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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 08.10.2013, Az.: BVerwG 8 B 57.13
Anforderungen an die Geltendmachung einer Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.10.2013
Referenz: JurionRS 2013, 47107
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 57.13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Gera - 13.06.2013 - AZ: VG 5 K 1508/12 Ge

BVerwG, 08.10.2013 - BVerwG 8 B 57.13

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Nach § 67 Abs. 6 S. 5 VwGO muss das Gericht die Ladung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers richten. Sie dem Kläger selbst zuzustellen, war es wegen der Bestellung des Prozessbevollmächtigten weder verpflichtet noch berechtigt. Gleiches gilt für die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers.

  2. 2.

    Der Eintritt der Rechtskraft gemäß § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 705 ZPO wird durch das Einlegen einer Anhörungsrüge nicht gehemmt, weil diese kein Rechtsmittel im Sinne des § 705 ZPO ist.

  3. 3.

    Wie weit die materielle Rechtskraft nach § 121 VwGO reicht, ist eine materiellrechtliche Frage, die nicht Gegenstand der Verfahrensrüge sein kann. Ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen neuen tatsächlichen Vorbringens, das den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO oder das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzte, ist nicht substantiiert gemäß § 133 Abs. 3 S. 3 VwGO, wenn lediglich der Hinweis auf eingeschobenes schriftsätzliches Vorbringen aus dem Klageverfahren und die Darlegung einer eigenen, von der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung abweichenden Tatsachenbewertung erfolgen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Oktober 2013
durch
den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab
und Dr. Rudolph
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 13. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 41 107,86 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Kläger wenden sich gegen den Widerruf eines Investitionsvorrangbescheides nach rechtskräftiger Aufhebung des Feststellungsbescheides über die Durchführung der zugesagten Investitionsmaßnahmen; außerdem begehren sie erneut den Erlass eines Durchführungsfeststellungsbescheides. In der Zeit von 1982 bis 1985 erwarben sie sämtliche Eigentumsanteile an dem verfahrensgegenständlichen, zuvor im Eigentum der Beigeladenen und deren Rechtsvorgänger stehenden Hausgrundstück. Das Gebäude nutzten die Kläger bereits seit 1964/65 als Arztpraxis und Wohnung. Nachdem die Beigeladenen die Rückübertragung beantragt hatten, erließ der Beklagte auf Antrag der Kläger am 15. April 1997 einen Investitionsvorrangbescheid. Er setzte den Klägern zur Durchführung der von ihnen zugesagten Investitionsmaßnahmen im Umfang von ca. 380 000 DM eine Frist zum 31. Dezember 1998 und gab als Investitionszweck die Erhaltung und Schaffung von je drei Arbeitsplätzen an. Mit Bescheid vom 3. Februar 1999 stellte der Beklagte fest, die zugesagten Maßnahmen seien im Wesentlichen fertig gestellt. Auf die Klage der Beigeladenen wurde dieser Bescheid mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 - BVerwG 8 C 6.10 - aufgehoben. Eine Anhörungsrüge der Kläger blieb erfolglos (Beschluss vom 17. Juni 2011 - BVerwG 8 C 3.11 -). Ihren Antrag auf erneuten Erlass eines Durchführungsfeststellungsbescheides lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Juni 2011 ab. Auf Antrag der Beigeladenen widerrief er mit weiterem Bescheid vom 20. Dezember 2011 den Investitionsvorrangbescheid vom 15. April 1997. Gegen beides erhoben die Kläger vergeblich Widerspruch. Mit rechtskräftigen Urteilen vom 28. März 2012 bestätigte das Verwaltungsgericht die Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung der Beigeladenen und gab ihrer Klage auf Rückübertragung des Grundstücks statt (vgl. Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - BVerwG 8 B 58.12 und 8 B 64.12; zu den dagegen erhobenen Anhörungsrügen vgl. die Beschlüsse vom 17. September 2013 - BVerwG 8 B 12.13 und 8 B 13.13 -). Die Klage der Kläger gegen den Widerruf des Investitionsvorrangbescheides und auf erneuten Erlass eines Durchführungsfeststellungsbescheides hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die dagegen eingelegte, auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung gemäß §132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Sie legt auch keinen Verfahrensmangel dar, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3

