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Bundessozialgericht
Beschl. v. 22.11.2014, Az.: B 6 KA 33/14 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.11.2014
Referenz: JurionRS 2014, 27864
Aktenzeichen: B 6 KA 33/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Bayern - 30.04.2014 - AZ: L 12 KA 90/12

SG München - AZ: S 38 KA 955/11

BSG, 22.11.2014 - B 6 KA 33/14 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 33/14 B

L 12 KA 90/12 (Bayerisches LSG)

S 38 KA 955/11 (SG München)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Prüfungsstelle Ärzte Bayern,

Wernerwerkstraße 2, 93049 Regensburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin,

beigeladen:

1. Kassenärztliche Vereinigung Bayerns,

Elsenheimerstraße 39, 80687 München,

2. AOK Bayern - Die Gesundheitskasse,

Carl-Wery-Straße 28, 81739 München.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. Oktober 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r , die Richterin Dr. D ü r i n g und den Richter E n g e l h a r d sowie die ehrenamtlichen Richter N a c k e und H o h n l

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. April 2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9826 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger, der als Facharzt für Chirurgie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, wendet sich gegen einen Regress wegen der Verordnung von woundEL-Verbandelektroden in den Quartalen III/2009 (5101,28 Euro) und IV/2009 (4724,76 Euro). Die Elektroden werden im Rahmen einer Elektrotherapie mit niederfrequenten Strömen zur Wundbehandlung eingesetzt. Dabei wird die Verbandelektrode auf die Wunde, eine Disperserelektrode in 30 cm Abstand zur Wunde auf die gesunde Haut gelegt, beide Elektroden werden über ein Kabel mit dem woundEL-Elektrostimulationsgerät verbunden. 2 x 30 Minuten täglich wird vom Patienten selbst eine Elektrostimulation ausgelöst, die die Wundheilung beschleunigen soll. Mit Beschlüssen vom 26.8.2011 und 29.11.2011 entschied die beklagte Prüfungsstelle, die woundEL-Verbandelektroden seien ein nicht verordnungsfähiges Medizinprodukt. Das SG hat die Klagen hiergegen abgewiesen (Urteil vom 27.3.2012), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 30.4.2014). Als Medizinprodukt, das im Rahmen einer nicht anerkannten Behandlungsmethode eingesetzt werde, sei woundEL nicht verordnungsfähig. WoundEL sei kein Verbandmittel, weil die Verbandelektrode innerhalb des Therapiesystems nicht der Abdeckung der Wunde, sondern dem Anlegen von Strömen an die Wunde diene.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

II

3

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Soweit sein Vorbringen den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG genügt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

4

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG (vgl dazu BVerfGE 91, 93, 107 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt dann, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist und/oder wenn sie sich ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lässt (hierzu s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die BVerfG-Angaben in BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 sowie BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5).

5

Soweit der Kläger fragt:

"Entspricht die Definition des 'Verbandmittels' im Urteil des BSG vom 28.9.2006, AZ: B 3 KR 28/05, noch den Entwicklungen, die sich aus dem medizinischen Fortschritt der Wundbehandlung und der dazu verwendeten Verbandsmittel und Verbandszwecke? Geben die Innovationen im Bereich der Verbandsmittel, die weit über den Therapiezweck des Abdeckens oberflächengeschädigter Körperteile und des Aufsaugens von deren Körperflüssigkeit hinausgehen, Anlass für eine neue Auslegung des Rechtsbegriffs?"

