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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 05.10.2011, Az.: BVerwG 6 P 19.10
Stellenbewertungen als mitbestimmungspflichtige Maßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 1, § 51 Abs. 1 S. 1 MBGSH
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.10.2011
Referenz: JurionRS 2011, 26933
Aktenzeichen: BVerwG 6 P 19.10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Schleswig - 08.12.2009 - AZ: VG 19 A 8/09

OVG Schleswig-Holstein - 14.06.2010 - AZ: OVG 12 LB 5/10

Fundstellen:

DÖV 2012, 76

NVwZ-RR 2012, 73

PersR 2012, 34-36

PersV 2012, 138-139

ZTR 2012, 56-57

BVerwG, 05.10.2011 - BVerwG 6 P 19.10

Amtlicher Leitsatz:

Stellenbewertungen sind keine mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH.

In der Personalvertretungssache

hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 5. Oktober 2011

durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann

und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge, Vormeier, Dr. Bier

und Dr. Möller

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts - Fachsenat für Mitbestimmungssachen/Land - vom 14. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Bei der Deutschen Rentenversicherung Nord ist als Stabsstelle der Geschäftsführung eine Stellenbewertungskommission eingerichtet. Diese setzt sich zusammen aus drei von der Geschäftsführung benannten Mitgliedern mit Stimmrecht sowie einem Mitglied des Gesamtpersonalrats, des Beteiligten zu 2, mit beratender Stimme. Sie erarbeitet Vorschläge für die Bewertung der Stellen und Planstellen. Über die Vorschläge entscheidet die Geschäftsführung.

2

Das Begehren des Antragstellers auf Feststellung, dass die Bewertung von Stellen, die dem Standort Hamburg der Deutschen Rentenversicherung Nord zuzuordnen sind, seiner Mitbestimmung unterliegt, hat das Verwaltungsgericht aus folgenden Gründen abgelehnt: Die vorbereitende Stellenbewertung durch die Stellenbewertungskommission und die nachfolgende Entscheidung der Geschäftsführung über die Stellenbewertung seien keine mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen. Durch die Stellenbewertung erführen weder die Beschäftigungsverhältnisse noch die Arbeitsbedingungen eine Änderung. Stellenbewertungen seien überindividuell, entbehrten einer Außenwirkung und seien außerdem völlig objektiviert, d.h. nicht personen-, sondern funktionsbezogen.

3

Die Beschwerde des Antragstellers hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen.

4

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Wegen der vorliegenden Besonderheiten lösten Stellenbewertungen bei der Deutschen Rentenversicherung Nord Mitbestimmungsrechte aus. Es gehe hier nicht um die Bewertungen bereits vorhandener Stellen, sondern um neu zu schaffende Stellen, deren Bewertung die Vorwegnahme der Eingruppierung darstelle. Bei der Stellenbildung und den gegebenen Besonderheiten lägen zwei mitbestimmungspflichtige Maßnahmen vor, nämlich die Bewertung der Stelle als organisatorische, die Eingruppierung durch Besetzung als personelle Maßnahme. Für neu gebildete und einzuwertende Stellen, die dem Verwaltungsbereich Hamburg zuzuordnen seien, sei er zuständiges Mitbestimmungsorgan.

5

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und nach dem dort gestellten Antrag zu erkennen.

6

Die Beteiligte zu 1 beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt die Entscheidungen der Vorinstanzen.

II

8

Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 MBGSH vom 11. Dezember 1990, GVOBl Schl.-H. S. 577, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 4. Februar 2011, GVOBl Schl.-H. S. 34, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Stellenbewertungen sind keine mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen.

9

1. Auf die Deutsche Rentenversicherung Nord ist das Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein anzuwenden (vgl. Beschlüsse vom 17. Juli 2010 - BVerwG 6 PB 6.10 - [...] Rn. 4 ff. und vom 30. November 2010 - BVerwG 6 PB 16.10 - [...] Rn. 4).

