ZDv 20/6 sind die Beurteilenden verpflichtet, mit den zu beurteilenden Soldaten innerhalb der ersten vier Wochen nach deren Dienstantritt ein Beurteilungsgespräch als Einführungsgespräch zu führen, um sie kennenzulernen und ihnen die wesentlichen Aufgaben und Tätigkeiten ihres Dienstpostens zu erläutern. Im Beurteilungszeitraum ist nach Nr. 508 Buchst. a ZDv 20/6 mindestens ein weiteres Beurteilungsgespräch zu führen, in dem die Beurteilenden zu den aktuellen Eignungs- und Leistungsbildern der zu beurteilenden Soldaten Stellung nehmen und deren besondere Schwächen und Stärken erörtern sollen. Eine sich abzeichnende Verschlechterung soll den Soldaten so frühzeitig angekündigt werden, dass sie durch Steigerung der Leistung ihr bisheriges Beurteilungsbild mindestens halten können; Mängel und Schwächen dürfen sie möglichst nicht erstmals bei der Aushändigung des Beurteilungsentwurfs erfahren. Eines der Gespräche soll spätestens in der Mitte des Beurteilungszeitraumes geführt werden (Nr. 508 Buchst. c ZDv 20/6).

35

Der Senat hat dazu im Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 51.10 - (Rn. 31; zur Veröffentlichung in BVerwGE und in Buchholz vorgesehen) ausgeführt, dass der beurteilte Soldat aus diesen Vorschriften geschützte individuelle Rechte herleiten kann, weil sein Recht auf Wahrung der Chancengleichheit im Beurteilungsverfahren gegenüber den Soldaten betroffen sein kann, die in den Genuss eines Beurteilungsgesprächs gekommen sind.

36

Der Senat hat in dieser Entscheidung allerdings betont, dass eine (mögliche) Verletzung der Verfahrensbestimmungen in Nr. 507 und 508 ZDv 20/6 für sich gesehen nicht zu einer Aufhebung der Beurteilung führen kann, weil dieser Verfahrensfehler einer Heilung nicht zugänglich ist. Der Soldat könnte bei einer in der Regel gebotenen Neufassung der Beurteilung nur auf der Basis seiner tatsächlich erbrachten Leistungen beurteilt werden, ohne dass hypothetisch unterstellt werden könnte, dass diese sich unter dem Einfluss eines durchgeführten Beurteilungsgesprächs in beurteilungsrelevanter Weise verbessert hätten. Das Unterlassen der Beurteilungsgespräche kann allenfalls dazu geführt haben, dass der Soldat im Beurteilungszeitraum keine besseren als die tatsächlich gezeigten Leistungen erbracht hat. Für die Richtigkeit des Urteils über die tatsächlichen Leistungen ist das Fehlen eines Beurteilungsgesprächs hingegen ohne Bedeutung. Konsequenz der Aufhebung einer Beurteilung wegen unterbliebener Beurteilungsgespräche könnte daher nur der Verzicht auf die gebotene erneute Beurteilung sein. Das vollständige Fehlen einer Beurteilung ist aber wegen der Bedeutung regelmäßiger Beurteilungen für die Verwendung der Soldaten und die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr im Ergebnis ebenso rechtswidrig wie die folgenlose Unterlassung vorgeschriebener Beurteilungsgespräche. Das gilt auch in Fällen, in denen - wie hier - aus Gründen der Kontinuität der Dokumentation des Leistungsbildes eine Sonderbeurteilung von der personalbearbeitenden Stelle angefordert wird. Unter diesen Umständen ist es hinzunehmen, dass es entsprechend Nr. 508 Buchst. e Satz 1 ZDv 20/6 bei der fehlerhaften Beurteilung bleibt, zumal der beurteilte Soldat insoweit nicht rechtsschutzlos gestellt ist. Es ist ihm unbenommen, bei Unterbleiben eines Beurteilungsgesprächs zu Beginn oder in der Mitte des Beurteilungszeitraums mit den ihm nach der Wehrbeschwerdeordnung eröffneten Rechtsbehelfen diese Unterlassung zu rügen (vgl. im Einzelnen: Beschluss vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 WB 51.10 - Rn. 31 - 33).