ist bereits zweifelhaft, ob damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage formuliert ist. Ob die Auslegung eines Begriffs höchstrichterlich weiterzuentwickeln ist, kann nicht gänzlich abstrakt, sondern allenfalls im Hinblick auf bestimmte Aspekte in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig und -fähig sein. Soweit der Kläger die Frage konkret im Hinblick auf eine Qualifizierung von woundEL als Verbandmittel stellen will, ist die Klärungsbedürftigkeit zweifelhaft, weil die Frage einen Einzelfall betrifft, sofern keine generell zu berücksichtigenden Gesichtspunkte aufgezeigt werden. Ungeachtet dessen ist die Klärungsbedürftigkeit zu verneinen. Bereits in den Ausführungen des BSG im Urteil vom 28.9.2006 (BSGE 97, 133 [BSG 28.09.2006 - B 3 KR 28/05 R] = SozR 4-2500 § 139 Nr 2, RdNr 25, 26) zur Qualifizierung eines Produkts als Verbandmittel heißt es zusammenfassend, dass maßgebend auf den Sprachgebrauch und die medizinische Praxis abzustellen sei. Diese Formulierung ist gegenüber der medizinischen Entwicklung offen. Soweit das BSG solche Gegenstände als Verbandmittel angesehen hat, die dazu bestimmt sind, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken oder deren Körperflüssigkeit aufzusaugen, hat es mit der Formulierung "insbesondere" deutlich gemacht, dass es diese Definition nicht als abschließend ansieht. Mit den Ausführungen des BSG steht nicht in Widerspruch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss ausweislich der Begründung zu seinem Beschluss zur Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten vom 15.5.2008 (https://www.g-ba.de/2008-05-15-AMR-MedizinprodukteVerordnung S 3) zu den Verbandmitteln auch das Trägermaterial zählt, das arzneilich wirkende Stoffe für oberflächengeschädigte Körperteile enthält. Dass die Abgrenzung zwischen Verbandmitteln einerseits und Medizinprodukten oder Arzneimitteln andererseits danach vorgenommen wird, welche Wirkweise bei der Anwendung im Vordergrund steht, ist methodisch nicht zu beanstanden und wird vom Kläger im Grundsatz auch nicht in Frage gestellt. Soweit er meint, das Kriterium der bestimmungsgemäßen Hauptwirkung öffne einer willkürlichen Zuordnung Tür und Tor, kann dem nicht gefolgt werden. Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall führen nicht zur Willkürlichkeit von Entscheidungen, die auf der Grundlage konkretisierungsbedürftiger Begriffe getroffen werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass ggf bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung Unsicherheit bestehen kann. Wenn der Kläger sodann ausführt, dass Verbandmittel zunehmend als Trägermaterial für therapeutische Mittel eingesetzt und Zusatznutzen bieten würden, die über die ursprüngliche Funktion des Abdeckens und Aufsaugens weit hinausgingen, trägt dies nicht zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bei. Diese Entwicklung kann ohne Weiteres mit dem Sprachgebrauch in § 31 Abs 1 Satz 1 SGB V in Einklang gebracht werden. Offenbleiben kann, ob auch Trägermaterial, das ausschließlich physikalisch wirkende Stoffe enthält, zu den Verbandmitteln zählt. Es geht jedenfalls über den Rahmen der noch möglichen Auslegung hinaus, solche Produkte unter den Begriff Verbandmittel zu subsumieren, die lediglich deshalb zur Anwendung kommen, weil sie die Einwirkung auf eine Wunde durch ein unabhängiges Therapiegerät ermöglichen. Die Verbandelektroden können nicht losgelöst von den übrigen, zur Durchführung der Behandlung benötigten Produkten, dem Therapiegerät und den Disperserelektroden, beurteilt werden, denn nur in ihrem Zusammenwirken kann die Elektrostimulation erfolgen. Nach den Angaben des Herstellers darf das woundELElektrostimulationsgerät, das nach dem Medizinproduktegesetz klassifiziert ist, nur in Verbindung mit der woundEL-Verbandelektrode und der woundEL-Disperserelektrode angewendet werden. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheit sind auch die Kosten der Verbandelektroden in Höhe von ca 77 Euro pro Stück zu sehen. Darauf, dass die Verbandelektroden nur im Zusammenhang mit den übrigen Produkten eine spezifische Funktion haben, worauf das LSG bei seiner Argumentation maßgeblich abgestellt hat, ist der Kläger in seiner Beschwerdebegründung nicht eingegangen.

6

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

7

3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Prof. Dr. Wenner
Dr. Düring
Engelhard
Nacke
Hohnl

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