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Bundessozialgericht
Beschl. v. 28.07.2015, Az.: B 12 KR 123/14 B
Ablehnung der Befreiung von der Versicherungspflicht; Unzulässigkeit einer Klage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 28.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 23393
Aktenzeichen: B 12 KR 123/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 04.09.2014 - AZ: L 5 KR 261/13

SG Speyer - AZ: S 7 KR 712/11

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 28.07.2015 - B 12 KR 123/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Die Unzulässigkeit einer Klage wird erst dann angenommen, wenn ein Kläger durch den in Rede stehenden Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise in seinen Rechten verletzt sein kann.

2. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn bereits höchstrichterlich geklärt ist, dass ein Kläger aus der streitentscheidenden Norm keinerlei eigene Rechte herleiten kann.

3. Hat das LSG die Zulässigkeit der Klage verneint, bedarf es zur hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht nur eines Eingehens auf den prozessualen Gesichtspunkt, sondern auch auf die Gründe, die im Revisionsverfahren eine Entscheidung in der Sache erwarten lassen.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 123/14 B

L 5 KR 261/13 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 7 KR 712/11 (SG Speyer)

1. ...............................................,

Kläger zu 1. und Beschwerdeführer,

2. ...............................................,

Klägerin zu 2.,

Prozessbevollmächtigte zu 1. und 2.: ...............................................,

gegen

Continentale Betriebskrankenkasse,

Röntgenstraße 24 - 26, 22335 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 28. Juli 2015 durch den Richter Dr. M e c k e als Vorsitzenden sowie die Richter Prof. Dr. B e r n s d o r f f und B e c k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. September 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beklagten.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger zu 1. gegen die Ablehnung der Befreiung seiner Ehefrau (Klägerin zu 2.) von der Versicherungspflicht als Rentnerin in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch die beklagte Krankenkasse. Seine hiergegen gerichtete Klage hat das SG wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig verworfen. Die Klage der Klägerin zu 2. hat es als unbegründet abgewiesen, weil sie den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht binnen der Frist des § 8 Abs 1 S 1 SGB V, also innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht am 1.8.2002, sondern erst im Jahr 2010 gestellt habe. Die Berufungen der Kläger hat das LSG zurückgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat am 28.11.2014, dem Tag des Ablaufs der Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 S 2 SGG), allein der Kläger zu 1. nur im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Zu diesem Zeitpunkt lag weder ein Einverständnis noch eine Vollmacht der Klägerin zu 2. zur Einlegung einer Beschwerde in ihrem Namen vor, vielmehr hatte sie deutlich gemacht, nicht als Beschwerdeführerin erwähnt werden zu wollen.

II

3

Die Beschwerde des Klägers zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 4.9.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger zu 1. hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

1. Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

5

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

6

Der Kläger zu 1. beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 29.12.2014 (ergänzt durch Schriftsatz vom 10.3.2015) allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

7

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung stützt, genügt die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

In der Beschwerdebegründung führt der Kläger zu 1. auf Seite 3 aus, grundsätzliche Bedeutung habe die Frage,

"der Klagebefugnis des Klägers als selbst in eigenen Rechten verletzter Ehemann im Hinblick auf das Versicherungsverhältnis in der KVdR der Ehefrau".

9

Hierzu erläutert er, die Klagebefugnis sei auch dann gegeben, wenn eine eigene Grundrechtsverletzung im Raum stehe, vorliegend eine Verletzung seiner eigenen Rechte aus Art 6 Abs 1 GG. Dieser ziele auf den Schutz der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft von Eheleuten. Diese Gemeinschaft sei hier betroffen, weil seine tatsächlichen Entscheidungsmöglichkeiten für die Krankheitsvorsorge in der Ehe dadurch eingeschränkt seien, dass eine Aufnahme seiner Ehefrau in die Absicherung der privaten Krankenversicherung bzw die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV nur innerhalb einer Drei-Monats-Frist nach dem Renteneintritt gewährt werde. Die vom BSG angenommene Befugnis einer geschiedenen Ehefrau, im eigenen Namen Klage auf Feststellung der Versicherungspflicht ihres früheren Ehemannes zu erheben (BSG Urteil vom 22.6.1983 - 12 RK 35/82 = SozR 1500 § 55 Nr 22) müsse erst recht innerhalb der Ehe für die spiegelbildliche Feststellung der Befreiung von der Versicherungspflicht gelten. Die Frage sei nicht nur klärungsbedürftig, weil sie eine Vielzahl möglicher Fälle betreffe, sie könne auch im vorliegenden Verfahren geklärt werden, da sie so bisher noch nicht von den obersten Gerichten entschieden worden sei.

