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Bundessozialgericht
Beschl. v. 18.02.2016, Az.: B 3 KR 54/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.02.2016
Referenz: JurionRS 2016, 14149
Aktenzeichen: B 3 KR 54/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 24.07.2015 - AZ: L 1 KR 382/10 ZVW

BSG, 18.02.2016 - B 3 KR 54/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 3 KR 54/15 B

L 1 KR 382/10 ZVW (LSG Berlin-Brandenburg)

S 111 KR 2961/07 (SG Berlin)

...............................................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek,

Askanischer Platz 1, 10963 Berlin,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hat am 18. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r , den Richter S c h r i e v e r und die Richterin Dr. O p p e r m a n n sowie den ehrenamtlichen Richter H e r r m a n n y und die ehrenamtliche Richterin R e e s e

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Ersatzkassen-Verband die Erteilung der Befugnis, im Rahmen seiner Tätigkeit als selbstständiger Physiotherapeut Leistungen der "Manuellen Therapie" (MT) für die Versicherten der Ersatzkassen erbringen und abrechnen zu dürfen. Er betreibt in Berlin eine physiotherapeutische Praxis, ist Mitglied im Berufsverband VDB und seit dem 11.4.2003 als Leistungserbringer nach § 124 SGB V zugelassen. Seine Ausbildung als Physiotherapeut hat er in Deutschland auf Grundlage des Masseur- und Physiotherapeutengesetzes (MPhG) vom 26.5.1994 (BGBl I 1084) und der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (PhysTh-APrV) vom 6.12.1994 (BGBl I 3786) absolviert. Seit dem 12.4.1999 ist er befugt, die Berufsbezeichnung Physiotherapeut zu führen. Später hat er berufsbegleitend ein zusätzliches Physiotherapie-Studium nach niederländischem Recht an einer niederländischen Fachhochschule (Amsterdamse Hogeschool voor Paramedische Opleidingen, im Folgenden: Hogeschool van Amsterdam) absolviert und am 22.3.2005 mit dem Bachelor-Examen beendet (Prüfungszeugnis vom 1.4.2005). Der Bachelor-Studiengang umfasst ua 1104 Stunden Ausbildungseinheiten ("Stunden") im Bereich der MT, nämlich 496 Stunden MT der Extremitäten (MT-E), 496 Stunden MT der Wirbelsäule (MT-W) und 112 Stunden MT-Kinesiologie (Studienbescheinigung vom 1.2.2005). Davon wurde ein erheblicher Teil durch die Anrechnung der an der Charité in Berlin absolvierten physiotherapeutischen Ausbildung als erbracht anerkannt. Übrig blieb eine "Studienlast" ("workload") von 600 Stunden für die MT, wovon 200 Stunden auf direkten Unterricht durch die Ausbilder (Kontaktzeiten) sowie 400 Stunden auf das Selbststudium zur Vor- und Nachbereitung des Studienstoffs entfielen (Auskunft der Hogeschool van Amsterdam vom 26.9.2014). Mindestens 180 der bescheinigten 200 Unterrichtsstunden wurden von der in Kooperation mit der Hogeschool van Amsterdam arbeitenden "Physioklinik im Aitrachtal" erbracht, die ihre Lehrveranstaltungen an der Döpfer-Schule in Hamburg abhält (Auskunft der Physioklinik in Aitrachtal GmbH vom 26.7.2011: Kurse E 1, E 2, E 3, W 1, W 2, W 3 zu je 30 Stunden).

2

Die MT, die einen nicht unerheblichen Teil des Leistungsspektrums der Physiotherapie bildet, stellt nach deutschem Recht eine Zertifikationsposition dar, die gegenüber den Krankenkassen nur abgerechnet werden darf, wenn eine - der Qualitätssicherung dienende - spezielle Weiterbildung in MT nachgewiesen ist, die erst nach dem Berufsabschluss absolviert werden kann, 260 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten umfasst und mit einer Abschlussprüfung endet, die frühestens zwei Jahre nach dem Weiterbildungsbeginn abgelegt werden kann. Das Weiterbildungscurriculum umfasst mindestens 20 Unterrichtseinheiten zu den Allgemeinen Grundlagen der MT, mindestens 100 zur MT der Extremitäten und mindestens 140 zur MT der Wirbelsäule.

3

Den Antrag des Klägers vom 15.2.2005, ihm die Abrechnungsbefugnis für Leistungen der MT zu erteilen, hat der Beklagte mit Schreiben vom 15.6.2005 und 19.1.2006 abgelehnt. Die Weiterbildungskurse habe der Kläger nicht vollständig absolviert. Das niederländische Examen sei auch nicht der deutschen MT-Abschlussprüfung gleichzustellen.

4

Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, der MT-Unterricht nach niederländischem Recht sei mit mindestens 600 Stunden deutlich breiter angelegt als in Deutschland und inhaltlich an den Anforderungen der deutschen MT-Weiterbildung orientiert. Sein Bachelor-Abschluss sei der nach deutschem Recht geforderten MT-Weiterbildung gleichwertig. Auf die Prüfungsvorbereitung, die 36 Stunden umfasse (Refresher-Kurs), und die gesonderte MT-Abschlussprüfung nach deutschem Recht habe er verzichtet, weil die - erfolgreich abgelegte - niederländische Abschlussprüfung ohnehin die MT umfasse.