37

cc) Soweit der Antragsteller beanstandet, der Beurteilungsbeitrag vom 28. November 2008 sei ihm entgegen der Anordnung in Nr. 503 Buchst. b ZDv 20/6 vor der Übersendung an den beurteilenden Vorgesetzten nicht zur Kenntnis gegeben und nicht erläutert worden, folgt daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Sonderbeurteilung.

38

In Nr. 503 Buchst. b ZDv 20/6 ist ausdrücklich festgelegt, dass - anders als bei speziellen Beurteilungsbeiträgen nach Nr. 505 und Nr. 506 ZDv 20/6 - bei den "einfachen" Beurteilungsbeiträgen die Eröffnungs- und Erörterungsbestimmungen gemäß Kapitel 6 und 7 keine Anwendung finden; auch das Unterlassen der vorgesehenen Aushändigung des Beurteilungsbeitrags führt nicht zur Aufhebung der Beurteilung. Hintergrund dieser Regelungen ist, dass der "einfache" Beurteilungsbeitrag nach Nr. 503 ZDv 20/6 nicht originärer Bestandteil der Beurteilung und nachfolgend der Personalakte wird und daher eine eigenständige belastende Wirkung gegenüber dem zu beurteilenden Soldaten nicht auslösen kann. Soweit der Inhalt eines Beurteilungsbeitrags, der im vorliegenden Fall dem Antragsteller in Kopie ausgehändigt worden ist, aus Sicht des beurteilten Soldaten negative Bewertungen enthält, ist dieser rechtlich ausreichend dadurch geschützt, dass er die den Beurteilungsbeitrag verarbeitende Beurteilung mit den Rechtsbehelfen nach der Wehrbeschwerdeordnung anfechten kann. Ein möglicher Verstoß gegen Nr. 503 Buchst. b Satz 1 ZDv 20/6 schlägt damit nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Beurteilung durch.

39

b) Die Sonderbeurteilung weist auch keine rügefähigen inhaltlichen Fehler auf. Sie hält die materiellen Grenzen des Beurteilungsspielraums der beurteilenden Vorgesetzten ein.

40

aa) Zu Unrecht beanstandet der Antragsteller einen Verstoß gegen Nr. 401 Abs. 1 ZDv 20/6 mit der Behauptung, die Sonderbeurteilung stehe im Widerspruch zu der früheren planmäßigen Beurteilung vom 5. Juli 2007 und stufe fehlerhaft sein Laufbahnziel A 16/B 3 auf die Perspektive A 14 herab. Insoweit verkennt der Antragsteller, dass sich der beurteilende Vorgesetzte bei der in seinem Beurteilungsspielraum liegenden Einschätzung des Leistungsbildes des Beurteilten nicht an früheren Beurteilungen orientieren muss. Einer derartigen Bindung steht bereits entgegen, dass die inhaltliche Bewertung des Persönlichkeits- und Leistungsbildes eines Soldaten in den Kernbereich des gerichtlich nicht nachprüfbaren subjektiven Werturteils des beurteilenden Vorgesetzten gehört. Außerdem erstrecken sich frühere Beurteilungen auf einen anderen Beurteilungszeitraum und können deshalb nicht Gegenstand einer "Fortschreibung" ihrer Werturteile sein (Beschluss vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 47.08 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 15 Rn. 40).

41

bb) Eine Widersprüchlichkeit des Beurteilungsbeitrags - und darauf aufbauend der Sonderbeurteilung - lässt sich auch nicht aus dem Argument des Antragstellers herleiten, Oberst K. habe in seiner E-Mail vom 17. September 2008 eine Bestätigung "seiner Leistung als Bataillonskommandeur" ausgesprochen. In dieser - privaten - E-Mail drückt Oberst K. lediglich seine persönliche Anteilnahme an der persönlich schwierigen Situation des Antragstellers während der disziplinaren Ermittlungen aus und stellt dessen frühere Leistungen für die Bundeswehr nicht in Frage. Davon unberührt bleibt die Berechtigung und Verpflichtung des Kommandeurs des ...regiments ..., die gegenwärtigen Leistungen des Antragstellers im Rahmen eines Beurteilungsbeitrags aus seiner persönlichen individuellen Bewertung einzuschätzen. Entgegen der Annahme des Antragstellers stellt das E-Mail-Schreiben insofern nicht eine Dokumentation seines Leistungsbildes während der disziplinaren Ermittlungen dar.