10

a) Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger zu 1. damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zum Anwendungsbereich einer revisiblen Norm aufgeworfen und den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dargelegt. Zwar enthält die Beschwerdebegründung knappe Ausführungen zu den Voraussetzungen der Klagebefugnis, zur Dogmatik des Art 6 Abs 1 GG sowie zum vermeintlichen Fehlen ausreichender Hinweise zur Beantwortung der formulierten Frage in der Rechtsprechung des BSG. Den an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage zu stellenden Anforderungen genügen diese Ausführungen jedoch insbesondere deshalb nicht, weil der Kläger zu 1. nicht darlegt, warum sich auf Grundlage der - von ihm selbst mittels eines Zitats aus der Kommentarliteratur in Bezug genommenen - jüngeren Rechtsprechung des BSG zur Unterscheidung von Zulässigkeit und Begründetheit der Klage nach § 54 SGG noch nicht ausgeräumte Zweifel an der Klagebefugnis (also der Zulässigkeit der Klage) im vorliegenden Fall ergeben könnten. So wird die Unzulässigkeit einer Klage nach dieser Rechtsprechung erst dann angenommen, wenn ein Kläger durch den in Rede stehenden Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise in seinen Rechten verletzt sein kann. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn bereits höchstrichterlich geklärt ist, dass ein Kläger aus der streitentscheidenden Norm keinerlei eigene Rechte herleiten kann (vgl BSGE 105, 10 = SozR 4-5520 § 24 Nr 3, RdNr 16 mwN). Ob sich die von einem Kläger behaupteten Rechte tatsächlich aus der Norm herleiten lassen, ist erst eine Frage der Begründetheit der Klage, mithin keine Frage der zulässigkeitsbegründenden Klagebefugnis (vgl BSG, aaO, RdNr 17; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 14a). Indem der Kläger ausführt, es seien seine Rechte aus Art 6 Abs 1 GG verletzt und die vom BSG angenommene Befugnis einer geschiedenen Ehefrau, die Versicherungspflicht ihres früheren Ehemannes feststellen zu lassen (BSG Urteil vom 22.6.1983, aaO), sei auch auf sein Begehren, die Ablehnung der Befreiung seiner Ehefrau von der Versicherungspflicht als Rentnerin anzufechten, zu übertragen und dass die hier konkret zu entscheidende Frage damals nicht aufgegriffen worden sei, rügt er im Kern seines Vorbringens lediglich einen Rechtsanwendungsfehler des SG und LSG bei der Entscheidung über die Zulässigkeit seiner Klage. Dass bezüglich der Klagezulässigkeitsvoraussetzungen als solchen auch in Ansehung der genannten Rechtsprechung des BSG Klärungsbedarf bestünde, legt er gerade nicht dar. Auf einen Rechtsanwendungsfehler, also die vermeintliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung, kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch - wie oben bereits erörtert - nicht zulässig gestützt werden.

11

b) Zugleich genügt die Beschwerdebegründung des Klägers zu 1. nicht den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsfähigkeit der formulierten Frage. Entgegen den oben genannten Anforderungen wird darin nicht herausgearbeitet, dass es für die Entscheidung über den Rechtsstreit im angestrebten Revisionsverfahren auf die formulierte Frage ankommt, die Revision also nicht schon aus anderen Gründen zurückgewiesen werden könnte (zu dieser Voraussetzung vgl allgemein Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14k mwN). Hat das LSG - wie vorliegend - die Zulässigkeit der Klage verneint, bedarf es zur hinreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit nicht nur eines Eingehens auf den prozessualen Gesichtspunkt, sondern auch auf die Gründe, die im Revisionsverfahren eine Entscheidung in der Sache erwarten lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16; BSG Beschluss vom 26.10.2010 - B 12 KR 96/09 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14i). Dazu hätte der Kläger zu 1. insbesondere darlegen müssen, dass die angefochtenen Bescheide über die Ablehnung der Befreiung der Klägerin zu 2. von der Versicherungspflicht in der GKV wegen formeller oder materieller Mängel notwendig auf seine Klage hin aufzuheben wären, wenn diese vor dem SG zulässig gewesen und die angestrebte Revision in Bezug auf die Frage seiner Klagebefugnis begründet wäre. Hierzu enthält der auf die "Klage Kläger Ziffer 1" bezogene Teil der Beschwerdebegründung keinerlei substantiierte Ausführungen. Die im Anschluss hieran im Begründungsteil zur "Klage Klägerin Ziffer 2" (S 6 ff der Beschwerdebegründung) folgenden Ausführungen zu deren vermeintlicher Begründetheit und den sich dort stellenden Rechtsfragen sind schon deshalb nicht zur Darlegung der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Rahmen der Klage des Klägers zu 1. geeignet, weil die Abweisung der Klage der Klägerin zu 2. durch das SG (als unbegründet) nach Zurückweisung der Berufung durch das LSG mangels fristgerechter Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin zu 2. in Rechtskraft erwachsen ist. Aus diesem Grunde kommt es für die Frage der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 1. auch nicht auf die in der Beschwerdebegründung zur "Klage Klägerin Ziffer 2" formulierten Fragestellungen an.

12

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 1 VwGO. Eine Kostenprivilegierung des Klägers zu 1. nach § 183 SGG kommt nicht in Betracht, da dieser nicht zum dort genannten Personenkreis gehört. Der Kläger zu 1. hat die Beschwerde ausschließlich im eigenen Namen eingelegt. Er selbst ist jedoch weder Versicherter noch würde er im Falle des Obsiegens zu diesem Personenkreis gehören. Eine Kostenerstattung allein zugunsten der Beklagten entspricht der Billigkeit, denn die Klägerin zu 2. hat weder selbst Beschwerde eingelegt noch Anträge gestellt.

14

4. Der Streitwert war für das Beschwerdeverfahren gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG in Höhe des Auffangstreitwerts festzusetzen.

Dr. Mecke
Prof. Dr. Bernsdorff
Beck

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