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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 04.06.2009, Az.: BVerwG 2 B 28.09
Verpflichtung der Evangelisch-Lutherischen Kirche als eine Körperschaft sui generis von einem weltlichen Gericht zur Anwendung staatlichen Rechts
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.06.2009
Referenz: JurionRS 2009, 22930
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 28.09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

OVG Schleswig - 31.07.2008 - AZ: 3 LB 31/06

Fundstelle:

KuR 2009, 282

BVerwG, 04.06.2009 - BVerwG 2 B 28.09

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juni 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Groepper und Dr. Burmeister
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 988,72 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1.

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob und inwieweit die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche als eine Körperschaft sui generis von einem weltlichen Gericht zur Anwendung staatlichen Rechts verpflichtet werden könne, insbesondere, ob sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts auf Grund eines vom Gericht so genannten "Gleichbehandlungsgrundsatzes" verpflichtet sei, in ihrem Bereich die staatlichen Übergangsregelungen im Gesetz zur Neuregelung der Versorgungsabschläge vom 19. Dezember 2000 bei vorzeitiger Versetzung des schwerbehinderten Klägers in den Ruhestand anzuwenden.

3

Die Beklagte wirft diese Frage vor dem Hintergrund auf, dass das kirchliche Versorgungsrecht auf das staatliche verweist, für den Versorgungsabschlag aber eine eigene Regelung enthält.

4

Die Frage kann in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, weil sie kein revisibles Recht betrifft (§ 137 Abs. 1 VwGO).

5

Im Bereich der beklagten Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche gilt für die Versorgung ihrer Pastoren und Kirchenbeamten das Kirchenversorgungsgesetz - KVersG - vom 3. Februar 1996 (GVOBl der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche S. 34) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1996 (GVOBl S. 109) mit späteren Änderungen. Nach § 2 dieses Gesetzes werden die Versorgungsbezüge in entsprechender Anwendung des für Beamte der Bundesrepublik Deutschland jeweils geltenden Beamtenversorgungsrechts gewährt, soweit nicht im Kirchenversorgungsgesetz oder in Rechtsverordnungen der Kirchenleitung etwas anderes bestimmt ist. Zum kirchlichen Versorgungsrecht gehören damit nicht nur die Vorschriften des Kirchenversorgungsgesetzes selbst, sondern auch die Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes; diese werden insoweit im Wege der dynamischen Verweisung ebenfalls kirchliches Recht. Als solches unterliegt es nicht der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

6

Von der Ermächtigung des § 135 Satz 2 BRRG, die Vorschriften des Kapitels II Abschnitt II des Beamtenrechtsrahmengesetzes und damit den die Revisibilität eröffnenden § 127 BRRG für anwendbar zu erklären, hat der kirchliche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht (vgl. hierzu Beschluss vom 10. Juni 2005 - BVerwG 2 B 97.04 - [...]). § 18 Abs. 1 KVersG eröffnet zwar für vermögensrechtliche Ansprüche aus diesem Kirchengesetz den Rechtsweg zu den staatlichen Verwaltungsgerichten (vgl. Urteil vom 28. April 1994 - BVerwG 2 C 23.92 - BVerwGE 95, 379 <380> = Buchholz 230 § 135 BRRG Nr. 6). Dieser Rechtsweg umfasst die Revisionsinstanz aber nur dann, wenn dies gemäß § 127 BRRG ausdrücklich angeordnet ist.

7

Die Bestimmungen des Kirchenversorgungsgesetzes sind auch nicht etwa deswegen revisibel, weil das Berufungsgericht zu seiner Auslegung einen Rechtsgrundsatz wie etwa den Gleichbehandlungsgrundsatz herangezogen hat, den es möglicherweise dem Bundesrecht entnommen hat. Denn auch ein dem Bundesrecht entnommener, auf irrevisibles Recht angewandter Auslegungsgrundsatz teilt die Rechtsnatur des auszulegenden Rechts und ist daher wie das auszulegende Recht selbst irrevisibel (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 7. März 1996 - BVerwG 4 B 36.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 8; vom 9. August 2002 - BVerwG 9 B 35.02 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 17; vom 21. März 2006 - BVerwG 10 B 2.06 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 25; vom 28. März 2007 - BVerwG 10 B 43.06 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 50 und vom 10. August 2007 - BVerwG 9 B 19.07 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 29).

8

2.

Erfolglos bleibt auch die Rüge, das Berufungsurteil weiche von der Entscheidung des Senats vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 22.06 - (Buchholz 232 § 47 BBG Nr. 3) ab und beruhe auf der Abweichung (Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). In diesem Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, der Antrag bestimme den Grund, weshalb der Beamte in den Ruhestand versetzt werde. Habe der Beamte als Grund sein Alter und nicht seine Schwerbehinderung geltend gemacht, komme nur eine Versetzung wegen Erreichens der vorgezogenen Altersgrenze in Betracht. Demgegenüber habe das Berufungsgericht die Schwerbehinderung des Klägers berücksichtigt, obwohl der Kläger seinen Antrag auf vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nicht auf seine Schwerbehinderung gestützt habe. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz liegt nur vor, wenn das angegriffene Urteil mit einem zu einer bestimmten Vorschrift aufgestellten Rechtssatz von einem Rechtssatz abweicht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellt hat. Die von der Beschwerde angezogene Entscheidung ist zu einer Versetzung in den Ruhestand nach den Vorschriften des Deutschen Richtergesetzes ergangen, während das angegriffene Urteil sich zur Versetzung des Klägers in den Ruhestand gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Pfarrergesetzes der VELKD geäußert hat. Auf eine hier etwa bestehende Divergenz kann die Zulassung der Revision nicht gestützt werden.

9

3.

Schließlich rügt die Beschwerde, das Berufungsurteil beruhe auf einem Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Der das Urteil tragende Gesichtspunkt (nämlich die Rechtswidrigkeit des Versorgungsabschlags wegen der Schwerbehinderung des Klägers) sei erstmals in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden zur Diskussion gestellt worden. Er habe im gerichtlichen Verfahren bis dahin keinerlei Rolle gespielt. Die Entscheidung sei deshalb eine Überraschungsentscheidung gewesen.

10

Diese Rüge greift nicht durch. Der Kläger hat bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend gemacht, er sei erheblich hörbehindert und deshalb berechtigt gewesen, bereits mit 63 Jahren in Pension zu gehen, ohne einen Abschlag vom Ruhegehalt hinnehmen zu müssen (Klageschrift vom 14. Mai 2004). Später hat er nochmals gerügt, seine Behinderung habe keine angemessene Berücksichtigung gefunden (Schriftsatz vom 30. Oktober 2006). Auch in der Berufungsinstanz hat er darauf hingewiesen, er hätte als Schwerbehinderter mit 63 Jahren ohne Versorgungsabschlag in den Ruhestand gehen können. Nachdem dieser Gesichtspunkt, wie die Beschwerde selbst vorträgt, auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erörtert worden ist, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt heranziehen würde. Unter diesen Umständen kann von einer Überraschungsentscheidung und einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO) keine Rede sein.

11

4.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG (zweifacher Jahresbetrag des Versorgungsabschlags).

Herbert
Groepper
Dr. Heitz

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