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Bundessozialgericht
Beschl. v. 20.08.2015, Az.: B 1 KR 51/15 B
Elektronische Gesundheitskarte; Divergenzrüge; Bewusstes Aufstellen eines abweichenden Rechtssatzes; Fehlendes Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 20.08.2015
Referenz: JurionRS 2015, 24768
Aktenzeichen: B 1 KR 51/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 16.04.2015 - AZ: L 5 KR 24/14

SG Speyer - AZ: S 17 KR 487/13

BSG, 20.08.2015 - B 1 KR 51/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Gesetzesanforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und im herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen.

2. Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat.

3. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist".

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 51/15 B

L 5 KR 24/14 (LSG Rheinland-Pfalz)

S 17 KR 487/13 (SG Speyer)

................................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: ..................................................,

gegen

Techniker Krankenkasse,

Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 20. August 2015 durch den Präsidenten M a s u c h sowie die Richter Prof. Dr. H a u c k und C o s e r i u

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, mit ihrer bisherigen Krankenversicherungskarte unbefristet weiterhin Kassenleistungen zu erhalten, ohne die eGK (elektronische Gesundheitskarte) nutzen zu müssen, bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid des SG ua ausgeführt, in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG sei der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Regelungen zur Einführung der eGK gerechtfertigt (Urteil vom 16.4.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

4

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.

5

Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN; BSG Beschluss vom 4.3.2014 - B 1 KR 113/12 B - Juris RdNr 5). Die Klägerin gibt dagegen schon nicht die Rechtsauffassung des LSG wieder, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Sie trägt lediglich vor, was das LSG nach materieller Auffassung der Klägerin hätte überprüfen müssen.

6

2. Die Klägerin legt auch eine Divergenz nicht ausreichend dar. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den Gesetzesanforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und im herangezogenen höchstrichterlichen Urteil andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). An der Darlegung eines vom LSG bewusst abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatzes fehlt es. Die Klägerin trägt lediglich vor, das LSG habe die Rechtsprechung des BVerfG nicht hinreichend berücksichtigt. Damit rügt sie bloß die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, die eine Divergenz nicht begründen kann.

7

3. Die Klägerin legt die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) notwendigen Voraussetzungen ebenfalls nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

8

Die Klägerin formuliert als erste Frage,

"Datenübermittlung und Speicherung in der Telematik-Infrastruktur werden nicht von der Gematik oder den Verbänden, sondern von privaten Unternehmen durchgeführt, die Aufträge von der Gematik bekommen, nach einer öffentlichen Ausschreibung (§ 291b Abs. 1b SGB V). Daher besteht die Gefahr, dass die Unternehmen ihre Kostendeckung durch Kompromisse bei der Datensicherheit verbessern. Das heißt, die Maßstäbe des Vorratsdaten-Urteils des BVerfG sind auch für die Gesundheitsdaten relevant, die in der Telematik-Infrastruktur gespeichert und übermittelt werden. Diese Maßstäbe werden von den §§ 291, 291a, 291b SGB V nicht eingehalten. Wie damit umzugehen ist, ist eine grundlegende Rechtsfrage mit Konsequenzen für das Arztgeheimnis aller GKV Versicherten."

9

Die Klägerin formuliert damit eine Rechtsfrage nicht klar. So bleibt etwa diffus, welche Maßstäbe im Einzelnen vermeintlich von den §§ 291, 291a, 291b SGB V nicht eingehalten werden.

10

Die Klägerin formuliert als zweite Frage,

"ob es zulässig ist, dass die praktische Ausgestaltung der Verarbeitung und des Schutzes von Daten der Versicherten, die dem Arztgeheimnis unterliegen, durch §§ 291a Abs. 7 S. 2, 291b Abs. 1 SGB V an die Gematik GmbH übertragen wurde".

11

Der erkennende Senat lässt es offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert. Jedenfalls legt sie nicht dar, inwiefern diese Frage klärungsbedürftig ist. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38; BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Deshalb hätte sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung näher damit auseinandersetzen müssen, wieso in Würdigung der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch Klärungsbedarf zu der zweiten von ihr aufgeworfenen Frage verblieben ist. Die Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Sie geht auf den Klärungsbedarf der zweiten Frage überhaupt nicht ein.

12

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

13

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Masuch
Prof. Dr. Hauck
Coseriu

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