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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 07.07.2016, Az.: BVerwG 2 B 29.16
Einleitung eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens wegen des Verdachts der Unterschlagung und Veruntreuung von Geldbeträgen
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.07.2016
Referenz: JurionRS 2016, 23301
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 29.16
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2016:070716B2B29.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Nordrhein-Westfalen - 20.01.2016 - AZ: 3d A 584/12.O

BVerwG, 07.07.2016 - BVerwG 2 B 29.16

Redaktioneller Leitsatz:

Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juli 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

2

1. Der 1972 geborene Beklagte steht als Stadthauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst der Klägerin. Am 7. August 2006 erstattete die Klägerin Strafanzeige gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Unterschlagung und Veruntreuung von Geldbeträgen von Bediensteten der Klägerin sowie betrügerischen Verhaltens zum Nachteil der Klägerin. Bei internen Überprüfungen des Festausschusses sei festgestellt worden, dass es bei der Durchführung von betrieblichen Veranstaltungen wie Weihnachtsfeier oder Sommerfest in den Jahren 2004 bis 2006 zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Diese seien dem Beklagten anzulasten, weil er für die finanzielle Abwicklung der Veranstaltungen zuständig gewesen sei. Noch am selben Tag beantragte der Beklagte die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich. Mitte Januar 2007 erhob die Staatsanwaltschaft gegen den Beklagten Anklage wegen Betrugs in vier Fällen und wegen Untreue in einem Fall. Der Beklagte habe von den Teilnehmerbeiträgen der Feiern der Dienststelle insgesamt 4 426,72 € nicht zur Bezahlung dieser Veranstaltungen, sondern treuwidrig für eigene Zwecke verwendet. Ferner habe er gegenüber der Klägerin bei den Anträgen auf Übernahme der durch die Beiträge der Teilnehmer nicht gedeckten Kosten der Betriebsfeiern die tatsächliche Höhe der Teilnehmerbeiträge verschwiegen und habe Aufwendungen vorgegeben, die er tatsächlich nicht getätigt habe. In Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Beklagten habe die Klägerin zu Unrecht Zuschüsse zu den Kosten der Betriebsfeiern gezahlt. Ende Januar 2009 klagte die Staatsanwaltschaft den Beklagten ferner an, durch 59 selbstständige Handlungen Untreue begangen zu haben, wobei er in 55 Fällen gewerbsmäßig gehandelt habe. Der Beklagte habe im Zeitraum von 2000 bis 2005 als Kassierer des Stadtverbandes einer Partei in mindestens 59 Fällen die Zugriffsmöglichkeit auf das Konto des Parteiverbandes dazu genutzt, um Beträge in Höhe von insgesamt 17 740,79 € für sich abzuheben und zu verwenden. In der Hauptverhandlung im August 2009 stellte das Amtsgericht das Verfahren hinsichtlich der Anklage vom Januar 2007 nach § 154 Abs. 2 StPO ein. Ferner verurteilte es den Beklagten wegen 54 Fällen der Untreue in einem besonders schweren Fall sowie wegen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

3

Auf die Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht den Vorwurf, der Beklagte habe sich Beiträge von Bediensteten zu Festen in der Dienststelle zugeeignet und die Klägerin veranlasst, diese Beträge als Festzuschuss auszugleichen, nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 55 Abs. 1 Satz 1 LDG NW aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

4

Durch das strafgerichtlich abgeurteilte Verhalten (die Veruntreuung der Parteigelder) habe der Beklagte gegen die ihm obliegende Wohlverhaltenspflicht verstoßen, wonach das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden müsse, die sein Beruf erfordere. Sein außerdienstliches Verhalten habe Zweifel hervorgerufen, ob er seine dienstlichen Pflichten beachten werde. Zudem könne sein Verhalten das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigen. Das außerdienstliche Verhalten des Beklagten sei auch disziplinarwürdig. Denn sein Verhalten sei in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beschädigen. Durch das von ihm begangene Dienstvergehen habe der Beklagte das Vertrauen der Allgemeinheit endgültig verloren, so dass er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei.

5

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst.

6

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

7

In Bezug auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wird in der Beschwerdebegründung keine grundsätzliche Frage formuliert, die im angestrebten Revisionsverfahren zu klären wäre. Vielmehr befasst sich die Beschwerde in der Art der Begründung einer zugelassenen Revision mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Frage, ob das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten einen hinreichenden Bezug zu seinem dienstlichen Aufgabenbereich aufweist. Zudem ist der in der Begründung verwendete Begriff der "finanzwirksamen Entscheidung" unklar. Dieser findet sich im Berufungsurteil lediglich im Tatbestand bei der Wiedergabe des Berufungsvorbringens des Beklagten (UA S. 19 Mitte).

8

3. Auch im Hinblick auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

9

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

10

Zwar leitet die Beschwerde aus dem Urteil des Senats vom 10. Dezember 2015 (- 2 C 50.13 - NVwZ-RR 2016, 421 Rn. 17) den Rechtssatz ab, dass bei einer gegen fremdes Vermögen gerichteten Straftat die Vorgabe einer Regeldisziplinarmaßnahme angesichts der Variationsbreite der Begehungsformen nicht möglich sei und dass ein wie auch immer gearteter Schematismus sich hier in besonderer Weise verbiete. In der Beschwerdebegründung wird aber nicht dargelegt, dass das Berufungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden Bemessung der konkreten Disziplinarmaßnahme einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt und angewendet hat.

11

4. Der vom Beklagten in der Beschwerdebegründung behauptete Verfahrensmangel (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

12

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe die ihm nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts dadurch verletzt, dass es die persönlichen Verhältnisse des Beklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten, insbesondere das Bestehen einer schweren, die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Depression, nicht aufgeklärt habe. Dies trifft nicht zu.

13

Zu Gunsten des Beklagten ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Beklagte wegen der schweren Erkrankungen seiner Eltern und schließlich des Todes seines Vaters im Zeitraum von April bis Juli 2005 im Sinne des "anerkannten" Milderungsgrundes in einer negativen, inzwischen aber überwundenen Lebensphase befunden hat, die ihn zeitweilig "aus der Bahn geworfen hat". Anhaltspunkte für ein längeres Andauern einer solchen negativen Lebensphase im Tatzeitraum (März 2003 bis Juli 2005), die dem Oberverwaltungsgericht Anlass zu weiteren Ermittlungen hätten geben können, sind aber weder aus der Akte ersichtlich noch werden sie in der Beschwerdebegründung entsprechend § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet.

14

Das Entsprechende gilt für die Behauptung der Beschwerde, der Beklagte habe nicht nur im Zeitraum von Mitte Juli 2006 bis Anfang Februar 2009, sondern bereits im Tatzeitraum von März 2003 bis Juli 2005 an einer schweren Depression gelitten. Insbesondere ist seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht weder auf das Vorliegen einer Depression bereits im Tatzeitraum hingewiesen noch ist ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis des Bestehens dieser Erkrankung bereits zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten gestellt worden.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NW erhoben werden.

Domgörgen

Dr. Hartung

Dollinger

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