Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 18.12.2014, Az.: B 5 R 28/14 BH
Rente wegen Erwerbsminderung; 3/5-Belegung; Beweisantrag eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.12.2014
Referenz: JurionRS 2014, 30194
Aktenzeichen: B 5 R 28/14 BH
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 23.05.2014 - AZ: L 5 R 376/13

SG Fulda - AZ: S 3 R 261/10

BSG, 18.12.2014 - B 5 R 28/14 BH

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zu den Leistungsvoraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung nach den §§ 43, 240 SGB VI besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG.

2. Dies gilt auch hinsichtlich der sog 3/5-Belegung (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit) i.S. von § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

3. An Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags sind verminderte Anforderungen zu stellen, wenn der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war.

4. Ein unvertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag aber zumindest sinngemäß gestellt haben, d.h. angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Mai 2014 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

Mit Urteil vom 23.5.2014 hat das Hessische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint, weil sie bis zum 31.5.2009 nicht erwerbsgemindert gewesen sei und seit dem 1.6.2009 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (sog 3/5-Belegung) nicht mehr erfülle.

2

Um das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil durchzuführen, hat die Klägerin beim BSG beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Anwalts zu bewilligen.

3

Dieser Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 Abs 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolgreich zu begründen.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5

Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.

6

I. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht ersichtlich.

7

Zu den Leistungsvoraussetzungen der hier streitigen Rente wegen Erwerbsminderung nach den §§ 43, 240 SGB VI besteht bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BSG (vgl dazu nur Gürtner in Kasseler Komm, Stand: April 2010, laufende Kommentierung zu §§ 43, 240 SGB VI und die Nachweise im Ablegeordner zu §§ 43, 44 SGB VI aF). Dies gilt auch hinsichtlich der sog 3/5-Belegung (drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit) iS von § 43 Abs 1 S 1 Nr 2 und Abs 2 S 1 Nr 2 SGB VI (BVerfG SozR 2200 § 1246 Nr 142 und SozR 3-2200 § 1246 Nr 30; BSGE 75, 199 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 48; BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 9), der Verlängerung des Fünfjahreszeitraums gemäß § 43 Abs 4 SGB VI (BVerfG SozR 3-2200 § 1246 Nr 64; BSGE 65, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 166; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 157), der Übergangsvorschrift des § 241 SGB VI (BVerfG SozR 2200 § 1246 Nr 142 sowie Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 20.9.2001 - 1 BvR 1423/94 - Juris; BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 9 und 22) sowie der Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (BSGE 56, 266 [BSG 15.05.1984 - 12 RK 48/82] = SozR 2200 § 1418 Nr 8).

8

II. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

9

III. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbs 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

10

Ein derartiger Beweisantrag, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) übergangen haben könnte, ist hier nicht ersichtlich. Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn der Beschwerdeführer - wie hier die Klägerin - im Berufungsverfahren durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war (Senatsbeschluss vom 31.7.2013 - B 5 R 53/13 B - Juris RdNr 9 sowie BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5 und Nr 13 RdNr 11; BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6 S 14; Becker, SGb 2007, 328, 331; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 733). Ein unvertretener Beteiligter muss einen konkreten Beweisantrag aber zumindest sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese weiter aufzuklären (Senatsbeschluss aaO sowie BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 11). Zwar hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.4.2014 unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.5.2014 den Allgemeinmediziner Dr. H. -J. S., U. in R. als (sachverständigen) Zeugen (Beweismittel) benannt, jedoch nicht angeben, was er am 31.5.2009 (dem Tag, an dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente letztmals erfüllt waren) wahrgenommen haben soll (Beweisthema). Auch ein unvertretener Kläger muss dem Berufungsgericht indessen verdeutlichen, dass und ggf wo er die Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht und deshalb im Berufungsverfahren auf die Sachverhaltsaufklärung hinwirken, deren Unterlassen er nunmehr rügt (BSG Beschlüsse vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - Juris RdNr 4 und vom 1.3.2006 - B 2 U 403/05 B - Juris RdNr 5; Kummer, aaO, RdNr 732). Denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG setzt einen Beweisantrag ohne jede Einschränkung voraus. Auch im Übrigen sind keine Verfahrensmängel zu erkennen.

11

Soweit die Klägerin die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils angreifen möchte, lässt sich hierauf nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

12

Da der Klägerin PKH nicht zu bewilligen war, hat sie nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Dr. Günniker
Dr. Koloczek
Karmanski

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.