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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 12.04.2010, Az.: BVerwG 1 WB 65.09
Wegversetzung eines Berufssoldaten aufgrund erzwungenen Wegwerfens der Anträge mehrerer Soldaten auf Weiterverpflichtung bzw. erzwungenen Unterschreibens einer vorgefertigten Verzichtserklärung; Anspruch des Soldaten auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten; Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.04.2010
Referenz: JurionRS 2010, 13868
Aktenzeichen: BVerwG 1 WB 65.09
ECLI: [keine Angabe]

BVerwG, 12.04.2010 - BVerwG 1 WB 65.09

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Soldat kann von seinem Dienstposten versetzt werden, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch seine Versetzung behoben werden können. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung besteht, etwa wenn der Soldat dafür verantwortlich ist, dass mehrere ihm unterstellte Soldaten ihre Anträge auf Weiterverpflichtung "in die Mülltonne" geworfen oder eine von ihm vorgefertigte Verzichtserklärung auf eine Weiterverpflichtung unterschrieben haben.

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
...
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 12. April 2010
beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

I

1

Der Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März 2023. Der Antragsteller war als Nachschubfeldwebel und Kompaniefeldwebel bei der 6./...bataillon ... in V. verwendet. Unter dem 12. Dezember 2007 schlug der Kommandeur des ...bataillons ... gemäß Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien die Wegversetzung des Antragstellers von diesem Dienstposten vor. Zur Begründung führte er - unter Bezugnahme auf Eingaben von Soldaten an den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages - an, dass der Antragsteller mehrere Soldaten gezwungen habe, ihre Anträge auf Weiterverpflichtung wegzuwerfen bzw. eine vorgefertigte Verzichtserklärung auf eine Weiterverpflichtung zu unterschreiben. Der Antragsteller habe mit seinem Verhalten das besondere Vertrauensverhältnis zu einem Vorgesetzten und, was erschwerend hinzukomme, zu einem Kompaniefeldwebel nachhaltig beschädigt. Die entstandenen Störungen und Spannungen im Dienstbetrieb könnten nur durch eine Versetzung behoben werden.

2

Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 teilte die Stammdienststelle der Bundeswehr den Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass dem Antrag des Kommandeurs des ...bataillons ... auf Versetzung des Antragstellers stattgegeben worden sei. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 12. März 2008 Beschwerde ein.

3

Mit Versetzungsverfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr Nr. ... vom 31. März 2008 wurde der Antragsteller mit Wirkung zum 1. April 2008 auf den Dienstposten eines Nachschubfeldwebels beim ...zentrum ... in B. versetzt. Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 23. April 2008 ebenfalls Beschwerde ein.

4

Mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden zurück. Die Beschwerde gegen die Wegversetzung sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil der Antragsteller in einem Personalgespräch am 31. März 2009 erklärt habe, keine Verwendung im ...bataillon ... mehr zu wünschen. Die Beschwerde gegen die Versetzungsverfügung Nr. ... sei wegen verspäteter Einlegung unzulässig. Im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids stellte der Bundesminister der Verteidigung fest, dass die angefochtenen Entscheidungen auch im Ergebnis nicht zu beanstanden seien. Gegen den Antragsteller habe der Verdacht erheblicher Dienstpflichtverletzungen als Soldat und Kompaniefeldwebel gegenüber unterstellten Soldaten bestanden. Es sei daher nachvollziehbar, dass die Stammdienststelle dem Wegversetzungsantrag stattgegeben habe. Im Rahmen einer Prognoseentscheidung sei auf der Grundlage des Verhaltens des Antragstellers auch für die Zukunft keine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr möglich.

5

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. November 2009 beantragte der Antragsteller hiergegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung legte den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom 18. November 2009 dem Senat vor.

6

Mit Verfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr Nr. ... vom 5. März 2010 (erste Korrektur vom 10. März 2010) wurde der Antragsteller mit Wirkung zum 1. Mai 2010 auf den Dienstposten eines Nachschubfeldwebels bei der 2./...bataillon ... in Be. versetzt.

7

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. März 2010 erklärte der Antragsteller, dass damit seinem Anliegen Rechnung getragen und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - schloss sich mit Schreiben vom 7. April 2010 der Erledigungserklärung des Antragstellers an, die seiner Auffassung nach allerdings eine verschleierte Rücknahme des Antrags auf gerichtliche Entscheidung darstelle.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 1251/09 - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

9

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Ein förmlicher Kostenantrag, den der Antragsteller hier nicht gestellt hat, ist dafür nicht erforderlich. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).

10

Billigem Ermessen entspricht es, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen nicht dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unabhängig von Zulässigkeitsfragen jedenfalls in der Sache erfolglos geblieben wäre.

