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Bundessozialgericht
Beschl. v. 24.08.2015, Az.: B 13 R 239/15 B
Teilweise Aufhebung einer Altersrentenbewilligung; Grundsatzrüge; Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage; Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung.
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.08.2015
Referenz: JurionRS 2015, 24773
Aktenzeichen: B 13 R 239/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Thüringen - 20.05.2015 - AZ: L 12 R 1242/12

SG Meiningen - AZ: S 7 R 3277/09

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 24.08.2015 - B 13 R 239/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.

2. Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung.

3. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 239/15 B

L 12 R 1242/12 (Thüringer LSG)

S 7 R 3277/09 (SG Meiningen)

........................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ............................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland,

Kranichfelder Straße 3, 99097 Erfurt,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 24. August 2015 durch den Richter G a s s e r als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. F i c h t e und Dr. K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 20. Mai 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das Thüringer LSG hat im Urteil vom 20.5.2015 die Rechtmäßigkeit von Bescheiden des beklagten Rentenversicherungsträgers bestätigt, mit denen dieser die Bewilligung einer von der Klägerin bezogenen Altersrente für Frauen aufgrund von Einkünften aus einer bei Antragstellung nicht angegebenen Beschäftigung für die Monate April bis August 2008 teilweise aufgehoben und die dadurch entstandene Überzahlung iHv 1512,93 Euro zurückgefordert hat.

2

Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil ausschließlich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Beschwerdebegründung vom 13.8.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn sie hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

Hierfür ist eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).

5

Das Vorbringen der Klägerin genügt diesen Anforderungen nicht. Sie benennt folgende Fragen als klärungsbedürftig:

(1) "Ist bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X eine Ermessensreduzierung auf Null rechtmäßig?"

(2) "Ist im Rahmen der Ermessensausübung nochmalig zu berücksichtigen, dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X erfüllt sind?"

(3) "Liegt ein Ermessensfehlgebrauch als Abwägungsdefizit dann vor, wenn die Behörde nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen gewesen wären, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat und die Verwaltungsakte der Behörde nicht erkennen lassen, aus welchen Gründen diese das Vorhandensein von weiteren Umständen verneint hat, die eine Ausübung des Ermessens zugunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten oder die Verwaltungsakte nicht ausführen, dass bestimmte benannte Umstände ein Absehen von der Rücknahme nicht rechtfertigen?"

6

Hinsichtlich Frage (1) kann offenbleiben, ob es sich hierbei überhaupt um eine aus sich heraus verständliche Rechtsfrage iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, Anwendbarkeit oder Vereinbarkeit einer konkret bezeichneten Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht handelt. Die Klägerin trägt nämlich vor, das LSG habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beklagte selbst für den Fall, dass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht anzunehmen sei, ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt habe. Weshalb die Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf Null unter bestimmten Umständen zu bejahen sei, in ihrem Fall gleichwohl entscheidungserheblich (klärungsfähig) sein könnte, erläutert sie jedoch nicht. Darüber hinaus stellt sie auch nicht dar, inwiefern im Lichte bereits vorhandener Rechtsprechung des BSG zur Ermessensausübung bei Anwendung des § 45 SGB X zu der genannten Frage noch weiterer oberstgerichtlicher Klärungsbedarf besteht (vgl BSG Urteil vom 11.4.2002 - B 3 P 8/01 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 2/14 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 27 RdNr 29 f mwN).

7

Auch zu Frage (2) hinsichtlich der Berücksichtigung bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen für eine Rücknahme erneut im Rahmen der Ermessensausübung hat die Klägerin weiteren Klärungsbedarf nicht aufgezeigt (vgl BSGE 59, 157, 171 [BSG 14.11.1985 - 7 RAr 123/84] = SozR 1300 § 45 Nr 19 S 66; s hierzu auch Schütze in von Wulffen, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 89 mwN).

8

Die aus zwei Teilfragen zusammengesetzte Frage (3) zum Vorliegen eines Ermessensfehlers in bestimmten - näher bezeichneten - Fallkonstellationen ist nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung jedenfalls in Bezug auf den ersten Teil der Frage bereits durch das Urteil des BSG vom 9.11.2010 (B 2 U 10/10 R - SozR 4-2700 § 76 Nr 2 RdNr 15) beantwortet. Weshalb hierzu weiterer Klärungsbedarf bestehen soll, lässt sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Der zweite Teil der Frage bezieht sich auf das Vorliegen eines Ermessensfehlers, wenn "die Verwaltungsakte nicht ausführen, dass bestimmte benannte Umstände ein Absehen von der Rücknahme nicht rechtfertigen". Damit thematisiert die Klägerin den erforderlichen Inhalt der Begründung einer Ermessensentscheidung gemäß § 35 Abs 1 S 2 SGB X. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, ob der Wortlaut der Vorschrift bereits eine hinreichend klare Antwort auf ihre Frage gibt. Ebenso wenig zeigt sie auf, dass der bisherigen Rechtsprechung des BSG zum erforderlichen Umfang der Begründung von Ermessensentscheidungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Antwort entnommen werden können. Mithin ist die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht hinreichend dargetan. Aber auch deren Klärungsfähigkeit ist nicht aufgezeigt, denn die Klägerin gibt nicht einmal an, welche Feststellungen das Berufungsgericht zum Inhalt der Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten getroffen hat.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

10

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Gasser
Dr. Fichte
Dr. Kaltenstein

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