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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 12.09.2012, Az.: BVerwG 2 AV 11.12; 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12
Anforderungen an die Verbindung und Begründetheit von zwei Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Stellung von Befangenheitsgesuchen
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.09.2012
Referenz: JurionRS 2012, 23215
Aktenzeichen: BVerwG 2 AV 11.12; 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12
ECLI: [keine Angabe]

BVerwG, 12.09.2012 - BVerwG 2 AV 11.12; 2 PKH 5.12 bis 2 PKH 16.12

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Wegen Besorgnis der Befangenheit kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit verlangt nicht, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus.

  2. 2.

    Dass ein Richter eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. September 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
Dr. Kenntner
beschlossen:

Tenor:

Die Verfahren BVerwG 2 AV 11.12 bis 20.12 sowie BVerwG 2 PKH 5.12 bis 16.12 werden zur gemeinsamen Entscheidung über die Befangenheitsgesuche des Antragstellers verbunden.

Die Anträge des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Befangenheitsgesuche werden abgelehnt.

Die Gesuche des Antragstellers, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz und Dr. Hartung für befangen zu erklären, werden abgelehnt.

Gründe

1

1. Die Verbindung der Verfahren gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung über die vom Antragsteller gestellten Befangenheitsgesuche dient der ökonomischen Verfahrensgestaltung, weil der Antragsteller eine einheitliche Begründung gegeben hat und eine nach den Verfahren gesonderte Betrachtung nicht erforderlich ist.

2

2. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Befangenheitsgesuche sind - ihre Statthaftigkeit unterstellt - jedenfalls unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen (zu 3.) keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

3

3. Die Ablehnungsgesuche, über die gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO der Senat ohne die Mitwirkung der abgelehnten Richter zu entscheiden hat, sind unbegründet.

4

a) Wegen Besorgnis der Befangenheit kann ein Richter abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO). Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit verlangt daher nicht, dass der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt der Beteiligten aus gesehen hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 - BVerfGK 15, 111; BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36 <38 f.> = Buchholz 448.0 § 34 WehrpflG Nr. 48, jeweils m.w.N.).

5

Dass ein Richter bei der Würdigung des maßgeblichen Sachverhalts oder bei dessen rechtlicher Beurteilung eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, ist regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das gilt selbst für irrige Ansichten, solange sie nicht willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind und damit Anhaltspunkte dafür bieten, dass der Abgelehnte Argumenten nicht mehr zugänglich und damit nicht mehr unvoreingenommen ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juli 2007 - 1 BvR 3084/06 - NJW-RR 2008, 72; BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - V ZR 8/10 - NJW-RR 2012, 61; BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 2009 - BVerwG 4 BN 58.09 u.a. - [...] Rn. 3, jeweils m.w.N.).

6

b) Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergeben sich - auch in Ansehung seiner Stellungnahme zu den dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter - keine Anhaltspunkte, die hier Anlass zu derartiger Besorgnis geben könnten.

7

Der Antragsteller begründet seine Ablehnungsgesuche maßgeblich mit der seiner Auffassung nach (verfahrens- und materiellrechtlich) fehlerhaften Bescheidung seiner Anträge und Gesuche. Damit sind tragfähige Gründe für die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit nicht vorgebracht. Die behaupteten Rechts- und Verfahrensfehler ergäben, selbst wenn sie vorliegen sollten, für sich genommen - einzeln wie in ihrer Gesamtheit - keinen Ablehnungsgrund (vgl. Beschluss vom 7. April 2011 - BVerwG 3 B 10.11 - [...] Rn. 5 m.w.N.).

8

Soweit der Antragsteller auf die von Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung mit Mitgliedern des Oberverwaltungsgerichts Bremen geführten Telefonate verweist, ergibt sich aus der dienstlichen Äußerung vom 24. August 2012, dass diese nur dem Zweck dienten, die Übersendung der Akten sicherzustellen. Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln, bietet auch dieser Umstand nicht. Die diesbezüglichen Mutmaßungen des Antragstellers entbehren jeder Grundlage.

9

c) Für die Einräumung der Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu den vorliegenden Befangenheitsgesuchen besteht kein Grund. Der Antragsteller hat hinreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten, in denen ihm bescheinigt wird, "arbeitsunfähig" zu sein, ergibt sich nicht, dass er gehindert gewesen wäre, sein Rechtsschutzbegehren zu verfolgen und mit dem Gericht zu korrespondieren. Dies wird auch durch die zahlreichen Schreiben belegt, die der Antragsteller per Telefax an das Bundesverwaltungsgericht gesandt hat.

10

d) Der Senat hat auch keinen Anlass, die Entscheidung über die vorliegenden Befangenheitsgesuche zurückzustellen mit Blick auf die Anträge des Antragstellers auf Beiziehung von Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin und auf Gewährung von Akteneinsicht in diese Behördenakten sowie in Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts bzw. Oberverwaltungsgerichts Bremen. Diese Akten sind für die Entscheidung über die Befangenheitsgesuche gegen die drei abgelehnten Richter des Senats nicht erheblich. Seinen Antrag auf Einsichtnahme in die Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts der vorliegenden, mit Schreiben vom 20. August 2012 eingeleiteten Verfahren hat der Antragsteller nach richterlichem Hinweis, dass diese Akten nichts weiter enthalten als seine eigenen Schreiben sowie die (ihm übersandten) dienstlichen Äußerungen der von ihm wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter des Senats, nicht weiter aufrechterhalten.

Domgörgen

Dr. von der Weiden

Dr. Kenntner

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