10

2. Rechtsgrundlage für das streitige Mitbestimmungsbegehren sind die gesetzlichen Regelungen zur Allzuständigkeit des Personalrats. Demgemäß besagt § 2 Abs. 1 Nr. 1 MBGSH, dass der Personalrat mitbestimmt bei allen Maßnahmen der Dienststelle für die dort Beschäftigten. Die Konkretisierung findet sich in § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH. Danach bestimmt der Personalrat mit bei allen personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder sich auf sie auswirken.

11

a) Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt. Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben. Lediglich der Vorbereitung einer Maßnahme dienende Handlungen der Dienststelle sind, wenn sie nicht bereits die beabsichtigte Maßnahme vorwegnehmen oder unmittelbar festlegen, keine Maßnahmen (vgl. Beschluss vom 5. November 2010 - BVerwG 6 P 18.09 - [...] Rn. 11 m.w.N.). Von diesem Verständnis des Maßnahmebegriffs geht ausweislich der Gesetzesmaterialien auch der Landesgesetzgeber im Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein aus (vgl. LTDrucks 12/996 S. 107).

12

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelungen in § 2 Abs. 1, § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist das Vorliegen einer Maßnahme ausnahmslos Voraussetzung für das Eingreifen der Mitbestimmung. Das gilt unabhängig davon, ob die Handlung der Dienststelle personellen, sozialen, organisatorischen oder sonstigen innerdienstlichen Charakter aufweist. Auch eine Entscheidung der Dienststelle im organisatorischen Bereich muss sich daher auf das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen auswirken, um die Mitbestimmung auszulösen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Modell der Allzuständigkeit nach dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein nicht von anderen Personalvertretungsgesetzen, die abschließende Kataloge von Mitbestimmungstatbeständen enthalten.

13

b) Die hier in Rede stehenden Stellenbewertungen berühren nicht den Rechtsstand der Beschäftigten. Durch sie erfahren das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen keine Änderung. Sie sind keine Vorentscheidungen für mitbestimmungspflichtige Maßnahmen.

14

aa) Dies gilt zunächst für die Bewertung einer Stelle für Arbeitnehmer. Durch die Bewertung wird festgestellt, welche Tätigkeitsmerkmale der tariflichen Entgeltordnung die dem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben erfüllen. Das weitere Vorgehen des Dienststellenleiters hängt vom Ergebnis der Bewertung ab. Deckt sich diese mit der Entgeltgruppe, in welche der Stelleninhaber eingruppiert ist, so entfällt im Allgemeinen der Anlass für eine personelle Einzelmaßnahme; unter Umständen wird die bisherige Eingruppierung bestätigt. Aber auch im Fall einer Abweichung nach oben oder unten ist der Dienststellenleiter nicht auf eine bestimmte Maßnahme festgelegt. Er kann eine Höher- oder Rückgruppierung aussprechen. Er kann aber stattdessen den notwendigen Ausgleich auch dadurch herbeiführen, dass er dem Stelleninhaber eine Tätigkeit zuweist, welche den Tätigkeitsmerkmalen derjenigen Entgeltgruppe entspricht, in welche der Stelleninhaber bisher eingruppiert war. Schon diese Handlungsvarianten zeigen, dass durch die Stellenbewertung mitbestimmungspflichtige Maßnahmen gegenüber Arbeitnehmern nicht vorentschieden werden (vgl. Beschluss vom 6. Februar 1979 - BVerwG 6 P 20.78 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 9 S. 59 f.; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 Rn. 26; Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 69 Rn. 13; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, K § 75 Rn. 27).

15

Eine die Mitbestimmung beeinträchtigende Vorentscheidung liegt aber vor allem deswegen nicht vor, weil der Personalrat an das Ergebnis der Stellenbewertung nicht gebunden ist. Ihm sind im Rahmen der Mitbestimmung bei Ein-, Höher- und Rückgruppierung nach Maßgabe von § 49 Abs. 1 und 2 MBGSH die Untersuchungsbefunde der vom Dienststellenleiter eingesetzten Stellenbewertungskommission zugänglich zu machen, damit er Gelegenheit hat, das Ergebnis der Stellenbewertung nachzuvollziehen und kritisch zu überprüfen (vgl. Beschluss vom 9. Februar 1979 a.a.O. S. 60). Gelangt er dabei zu der Überzeugung, dass der Eingruppierungsvorschlag des Dienststellenleiters nicht im Einklang mit dem Regelwerk der tariflichen Entgeltordnung steht, so ist er berechtigt und verpflichtet, dem Vorschlag zu widersprechen.

