Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 12.04.2012, Az.: BVerwG 3 B 68.11
Rückforderung von wegen Wegnahmeschäden an Betriebsvermögen (Tierarztpraxis) und Grundvermögen dem Vater gewährten Lastenausgleichsleistungen gegenüber der Tochter
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.04.2012
Referenz: JurionRS 2012, 14195
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 68.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Karlsruhe - 15.03.2011 - AZ: VG 6 K 924/10

BVerwG, 12.04.2012 - BVerwG 3 B 68.11

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht kommt nur in Betracht, wenn sich eine bestimmte Tatsachenermittlung aufgedrängt hätte.

  2. 2.

    Eine Divergenzrüge ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden, wenn keine sich widersprechenden tragenden Rechtssätze aus der angefochtenen Entscheidung und einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeitet und einander gegenübergestellt worden sind.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. April 2012
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. März 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 108,82 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Lastenausgleichsleistungen, die dem Vater der Klägerin wegen Wegnahmeschäden an Betriebsvermögen (Tierarztpraxis) und Grundvermögen (ein Mietwohngrundstück in Neustrelitz und ein Einfamilienhaus in Berlin-Karlshorst) gewährt worden waren. Nach Rückübertragung des Grundstücks in Neustrelitz forderte das Ausgleichsamt Biberach vom Vater der Klägerin mit Bescheid vom 20. November 1996 die hierfür gewährte Hauptentschädigung zurück. Mit weiterem Schreiben vom selben Tage wies es darauf hin, dass seinen Kenntnissen nach auch über das Grundstück in Karlshorst frei verfügt werden könne und insofern ebenfalls mit einer Rückforderung gerechnet werden müsse. Im Juli 2009 unterrichtete das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin (LARoV) das Ausgleichsamt der Beklagten darüber, dass das Grundstück in Karlshorst lediglich unter - 1992 beendeter - staatlicher Verwaltung gestanden habe und der Vater der Klägerin ununterbrochen im Grundbuch als Miteigentümer eingetragen gewesen sei. Daraufhin forderte die Beklagte mit Rückforderungs- und Leistungsbescheid vom 1. Oktober 2009 von der Klägerin und ihrem Bruder als Miterben ihres verstorbenen Vaters für das Einfamilienhaus in Karlshorst Hauptentschädigung zurück, von der Klägerin in Höhe von 2 108,82 €. Die Beschwerde der Klägerin blieb erfolglos. Die Beschwerdestelle führte unter anderem aus, die Rückforderungsfrist sei nicht verstrichen, weil das Ausgleichsamt erst durch Mitteilungen des LARoV Berlin und der Stadt Memmingen im Jahr 2009 vom Schadensausgleich und der Person der Rückzahlungspflichtigen Kenntnis erlangt habe. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Anfechtungsklage unter Bezugnahme auf den Beschwerdebescheid zurückgewiesen und ergänzend ausgeführt, positive Kenntnis vom Schadensausgleich habe die Beklagte erst im Jahr 2009 erlangt, sodass die Ausschlussfrist für die Rückforderung erst am 1. Januar 2010 zu laufen begonnen habe. Das Hinweisschreiben des seinerzeit zuständig gewesenen Ausgleichsamts Biberach von 1996 ergebe nichts anderes. Das Amt sei nicht im Besitz von Unterlagen gewesen, die ihm eine vergleichbare Kenntnis vom Schadensausgleich hätten vermitteln können. Der von der Klägerin behauptete desolate Zustand der Rückforderungsakte und eine etwaige telefonische Mitteilung über den Schadensausgleich begründe nicht die erforderliche positive Kenntnis der Behörde bereits im Jahr 1996. Das Ausgleichsamt Biberach habe in seinem Rückforderungs- und Leistungsbescheid von 1996 sogar im Widerspruch zu seinem weiteren Hinweisschreiben ausgeführt, dass hinsichtlich des Grundstücks in Karlshorst noch kein Schadensausgleich erfolgt sei. Insgesamt spreche vieles dafür, dass es sich bei der Verwendung des Formschreibens vom 20. November 1996 um ein Versehen gehandelt habe; jedenfalls könne keine positive Kenntnis des Ausgleichsamtes festgestellt werden. Diese nachzuweisen sei Sache der Klägerin. Die von der Klägerin angeregte Beweiserhebung durch Vernehmung der seinerzeit zuständigen Sachbearbeiter K. und H. würde ins Blaue hinein erfolgen und sei auch ungeeignet, weil es für die Sachbearbeiter nach der Lebenserfahrung unmöglich sei, sich nach so langer Zeit an einen häufig vorgekommenen Routinevorgang zu erinnern.

2

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg.

3

1.

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.