42

cc) Anhaltspunkte für Verstöße des beurteilenden Vorgesetzten gegen Nr. 402 und 403 ZDv 20/6 sind ebenfalls nicht erkennbar. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang vorträgt, die Beurteilung sei insgesamt zu streng ausgefallen, wendet er sich in der Sache gegen die eigentliche Leistungsbewertung durch Oberst K. und Oberst i.G. Kr. . Dieser Kern der Beurteilung ist indes - wie dargelegt - einer richterlichen inhaltlichen Nachprüfung entzogen.

43

dd) Das gegen den Antragsteller eingeleitete gerichtliche Disziplinarverfahren änderte im Übrigen nichts an der Berechtigung des Personalamts, zur Dokumentation der Leistungen des Antragstellers als Bataillonskommandeur eine Sonderbeurteilung anzufordern. Aus der normativen Anordnung in § 2 Abs. 1 Satz 1 SLV über die regelmäßige Beurteilung von Soldatinnen und Soldaten hat der Senat in ständiger Rechtsprechung hergeleitet, dass die (planmäßigen) Beurteilungen einen lückenlosen Spiegel des militärischen Werdegangs eines Soldaten gewährleisten sollen; deshalb darf eine Lücke in der Abfolge von Beurteilungen und Beurteilungszeiträumen in der Regel nicht eintreten (Beschluss vom 27. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 47.08 - Rn. 36 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 15>). Werden gegen einen Soldaten straf- oder disziplinargerichtliche Verfahren geführt, obliegt es im Einzelfall der personalbearbeitenden Stelle, zu entscheiden, ob während dieses schwebenden Verfahrens eine Beurteilung stattfinden soll (Nr. 407 Buchst. a ZDv 20/6, vgl. im Übrigen Beschluss vom 3. September 1996 - BVerwG 1 WB 20.96, 21.96 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 18). Im vorliegenden Fall hat das Personalamt ohne Verstoß gegen Nr. 407 ZDv 20/6 mit Rücksicht auf das "Prinzip der Lückenlosigkeit" der Dokumentation der Leistungen eines Soldaten die strittige Sonderbeurteilung angefordert.

44

Die Sonderbeurteilung hält das Zitierverbot in Nr. 407 Buchst. c Satz 1 ZDv 20/6 ein.

45

Davon abgesehen können nach Nr. 407 Buchst. d ZDv 20/6 Erkenntnisse zur Persönlichkeit des zu beurteilenden Soldaten aus den "schwebenden Verfahren" oder aus den entsprechenden (Vor-)Ermittlungen in der Beurteilung berücksichtigt werden, soweit dies die vollständige Darstellung der Persönlichkeit erfordert; dabei ist es vom Einzelfall abhängig, ob und in welchem Umfang sich dies auf die Bewertung der dienstlichen Eignung, Befähigung, Leistung und des Potenzials auswirkt. Damit liegt es im Kernbereich des persönlichen Werturteils des beurteilenden Vorgesetzten, ob und in welchem Umfang er Erkenntnisse aus solchen Ermittlungen, aus einem gerichtlichen Disziplinarverfahren oder aus einem Strafverfahren in die Beurteilung einfließen lässt. Dabei darf er das "Erfordernis" der Berücksichtigung von Erkenntnissen aus einem derartigen Verfahren oder aus den entsprechenden Ermittlungen insbesondere dann bejahen, wenn in diesem Verfahren bzw. in diesen Ermittlungen die Verletzung soldatenrechtlicher Pflichten - hier vornehmlich der Pflichten zur Fürsorge als Vorgesetzter und zum treuen Dienen - in Rede steht, deren Einhaltung auch für die Frage der Eignung und Bewährung des zu beurteilenden Soldaten auf seinem Dienstposten maßgeblich ist.