16

Unterliegt daher die der Stellenbewertung nachfolgende personelle Einzelmaßnahme der vollen Überprüfung des Personalrats anhand der tariflichen Entgeltordnung, so entfällt jegliche Notwendigkeit, die Stellenbewertung als vorbereitende Handlung ihrerseits der Mitbestimmung zu unterziehen. Ob Stellen erstmals bewertet oder bereits bewertete Stellen überprüft werden, ist für die Effektivität der nachfolgenden personellen Mitbestimmung insbesondere in Eingruppierungsfällen ohne Bedeutung. Eine die Mitbestimmung aushöhlende Bindungswirkung löst die Stellenbewertung weder im einen noch im anderen Fall aus (vgl. zur Mitbestimmung bei korrigierender Höher- oder Herabgruppierung: Beschlüsse vom 13. Februar 1976 - BVerwG 7 P 4.75 - BVerwGE 50, 186 <188 ff.> = Buchholz 238.34 § 81 HmbPersVG Nr. 1 S. 3 ff., vom 6. Oktober 1992 - BVerwG 6 P 22.90 - Buchholz 251.8 § 80 RhPPersVG Nr. 9 S. 33 und vom 10. Juli 1995 - BVerwG 6 P 14.93 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 92 S. 23).

17

bb) Ebensowenig hat die Bewertung einer Stelle für Beamte Maßnahmecharakter. Diese Bewertung ist völlig objektiviert, d.h. nicht personen-, sondern funktionsbezogen. Die Dienstpostenbewertung ändert nichts an der besoldungsrechtlichen Einstufung des Dienstposteninhabers und bereitet deren Änderung auch nicht vor. Die Höhe der Besoldung des Dienstposteninhabers richtet sich ausschließlich nach dem ihm verliehenen Amt, nicht hingegen nach der Bewertung und haushaltsrechtlichen Ausweisung des Dienstpostens. Wird der von einem Beamten besetzte Dienstposten planstellenmäßig herabgestuft, so ist erst die etwa folgende Umsetzung auf einen dem Amt entsprechenden planmäßig ausgewiesenen Dienstposten eine der Mitbestimmung nach dem Grundsatz der Allzuständigkeit zugängliche Maßnahme. Die Niedrigerbewertung, die den Dienstposten auf das Amt des Inhabers herabstuft, berührt dessen Rechtsstellung ebenfalls nicht, sondern nimmt ihm lediglich die bisher bestehende, rechtlich aber nicht verfestigte Möglichkeit einer Beförderung. Die bloße Hoffnung oder Chance auf Beförderung ist kein personalvertretungsrechtlicher Ansatz für eine Beteiligung des Personalrats (vgl. Beschluss vom 30. Oktober 1979 - BVerwG 6 P 61.78 - Buchholz 238.3 A § 76 BPersVG Nr. 3; Rehak, a.a.O. § 76 Rn. 38a). Auch hier gilt, dass die Dienstpostenbewertung dem Personalrat in Mitbestimmungsverfahren wegen etwa folgender personeller Einzelmaßnahmen nicht bindet.

18

c) Nach den vorgenannten Grundsätzen ist die Stellenbewertung durch die Beteiligte zu 1, welche sie auf der Grundlage der Empfehlung der Stellenbewertungskommission vornimmt, keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme. Durch sie werden weder die Beschäftigungsverhältnisse noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei der Deutschen Rentenversicherung Nord verändert. Sie bindet den Antragsteller nicht, wenn sich ihr eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme anschließt.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 23 Abs. 3 Satz 2, § 33 Abs. 1 und 8 Satz 1 Halbs. 1 RVG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG analog).

Neumann

Büge

Vormeier

Dr. Bier

Dr. Möller

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