4

Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe eine gebotene Aufklärung des Sachverhalts unterlassen. Es hätte die Sachbearbeiterin K. zum Beweis der Tatsache vernehmen müssen, dass "frühere Empfänger von Lastenausgleich immer erst nach Kenntniserlangung von der Rückgabe bzw. Wiederherstellung der freien Verfügungsbefugnis vom Ausgleichsamt angeschrieben und über die Rechtsfolgen (u.a. die Ingangsetzung einer vierjährigen Verjährungsfrist) informiert" worden seien. Diese Aufklärungsrüge dringt nicht durch; das Verwaltungsgericht hat es ohne Verstoß gegen seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) abgelehnt, der Beweisanregung der Klägerin im Schriftsatz vom 10. März 2011 nachzugehen. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass Maßstab insoweit nicht die (materielle) Beweislast ist. Die Verteilung der Beweislast besagt nur, zu wessen Lasten es geht, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit ("mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit") weder feststellen noch ausschließen kann ("non liquet"; vgl. Bamberger, in: Wysk, VwGO, § 108 Rn. 14 f. m.w.N.). Darum geht es im Fall der Klägerin nicht, denn das Verwaltungsgericht hat sich in der Lage gesehen, sich in Würdigung des Sachverhalts die Überzeugung zu bilden, dass die Ausgleichsbehörde Ende 1996 noch keine positive Kenntnis von der Rückforderungsmöglichkeit hatte. Wenn das Gericht Nachweispflichten der Klägerin hervorhebt, dann nur, um zu verdeutlichen, dass es angesichts des vorliegenden Tatsachenmaterials ihre Sache sei, die daraus zu ziehenden Schlüsse zu entkräften.

5

Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist nicht erkennbar. Da die - anwaltlich vertretene - Klägerin keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, kommt ein solcher Verstoß nur in Betracht, wenn sich die Vernehmung der Sachbearbeiterin aufgedrängt hätte. Das ist mit Blick auf die von der Beschwerde für aufklärungsbedürftig erachteten Fragen zu verneinen. Die Beschwerde betont, es gehe "nicht um einen (nicht bedeutenden) Einzelfall, sondern um Arbeitsabläufe [...], die im Amt vermutlich über lange Zeit hinweg praktiziert" worden seien, also um die Verwaltungspraxis. Eine Verwaltungspraxis im Sinne der Beschwerde kann unterstellt werden. Schon aus Rechtsgründen versteht sich, dass auf die Möglichkeit einer Rückforderung - wie auch bei einer Anhörung -nur hingewiesen werden kann, wenn das Ausgleichsamt vom Vorliegen aller Voraussetzungen ausgeht. Dies steht aber nicht im Widerspruch zu dem vom Verwaltungsgericht als Grund für das Hinweisschreiben vom 20. November 1996 vermutete Versehen, das sich gerade dadurch auszeichnet, dass unbemerkt von verbindlichen Vorgaben abgewichen worden ist. Eine solche Verwaltungspraxis würde auch nicht in revisionsrechtlich relevanter Weise die konkrete Beweiswürdigung infrage stellen, wonach sich in den Verwaltungsvorgängen kein Anhaltspunkt dafür findet, dass das Ausgleichsamt positive Kenntnis von den Rückforderungsvoraussetzungen gehabt haben konnte. Eine denkbare Indizwirkung des Hinweisschreibens verliert dadurch auch dann ihre Grundlage, wenn die Ausgleichsbehörde im Regelfall nur bei positiver Kenntnis auf die Rückforderung hinweist. Es wäre mithin nicht entscheidungserheblich gewesen, hätte die Sachbearbeiterin K. eine derartige Verwaltungspraxis bestätigt. Ob der Beweisantrag im Sinne eines Ausforschungsbeweises ins Blaue hinein gestellt worden ist, bedarf daher ebenso wenig der Entscheidung wie die Frage, ob im Verwaltungsprozess ein Beweisantrag in entsprechender Anwendung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt werden darf (vgl. dazu Beschluss vom 7. Februar 1983 - BVerwG 7 CB 96.81 - [...] Rn. 6) und ob dies hier verfahrensfehlerfrei geschehen ist.

6

2.

Die Revision ist nicht wegen Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

7

Diese Rüge ist nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden. Es fehlt schon daran, dass keine sich widersprechenden tragenden Rechtssätze aus der angefochtenen Entscheidung und einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herausgearbeitet und einander gegenübergestellt worden sind, wie es nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geboten gewesen wäre, (vgl. dazu Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 29 ff.). Abgesehen davon macht die Beschwerde mit der Behauptung, das Verwaltungsgericht sei "bei der Behandlung des Einwands der Verwirkung von der Rechtsprechung" des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen, in der Sache einen bloßen Rechtsanwendungsfehler geltend, der die Abweichungsrüge grundsätzlich nicht zu begründen vermag (Beschluss vom 13. Dezember 2007 - BVerwG 4 BN 52.07 - [...] Rn. 4; stRspr).

8

Soweit zur Begründung der Divergenz gerügt wird, das Verwaltungsgericht hätte aus den Inhalten des Rückforderungsbescheides und des Hinweisschreibens, die unter demselben Datum (20. November 1996) verfasst wurden, andere Schlüsse ziehen müssen, macht die Klägerin einen Fehler der Sachverhalts- und Beweiswürdigung geltend. Ein solcher Fehler wäre grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Würdigung des Verwaltungsgerichts objektiv willkürlich ist oder sonst Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt worden sind und daher ausnahmsweise ein Verfahrensmangel vorliegt.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.