46

ee) Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller aufgrund seiner Schwerbehinderung in den Äußerungen des beurteilenden Vorgesetzten "abgewertet" worden sei. Vielmehr hat Oberst i.G. Kr. in Abschnitt 3.3 der Sonderbeurteilung ausdrücklich betont, dass sich die Schwerbehinderung des Antragstellers "weder quantitativ noch qualitativ erkennbar leistungsmindernd in der Wahrnehmung seiner dienstpostenspezifischen Tätigkeiten" ausgewirkt habe. Bei der erforderlichen objektiven Betrachtung dieser Äußerung lässt sich daraus eine abschätzige Komponente des Leistungsurteils des beurteilenden Vorgesetzten nicht entnehmen. Die zuständige Schwerbehindertenvertretung ist insoweit am 26. Februar 2009 gemäß Nr. 408 Buchst. d ZDv 20/6 ordnungsgemäß beteiligt worden.

47

ff) Der Einwand des Antragstellers, die Sonderbeurteilung müsse schon mit Rücksicht auf den Beschluss des Senats vom 26. Mai 2009 - BVerwG 1 WB 48.07 - (BVerwGE 134, 59 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 14) aufgehoben werden, weil sie sich an dem Richtwertesystem der ZDv 20/6 in der Fassung vom 17. Januar 2007 orientiere, geht fehl.

48

Eine Sonderbeurteilung nach Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6 ist an das Richtwertesystem in der seinerzeit vom Senat zu beurteilenden Fassung der ZDv 20/6 nicht gebunden. Der Antragsteller hat im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. März 2011 selbst eingeräumt, dass es "im vorliegenden Fall keine Abstimmungsgespräche gegeben" habe. Das Richtwertesystem war in der damaligen Fassung der ZDv 20/6 unmittelbar mit der Durchführung der Abstimmungsgespräche verknüpft, weil bei planmäßigen Beurteilungen für eine Vielzahl von zu beurteilenden Soldaten eine Einhaltung der Beurteilungsmaßstäbe gesichert werden sollte. Die Sonderbeurteilung nach Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6 stellt demgegenüber eine Einzelbeurteilung dar, die deshalb auch nicht unter Nr. 8 des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ I 1 - vom 10. Juni 2009 (Aktenzeichen PSZ I 1 <50> Az 16-26-05) fällt. Darin ist festgelegt, dass nur planmäßige Beurteilungen unter Berücksichtigung der vorgenannten Rechtsprechung des Senats nicht mehr fortgesetzt werden sollen. Nach Nr. 13 des Erlasses sind aber alle übrigen Beurteilungsarten von dieser Entscheidung des Senats nicht berührt. Zu diesen Beurteilungsarten gehören auch die Sonderbeurteilungen, weil in Nr. 13 des Erlasses die weiterhin zu erstellenden Beurteilungen lediglich beispielhaft aufgeführt sind. In Übereinstimmung damit hat das zuständige Referat PSZ I 1 des Bundesministeriums der Verteidigung auch im Beschwerdeverfahren des Antragstellers unter dem 12. Januar 2011 eine Stellungnahme dahin abgegeben, dass sich die Anwendung von Richtwerten bei zu kleinen Fallzahlen verbiete; es liege in der Natur von Sonderbeurteilungen, dass diese als einzelne, nicht zu einem allgemeinen Vorlagetermin zu fertigende Beurteilungen in Ermangelung ausreichend großer Fallzahlen nicht unter Anwendung des Richtwertesystems erstellt werden könnten. Bei der gebotenen objektiven Auslegung ist deshalb die Bemerkung des Personalamts in der Anforderung vom 21. November 2008, es mögen "entsprechende Maßstäbe" angewendet werden, nur so zu verstehen, dass der beurteilende Vorgesetzte angehalten werden sollte, den Antragsteller in der Sonderbeurteilung nicht völlig isoliert als Einzelperson zu betrachten, sondern im Kontext und im Vergleich zu anderen Bataillonskommandeuren im Bereich des ...kommandos .... Eine derartige vergleichende Betrachtung ist dem Beurteilungswesen systemimmanent und deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.

Golze

Dr. Frentz

Rothfuß

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