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Bundessozialgericht
Beschl. v. 22.04.2016, Az.: B 8 SO 134/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.04.2016
Referenz: JurionRS 2016, 15556
Aktenzeichen: B 8 SO 134/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Schleswig-Holstein - 12.06.2015 - AZ: L 9 SO 44/14

SG Itzehoe - AZ: S 22 SO 128/11

BSG, 22.04.2016 - B 8 SO 134/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 8 SO 134/15 B

L 9 SO 44/14 (Schleswig-Holsteinisches LSG)

S 22 SO 128/11 (SG Itzehoe)

..............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ........................................,

gegen

Kreis Pinneberg,

Kurt-Wagener-Straße 11, 25337 Elmshorn,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. April 2016 durch den Vorsitzenden Richter E i c h e r sowie die Richterinnen K r a u ß und S i e f e r t

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Im Streit sind höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), insbesondere die Übernahme einer Stromkostennachzahlung, von Krankenkassenzusatzbeiträgen, Medikamentenzuzahlung, Fahrkarten etc. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 1.7.2014; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts [LSG] vom 12.6.2015).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG. Er macht Verfahrensfehler und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er vertrete die Auffassung, dass Grundsicherung nur einmal zu beantragen sei. Das LSG habe seine Anträge und Erklärungen nicht zutreffend gewürdigt und damit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) verstoßen. Dass Mehrbedarfe bestünden, sei dem zwischen ihm und dem Beklagten abgeschlossenen, noch immer wirksamen Vergleich aus dem Jahr 1996 zu entnehmen. Insoweit sei das LSG verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Vergleich nicht mehr "bestandskräftig" sei, und habe damit auch gegen § 101 SGG verstoßen.

3

Zudem seien folgende Rechtsfragen grundsätzlich bedeutsam:

"§ 27a Abs 4 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass durch abweichende Bedarfsbemessung ein individueller Mehrbedarf berücksichtigt werden kann. Zu klären ist, was unter abweichender Bedarfsbemessung iS der Vorschrift zu verstehen ist.

Welche Kriterien sind für die Frage der abweichenden Bedarfsbemessung heranzuziehen? Reicht ein individueller Mehrbedarf aus, der bisher nicht von dem Leistungskatalog abgedeckt ist, um von einer atypischen Bedarfslage auszugehen?"

Die Fragen seien klärungsfähig, indem durch Amtsermittlung der "Umfang" der atypischen Bedarfslage, bezogen auf seine (des Klägers) Lebensumstände ermittelt werden müsse. In der Vergangenheit sei ein Mehrbedarf zuerkannt worden, dessen erneute Prüfung bislang unterblieben sei.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

5

Wird das Vorliegen eines Verfahrensmangels geltend gemacht, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision zunächst die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34 und 36; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist die Darlegung zu verlangen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 und 36), es sei denn, es werden, was hier allerdings nicht der Fall ist, absolute Revisionsgründe gerügt, bei denen gemäß § 202 SGG iVm § 547 Zivilprozessordnung der Einfluss auf die Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8). Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel jedoch nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3, Halbsatz 2 SGG).

6

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Weder behauptet der Kläger, einen Beweisantrag gestellt zu haben, noch, dass diesem das LSG nicht gefolgt sei. Insoweit kann auch nicht eine Verletzung des § 106 SGG (Aufklärungspflicht des Vorsitzenden) gerügt werden, weil dies im Ergebnis zur (unzulässigen) Umgehung der Anforderungen in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG führen würde. Es mangelt aber auch an einer nachvollziehbaren Darlegung des den vermeintlichen Verfahrensfehler begründenden Sachverhalts. Der Kläger legt noch nicht einmal dar, welcher individuelle Mehrbedarf besteht, dessen Aufklärung das LSG nicht betrieben habe. Der Verweis auf den Inhalt eines Vergleichs aus dem Jahr 1996 und die Behauptung, die Bedarfslage des Klägers habe sich seitdem nicht geändert, genügt den Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit der Beschwerdebegründung nicht. Soweit diese dahin zu verstehen sein soll, die Entscheidung des LSG sei inhaltlich falsch, vermag dies die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

7

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen § 101 SGG (Vergleich) dadurch rügt, dass das LSG den im Jahr 1996 geschlossenen Vergleich nicht als fortwirkend angesehen und dadurch verfahrensfehlerhaft gehandelt habe, verkennt er, dass § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nur der sog "error in procedendo", also das Verfahren bei der Entscheidungsfindung, und nicht die von ihm tatsächlich geltend gemachte inhaltliche Unrichtigkeit dieser Entscheidung ("error in iudicando") erfasst, die, wie ausgeführt, die Zulassung der Revision nicht zu begründen vermag. Nur um einen solchen würde es sich aber handeln, wenn die Ansicht des Klägers richtig wäre; denn die materiellen Auswirkungen eines Vergleichs betreffen nicht das Vorgehen des Gerichts im Verfahren, mit dem dieses zu seiner Entscheidung gelangt ist.

8

Auch die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

9

Der Kläger hat zwar Fragen formuliert, deren Entscheidung durch den Senat er anstrebt. Doch fehlt es an der ausreichenden Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit, also der Erheblichkeit für den entscheidenden Fall (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - nämlich konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG SozR 1500 § 160 Nr 39 und § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Daran fehlt es hier. Der Kläger legt noch nicht einmal dar, weshalb im vorliegenden Verfahren eine abweichende Bedarfsbemessung in Betracht kommen könnte, welcher Mehrbedarf mithin ein derartiges Vorgehen rechtfertigen oder dazu zwingen könnte. Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen käme vielmehr einer kommentar- oder lehrbuchartigen Darlegung gleich, ohne dass der Bezug zum vorliegenden Verfahren deutlich würde. Auch der Hinweis auf den früheren Vergleich genügt nicht, ohne dass dargelegt ist, was genau darin vereinbart ist und wieso dies weiterhin gelten soll. Dies gilt umso mehr, als der Kläger selbst ausführt, dass das LSG entschieden habe, der Vergleich wirke nicht fort.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Eicher
Krauß
Siefert

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