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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 12.05.2016, Az.: BVerwG 9 C 15.15
Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag; Bildung einer Erschließungseinheit durch mehrere zusammenhängende Erschließungsanlagen; Verbindung aller Anliegergrundstücke ausschließlich über eine einzige dieser Erschließungsanlagen (Hauptstraße) mit dem übrigen Straßennetz; Anteilige Aufwandsverteilung bei Angrenzung eines Grundstück an zwei Abschnitte einer Erschließungsanlage
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 12.05.2016
Referenz: JurionRS 2016, 20947
Aktenzeichen: BVerwG 9 C 15.15
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:120516U9C15.15.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Sachsen - 16.12.2014 - AZ: 5 A 642/13

VG Leipzig - 22.02.2011

BVerwG, 12.05.2016 - BVerwG 9 C 15.15

Redaktioneller Leitsatz:

Die Höhe der geschuldeten Vorausleistung auf einen Erschließungsbeitrag erweist sich im Ergebnis als zutreffend, wenn zwar die Behörde zu Unrecht angenommen hat, dass die innerhalb des Abrechnungsgebietes gelegenen Verkehrsflächen eine Erschließungseinheit i.S.d. § 130 Abs. 2 S. 3 BauGB bilden würden, sie aber im Berufungsverfahren eine Alternativberechnung vorlegt, in der sie die Kosten der fünf Verkehrsanlagen, die innerhalb des Abrechnungsgebietes gelegen sind, korrekt einzeln ermittelt hat und nach der sich eine höhere Vorausleistung ergibt als diejenige, die nach dem einheitlichen Beitragssatz errechnet worden ist.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher, Dr. Külpmann,
Steinkühler und Dr. Martini
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten um Vorausleistungen auf einen Erschließungsbeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken in einem Gebiet, das in einem von der Bahnlinie L.-T., der Bundesstraße ... und der Verbindungsstraße S.-P. gebildeten Dreieck liegt. Ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1992 setzt dort im Wesentlichen Gewerbegebiete sowie Verkehrsflächen fest. Im Jahr 2004 wurde die östliche, an die Verbindungsstraße angrenzende Teilfläche durch einen vorzeitigen Bebauungsplan der Beklagten überplant, der dort auch Industriegebietsflächen ausweist und bei der Darstellung der Verkehrsflächen dem Bebauungsplan von 1992 folgt. Das Teilgebiet wird von fünf Straßen durchzogen. Die E.-Straße und die weiter südlich parallel geführte V.-Straße münden ostwärts in die erwähnte Verbindungsstraße ein. Zwischen der E.-Straße und der V.-Straße verlaufen rechtwinklig die P.-Straße, die zugleich die westliche Grenze des vorzeitigen Bebauungsplans bildet, und östlich davon die M.-Straße; beide werden untereinander durch die G.-Straße verbunden.

3

Durch Beschluss des Gemeinderats vom 14. Dezember 2006 bestimmte die Beklagte für die genannten Verkehrsanlagen in einem Bereich, der mit dem Gebiet des Bebauungsplans von 2004 im Wesentlichen übereinstimmt, ein gemeinsames Abrechnungsgebiet. Mit Bescheid vom 30. November 2006 zog die Beklagte die Klägerin für das Flurstück .../..., das an die P.-Straße angrenzt, zu Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 31 337,78 € heran. Die Vorauszahlung wurde im Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2008 auf 70 % des angeforderten Betrages, mithin auf 21 936,44 €, vermindert. Mit Teilaufhebungsbescheid vom 25. September 2008 reduzierte die Beklagte die Vorauszahlung auf 21 382,97 €.

4

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im noch anhängigen Umfang stattgegeben, weil die Voraussetzungen für eine Erschließungseinheit nicht vorlägen. Nach Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte eine Alternativberechnung erstellt, die sich auf die Einzelanlage "P.-Straße" bezieht. Unter Berücksichtigung weiterer, bisher nicht geltend gemachter Kosten ergebe sich für die P.-Straße ein Beitragssatz von 8,58 €/m2 und für das betroffene Grundstück ein Beitrag von voraussichtlich 50 707,80 €, dessen Vorausleistung wegen der auf dem Grundstück inzwischen vorhandenen Bebauung in vollem Umfang verlangt werden könne.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage im noch anhängigen Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Straßen des Gebietes im Hinblick auf ihre identische Ausstattung zur gemeinsamen Abrechnung zusammenfassen dürfen. Dies vermeide eine erhebliche Spreizung der Beitragssätze, die ihren Grund bei gleicher Vorteilslage allein in der unterschiedlichen Größe der anliegenden Nutzungsflächen habe.

6

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Revision geltend, das Berufungsurteil habe den Begriff der Erschließungseinheit überdehnt. Zudem lägen die Voraussetzungen für die Erhebung der Vorausleistung nicht vor, denn die Beklagte habe die Absicht aufgegeben, die Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren herzustellen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 22. Februar 2011 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

II

10

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

11

Die in § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB genannten Voraussetzungen, unter denen eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag verlangt werden kann, sind erfüllt. Insbesondere war die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens, innerhalb von vier Jahren zu erwarten. Hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Vorausleistung ist das Berufungsurteil zwar nicht fehlerfrei. Denn es nimmt zu Unrecht an, die innerhalb des Abrechnungsgebietes gelegenen Verkehrsflächen bildeten eine Erschließungseinheit im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB. Das Berufungsurteil erweist sich aber im Ergebnis als zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Beklagte hat im Berufungsverfahren eine Alternativberechnung vorgelegt, in der sie die Kosten der fünf Verkehrsanlagen, die innerhalb des von der Beklagten gebildeten Abrechnungsgebietes gelegen sind, einzeln ermittelt hat. Auf der Grundlage des voraussichtlichen Beitragssatzes von 8,58 €/m2 für die P.-Straße, an die das Grundstück der Klägerin angrenzt, ergibt sich danach eine höhere Vorausleistung als diejenige, die nach dem einheitlichen Beitragssatz errechnet und zwischen den Beteiligten noch umstritten ist. An diesem Ergebnis ändert sich im Übrigen auch dann nichts, wenn das Flurstück .../... wegen seiner Hinterliegersituation (vgl. dazu das den Beteiligten bekannte Urteil vom heutigen Tag in dem Verfahren BVerwG 9 C 8.15) mit 2/3 seiner Nutzungsfläche zusätzlich bei der P.-Straße berücksichtigt wird und der Beitragssatz für diese Erschließungsanlage damit auf 8,07 €/m2 sinkt. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren tatsächliche Einwände gegen die Alternativberechnung erhoben hatte, hat sie daran in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich nicht festgehalten. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein heutiges Urteil gleichen Rubrums im Verfahren BVerwG 9 C 11.15.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertbeschluss:

  1. 1.

    Das Urteil war gemäß § 118 VwGO nach Anhörung der Beteiligten dahin zu berichtigen, dass der in die Sitzungsniederschrift bei dem Berufungsurteil versehentlich aufgenommene Zusatz "berichtigt durch Beschluss vom 16. April 2015" sowohl im Revisionsantrag der Klägerin als auch im Urteilstenor entfällt.

  2. 2.

    Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 21 382,97 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG).

Dr. Bier

Prof. Dr. Korbmacher

Dr. Külpmann

Steinkühler

Dr. Martini

Verkündet am 12. Mai 2016

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