1. Die Anforderungen an eine Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt, weil die Beschwerdebegründung keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts herausarbeitet, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukäme (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Sie macht lediglich geltend, die Vorinstanz und das Bundesverwaltungsgericht hätten Vorschriften des Vermögens- und des Investitionsvorranggesetzes im konkreten Fall grob fehlerhaft angewendet und dabei insbesondere die Bestandskraft früherer, den Klägern günstigerer Verwaltungsentscheidungen, das Fehlen eines wirksamen Rückübertragungsantrags, die Übereinstimmung des klägerischen Grundstückserwerbs mit der Rechtsordnung der DDR sowie eine Verlängerung der Frist zur Durchführung der investiven Maßnahmen verkannt. Das weitere Vorbringen der Kläger, das die Fehlerhaftigkeit anderer vorinstanzlicher und revisionsgerichtlicher Entscheidungen rügt, kann keine grundsätzliche Bedeutung der Sache darlegen, weil die Grundsatzfrage sich im vorliegenden Verfahren stellen muss.

4

2. Der Beschwerdebegründung ist keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu entnehmen. Sie zeigt keinen das angegriffene Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz auf, der einem ebensolchen, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten und dessen Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widerspräche (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18). Vielmehr macht sie geltend, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Bindung an vorinstanzliche Feststellungen sei widersprüchlich und treffe nicht zu.

5

3. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch kein Verfahrensmangel, auf dem das angegriffene Urteil beruhen kann.

6

Die Beiladung der Beigeladenen war nach § 65 VwGO zulässig, weil die begehrte Sachentscheidung deren Interessen berühren konnte. Ob die Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig war, ist für ihre Zulässigkeit unerheblich. Unabhängig davon ist nicht erkennbar, inwieweit das angegriffene Urteil auf der Beiladung oder auf der Ablehnung des Begehrens der Kläger, diese aufzuheben, beruhen könnte.

7

Entgegen der Auffassung der Kläger war eine Verhandlung in ihrer Abwesenheit nicht schon unzulässig, weil nur ihr damaliger Prozessbevollmächtigter unter Hinweis auf diese Möglichkeit nach § 102 Abs. 2 VwGO zum Termin geladen, ihnen selbst aber keine persönliche Ladung mit einem solchen Hinweis zugestellt worden war. Nach § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO musste das Gericht die Ladung an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger richten. Sie diesen selbst zuzustellen, war es wegen der Bestellung des Prozessbevollmächtigten weder verpflichtet noch berechtigt. Gründe, deretwegen es das persönliche Erscheinen der Kläger hätte anordnen müssen, sind nicht geltend gemacht. Im Übrigen wäre auch eine solche Anordnung über den Prozessbevollmächtigten zuzustellen gewesen. Dieser teilte erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit, er lege sein Mandat nieder.

8

Weitere Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Entscheidung in Abwesenheit der Kläger, etwa wegen der Zurückweisung des Herrn K. als Prozessvertreter oder wegen des Absehens von einer Vertagung nach der Zurückweisung, haben die Kläger im vorliegenden Verfahren nicht gerügt. Jedenfalls fehlt es an einer prozessordnungsgemäßen Substantiierung entsprechender Rechtsverstöße gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und an einer Darlegung, dass das angegriffene Urteil auf solchen Mängeln beruhen kann. Nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz, die der Prüfung von Verfahrensfehlern zugrunde zu legen ist, schied eine den Klägern günstigere Entscheidung schon wegen der Rechtskraft des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 betreffend die Aufhebung des Durchführungsfeststellungsbescheides und wegen der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. März 2012 betreffend den Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen aus. Entgegen der Annahme der Kläger hat das Verwaltungsgericht die Rechtskraft auch nicht prozessrechtswidrig bejaht. Der Eintritt der Rechtskraft gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 705 ZPO wird durch das Einlegen einer Anhörungsrüge nicht gehemmt, weil diese kein Rechtsmittel im Sinne des § 705 ZPO ist (Beschluss vom 18. Februar 2010 - BVerwG 9 KSt 1.10 und 9 KSt 2.10 - AGS 2010, 304).

