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Bundessozialgericht
Beschl. v. 23.02.2015, Az.: B 9 SB 2/15 B
Feststellung eines Grades der Behinderung; Begriff der Hilflosigkeit; Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache; Klärungsbedürftige Rechtsfrage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.02.2015
Referenz: JurionRS 2015, 13681
Aktenzeichen: B 9 SB 2/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 11.12.2014 - AZ: L 3 SB 32/14

SG Gießen - AZ: S 16 SB 271/12

BSG, 23.02.2015 - B 9 SB 2/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt und die Anwendung mindestens einer Vorschrift des Bundesrechts betrifft (s. § 162 SGG).

2. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein.

3. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder bereits höchstrichterlich entschieden ist.

4. Das BSG hat insbesondere zur Feststellung des gesundheitlichen Merkmals der Hilfslosigkeit (Merkzeichen "H") ausgeführt, dass hilflos i.S. von § 33b Abs. 6 EStG stets ist, wer bei den von dieser Vorschrift erfassten Verrichtungen für mindestens zwei Stunden am Tag fremder Hilfe dauernd bedarf.

5. Bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden ist Hilfslosigkeit dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege besonders hoch ist.

in dem Rechtsstreit

Az: B 9 SB 2/15 B

L 3 SB 32/14 (Hessisches LSG)

S 16 SB 271/12 (SG Gießen)

......................................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

gegen

Land Hessen,

vertreten durch das Regierungspräsidium Gießen - Landesversorgungsamt Hessen -,

Landgraf-Philipp-Platz 1 - 7, 35390 Gießen,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Februar 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richterin Dr. R o o s und den Richter O t h m e r

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrte in der Hauptsache bisher die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von über 70 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen G und H. Diesen Anspruch hat das Hessische LSG mit Beschluss vom 11.12.2014 verneint, weil der Gesamt-GdB bei dem Kläger entsprechend dem Sachverständigengutachten des Dr. W vom 15.4.2013 mit 70 richtig bewertet worden sei. Dabei bestehe eine wesentliche Behinderung des Klägers in Form seiner Hirnschädigung mit einem Einzel-GdB von 60 sowie eine Neurodermitis mit einem Einzel-GdB von allenfalls 10. Entsprechend der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. B vom 14.9.2012 seien die weiteren Behinderungen des Klägers an der Wirbelsäule, dem linken Bein und in Form der Hämorrhoiden jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Das LSG trete den Einzel-GdB-Bewertungen des Sachverständigen Dr. W und der Versorgungsärzte Dres. B und J vom 15.2.2013 bei der Gesamt-GdB-Bewertung ausdrücklich bei, da diese sich in Übereinstimmung mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen befänden, die zum Zwecke der Gleichbehandlung auf alle Behinderten anzuwenden seien. Vor diesem Hintergrund sei auch die Feststellung der Nachteilsausgleiche G (erhebliche Gehbehinderung) und H (Hilfslosigkeit) zu verneinen. Zwar werde der Kläger durch seine geistige Behinderung im Alltag deutlich behindert in der Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben und der erste Arbeitsmarkt sei ihm verschlossen, sodass er in einer Werkstatt für Behinderte tätig sein müsse. Mit diesen Einschränkungen erreiche der Kläger aber eine so weitgehende Hilfebedürftigkeit nicht, wie sie für die Feststellung des Nachteilsausgleichs H gefordert werde. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R) sei dafür ein Hilfebedarf bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens im Umfang von zwei Stunden pro Tag mindestens notwendig. Demgegenüber könne der Kläger sein Leben im sozialen und beruflichen Umfeld weitgehend alleine bewältigen und bedürfe keiner ständigen Hilfe.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG hat der Kläger selbst Beschwerde eingelegt und zugleich unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt. Dabei geht es ihm ausschließlich noch um die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs H.

II

3

Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.

4

Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision ist danach zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Beschlusses und des Vortrags des Klägers keiner feststellen.

5

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 [BSG 22.08.1975 - 11 BA 8/75] = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und die Anwendung mindestens einer Vorschrift des Bundesrechts betrifft (s § 162 SGG). Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 [BSG 04.06.1975 - 11 BA 4/75] = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65). Rechtsfragen, die in diesem Sinne klärungsbedürftig sein könnten, sind hier nicht ersichtlich.

6

Das LSG hat mit dem angefochtenen Beschluss unter Auswertung des gesamten Streitstoffs den geltend gemachten Anspruch des Klägers abgelehnt, weil rechtlich und tatsächlich weder die Voraussetzungen für die Feststellung eines höheren GdB als 70 noch die der Merkzeichen G und H vorlägen. Bei der rechtlichen Bewertung hat sich das LSG auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BSG gestützt. Dieses hat insbesondere zur Feststellung des gesundheitlichen Merkmals der Hilfslosigkeit (Merkzeichen "H") ausgeführt, dass hilflos iS von § 33b Abs 6 Einkommensteuergesetz (EStG) stets ist, wer bei den von dieser Vorschrift erfassten Verrichtungen für mindestens zwei Stunden am Tag fremder Hilfe dauernd bedarf. Bei einem täglichen Zeitaufwand für fremde Hilfe zwischen einer und zwei Stunden ist Hilfslosigkeit dann anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Wert der erforderlichen Pflege besonders hoch ist (vgl Urteil vom 12.2.2003 - B 9 SB 1/02 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 1). Eine in diesem Zusammenhang bestehende klärungsbedürftige Rechtsfrage, zu der insbesondere noch keine Rechtsprechung des BSG vorliegt, ergibt sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen des Klägers.

7

Eine Zulassung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG scheidet ebenfalls aus. Die danach erforderliche Abweichung (Divergenz) ist gegeben, wenn das angefochtene Urteil auf einer bestimmten Rechtsauffassung beruht, die zu der in einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG zugrunde gelegten Rechtsansicht im Widerspruch steht. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Insbesondere hat sich das LSG an der Rechtsprechung des BSG orientiert.

8

Zudem ist auch kein Verfahrensmangel ersichtlich, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Ein solcher lässt sich jedenfalls weder dem Vorbringen des Klägers noch den vorliegenden Gerichtsakten entnehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

9

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73 Abs 1 S 1 iVm § 121 ZPO).

10

Die von dem Kläger persönlich eingelegte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften. Der Kläger muss sich vor dem BSG gemäß § 73 Abs 4 SGG durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, da er selbst nicht zum Kreis der vertretungsbefugten Personen gehört. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils ausdrücklich hingewiesen worden.

11

Die Verwerfung der nicht formgerecht eingelegten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Roos
Othmer

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