11

Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte über die Verwendung des Soldaten, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach pflichtgemäßem Ermessen (stRspr, vgl. Beschluss vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 1 WB 40.02 - m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Erlassen und Richtlinien festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind, wie sie sich hier insbesondere aus den Richtlinien zur Versetzung, zum Dienstpostenwechsel und zur Kommandierung von Soldaten vom 3. März 1988 (VMBl S. 76) in der zuletzt am 9. Juni 2009 (VMBl S. 86) geänderten Fassung (Versetzungsrichtlinien) ergeben.

12

Danach bestehen gegen die angefochtene Versetzung, für deren Beurteilung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, nach dem bisherigen Streitstand keine rechtlichen Bedenken, sodass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre.

13

Gemäß Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien liegt ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung dann vor, wenn Störungen, Spannungen und/oder Vertrauensverluste, die den Dienstbetrieb unannehmbar belasten, nur durch Versetzung des Soldaten behoben werden können. Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Wegversetzung nach Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien unter anderem darauf gestützt werden, dass gegen den betroffenen Soldaten der Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung besteht. Unabhängig davon kommt es jedoch nicht darauf an, wer an der Entstehung der Störungen, Spannungen oder des Vertrauensverlusts "schuld" ist bzw. ob einem der Beteiligten überhaupt eine "Schuld" im Rechtssinne zugewiesen werden kann oder ob die objektiv gegebenen Störungen, Spannungen und Vertrauensverluste auf Gründe zurückzuführen sind, die sich der Zuweisung von "Schuld" entziehen; für eine Wegversetzung genügt es vielmehr, dass der von dieser Maßnahme betroffene Soldat an den entstandenen Störungen und Vertrauensverlusten beteiligt war (vgl. zum Ganzen Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 1 WDS-VR 2.07 - Buchholz 449.7 § 48 SBG Nr. 2 m.w.N.).

14

Nach diesen Maßstäben durften die Vorgesetzten des Antragstellers von einem dienstlichen Bedürfnis für eine Versetzung gemäß Nr. 5 Buchst. h der Versetzungsrichtlinien ausgehen. Ohne dass es auf Einzelheiten ankäme, war der Antragsteller maßgeblich dafür verantwortlich, dass mehrere ihm unterstellte Soldaten ihre Anträge auf Weiterverpflichtung "in die Mülltonne" geworfen oder eine von ihm vorgefertigte Verzichtserklärung auf eine Weiterverpflichtung unterschrieben haben. Damit war der Verdacht einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben, jedenfalls aber war der Antragsteller in dem genannten Sinne an den entstandenen Störungen und Vertrauensverlusten beteiligt. Dass eine gegen den Antragsteller deswegen verhängte Disziplinarbuße in Höhe von 800 Euro später wieder aufgehoben wurde, beruhte nicht auf einer veränderten Feststellung oder Bewertung des Sachverhalts, sondern auf einem Zuständigkeitsfehler, weil die Disziplinarmaßnahme nicht von dem Bataillonskommandeur hätte getroffen werden dürfen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Vorgesetzten es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensverlustes als erschwerend bewertet haben, dass der Antragsteller in seiner herausgehobenen Funktion als Kompaniefeldwebel gehandelt hat. Was die hieraus resultierende Belastung des Dienstbetriebs betrifft, ist nicht nur auf die Einschätzung durch den (stellvertretenden) Kommandeur des ...bataillons ... und den Kommandeur der ...brigade ... zu verweisen, die den Antragsteller auf seinem bisherigen Dienstposten für nicht mehr tragbar hielten, sondern auch darauf, dass der Antragsteller selbst in dem Personalgespräch vom 31. März 2009 erklärt hat, keine Verwendung im ...bataillon ... mehr zu wünschen.

15

Bestand danach ein dienstliches Bedürfnis für die Wegversetzung des Antragstellers von dem Dienstposten bei der 6./...bataillon ..., begründete dieser Umstand zugleich das dienstliche Bedürfnis für seine - mit der Versetzung zur 2./...bataillon ... zum 1. Mai 2010 endende - Zuversetzung auf den Dienstposten eines Nachschubfeldwebels beim ...zentrum ...; der Antragsteller hat keine substantiierten Einwände gegen seine Eignung für diesen Dienstposten vorgebracht. Schließlich bestehen auch für etwaige Fehler bei der Ermessensausübung keine Anhaltspunkte.

16

Ein Ausspruch, dass Kosten des Verfahrens dem Bund aufzuerlegen sind, kommt damit nicht in Betracht.

Golze
Dr. Frentz
Dr. Langer

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