9

Ein Verfahrensmangel, auf dem das verwaltungsgerichtliche Urteil beruhen kann, ist auch nicht mit dem Vorbringen der Kläger zur angeblich fehlerhaften Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das Verwaltungsgericht und zum behaupteten Missbrauch des § 23 Abs. 2 Satz 1 InVorG i.V.m. § 17a Abs. 2 und 3 GVG dargetan. Abgesehen davon, dass § 23 Abs. 2 Satz 1 InVorG - wie § 37 VermG - die sonst nach § 146 Abs. 2 VwGO unstatthafte Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs ausschließt, lässt das Beschwerdevorbringen nicht erkennen, weshalb das Verwaltungsgericht die Ablehnungsgesuche nicht für offensichtlich unzulässig hätte halten dürfen. Dem Beschwerdevorbringen zufolge gründete sich die Ablehnung auf den Vorwurf der Rechtswidrigkeit einer Beiladung, der Verwerfung einer Gegenvorstellung und der Ablehnung einer Ruhensanordnung, ohne auf die Person der mitwirkenden Richter bezogene Gesichtspunkte aufzuzeigen, die geeignet sein könnten, Rückschlüsse auf eine mögliche Voreingenommenheit zuzulassen.

10

Soweit die Kläger rügen, das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Unrecht für unzulässig gehalten, kann offenbleiben, ob in einer fehlerhaften Anwendung von Zulässigkeitsvorschriften ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu sehen wäre. Das entsprechende Vorbringen der Kläger beschränkt sich jedenfalls darauf, die vom Verwaltungsgericht angenommene Reichweite der materiellen Rechtskraftbindung nach § 121 VwGO in Zweifel zu ziehen und geltend zu machen, das Verwaltungsgericht habe neuen, die Bindung in Frage stellenden Sachvortrag übergangen. Beides legt keinen verfahrensrechtlichen Mangel dar.

11

Wie weit die materielle Rechtskraft nach § 121 VwGO reicht, ist eine materiellrechtliche Frage, die nicht Gegenstand der Verfahrensrüge sein kann. Ein verfahrensfehlerhaftes Übergehen neuen tatsächlichen Vorbringens, das den Überzeugungsgrundsatz gemäß § 108 Abs. 1 VwGO oder das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verletzte, ist nicht substantiiert gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Der Hinweis auf eingeschobenes schriftsätzliches Vorbringen aus dem Klageverfahren und die Darlegung einer eigenen, von der gerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung abweichenden Tatsachenbewertung genügen dazu nicht. Unabhängig davon handelt es sich bei den eingeschobenen Textpassagen um Vortrag zu den bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren eingehend erörterten Gesichtspunkten, insbesondere zur Wirksamkeit des Restitutionsantrags der Beigeladenen, zur Auslegung des Investitionsvorrangbescheides, zu den Anforderungen an die Durchführung des Vorhabens, vor allem im Hinblick auf den Stand der Bauarbeiten, das Volumen der noch ausstehenden Maßnahmen, die Sicherung und Schaffung von je drei Vollzeit-Arbeitsplätzen und die Anrechenbarkeit von Teilzeitstellen sowie einer rechtzeitig beantragten, nach Auffassung der Kläger bestandskräftig bewilligten Verlängerung der Durchführungsfrist im Hinblick auf die auch nach ihren Angaben erst nach dem 31. Dezember 1998 vorgenommenen Dach- und Fassadenarbeiten. Neue, aus der materiell-rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts trotz der Rechtskraftbindung entscheidungserhebliche Tatsachen, die etwa einen Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründen könnten, werden dabei nicht aufgezeigt. Stattdessen stellt die Beschwerdebegründung die klägerische Würdigung des bereits in den vorangegangenen Verfahren vorliegenden Prozessstoffs der angegriffenen gerichtlichen Würdigung gegenüber. Das gilt auch für den Vortrag der Kläger, das Verwaltungsgericht habe die bestandskräftige, von den revisionsgerichtlichen Entscheidungen nicht in Abrede gestellte Verlängerung der Durchführungsfrist übersehen. Die Beschwerdebegründung räumt selbst ein, dass das rechtskräftige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2011 - BVerwG 8 C 6.10 - von der - tragenden - Erwägung ausgeht, es fehle schon an dem für die Fristverlängerung erforderlichen Antrag.

12

Rechtliche Einwände gegen dieses Urteil und gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2013 - BVerwG 8 B 58.12 und BVerwG 8 B 64.12 - sind nicht geeignet, Verfahrensmängel der hier angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufzuzeigen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG.

Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert

Dr. Rudolph

Dr. Held-Daab

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