5

In einem vorausgegangenen Revisionsverfahren hat der Senat das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 5.3.2009 - L 1 KR 351/08 -, mit dem die Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage durch das Urteil des SG Berlin vom 2.7.2008 - S 111 KR 2961/07 - zurückgewiesen worden war, aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (Urteil des BSG vom 12.8.2010 - B 3 KR 9/09 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 6).

6

Dazu hat der Senat ausgeführt:

"Da der Kläger eine MT-Weiterbildung im Umfang von 260 Stunden an einer anerkannten Weiterbildungseinrichtung nicht absolviert und auch keine separate MT-Abschlussprüfung abgelegt hat, kommt die begehrte Erteilung der Abrechnungsbefugnis nur in Betracht, wenn er sich auf einen Gleichstellungstatbestand berufen kann und dessen Voraussetzungen erfüllt. Ein solcher Gleichstellungstatbestand ergibt sich aus der neuen Rahmenempfehlung vom 6.4.2009, die zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände eV nach § 125 Abs 1 SGB V abgeschlossen worden ist und auf Initiative der Bundesregierung und mit Zustimmung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (EU-Kommission) zur Beendigung des - vom Kläger durch eine Petition an das Europäische Parlament initiierten - europarechtlichen Vertragsverletzungsverfahrens 2006/4628 zustande gekommen ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahre 1994 im MPhG sowie in der PhysTh-APrV zwar Gleichstellungsvorschriften für im EU-Ausland erworbene Berufsabschlüsse als Physiotherapeut bzw Krankengymnast geschaffen, es aber unterlassen, eine Gleichstellungsvorschrift für im EU-Ausland erworbene besondere Qualifikationen aufzunehmen, die in Deutschland Voraussetzung für die Abrechnungsbefugnis mit den Krankenkassen bezüglich bestimmter Leistungen (Zertifikatspositionen) sind. Dies verstieß nach Einschätzung der EU-Kommission gegen die RL 92/51/EWG des Rates vom 18.6.1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur RL 89/48/EWG (ABl L 209 vom 24.7.1992, S 25), die mit Wirkung ab 20.10.2007 durch die RL 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl L 255 vom 30.9.2005, S 22) ersetzt worden ist. Das Vertragsverletzungsverfahren ist nach Erlass der Rahmenempfehlung vom 6.4.2009 eingestellt worden. Die EU-Kommission hat seinerzeit den Abschluss der Rahmenempfehlung als - jedenfalls einstweilen - hinreichende "Umsetzung" der RL 2005/36/EG in nationales deutsches Recht akzeptiert. ...

7

Nach Abs 1 und 3 der Rahmenempfehlung vom 6.4.2009 gelten zur Umsetzung der genannten europarechtlichen RL folgende Gleichstellungsregelungen:

Soweit in den Rahmenverträgen nach § 125 Abs 2 SGB V für die Abrechnung bestimmter Leistungen eine Weiterbildung gefordert wird, sind als Weiterbildung erfolgreich abgeschlossene Qualifizierungsmaßnahmen (Aus-, Fort- oder Weiterbildungen), mit denen eine entsprechende Befähigung in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erworben worden ist, anzuerkennen, soweit sie nach Inhalt und Umfang zu einer im Wesentlichen vergleichbaren Qualifikation führen. Bestehen zwischen der Aus-, Fort- oder Weiterbildung des Antragstellers und den geltenden Anforderungen wesentliche Unterschiede, die der Erteilung einer Abrechnungserlaubnis entgegenstehen, ist der Antragsteller auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Ausgleichsmaßnahme (Anpassungslehrgang oder Eignungsprüfung) durchzuführen, soweit die nachgewiesene Berufserfahrung nicht zum Ausgleich der festgestellten Defizite geeignet ist. Dabei darf der Antragsteller zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung wählen.

8

Danach ergibt sich eine dreistufige Prüfung:

(1) Ist die im Ausland erworbene Qualifikation im Wesentlichen - also nicht in jeder Einzelheit - vergleichbar (Ausbildungsdauer, Ausbildungsinhalt, Prüfungsstoff, Qualifikation der Ausbilder), ist die Abrechnungsbefugnis zu erteilen.

(2) Ergeben sich hingegen relevante Unterschiede, ist zu prüfen, ob ein Ausgleich durch die nachgewiesene Berufserfahrung in Betracht kommt. Dabei kann es nach Sinn und Zweck der Regelung aber nur um die im Ausland erworbene einschlägige Berufserfahrung gehen.

(3) Ist eine Gleichstellung auch danach nicht möglich, muss der Antragsteller wahlweise einen Anpassungslehrgang absolvieren oder eine Eignungsprüfung ablegen."

9

Das LSG hat nunmehr zu ermitteln, ob eine Gleichstellung des die MT betreffenden Teils des Studiums und des Bachelor-Examens nach niederländischem Recht mit der nach dem Rahmenvertrag vom 1.2.2002 und den Rahmenempfehlungen vom 1.8.2001 geforderten Weiterbildung auf der Grundlage der Rahmenempfehlung vom 6.4.2009 vorzunehmen ist. Eine abschließende Entscheidung darüber ist derzeit nicht möglich."

10

In dem erneut durchgeführten Berufungsverfahren hat das LSG nach umfangreicher Beweisaufnahme die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Berlin vom 2.7.2008 - S 111 KR 2961/07 - erneut zurückgewiesen (Urteil vom 24.7.2015 - L 1 KR 382/10 ZVW). Ein Gleichstellungstatbestand sei nicht gegeben, weil der Kläger nur 200 Stunden MT-Unterricht (Kontaktzeiten) vorweisen könne, die mit dem Unterricht in den deutschen MT-Weiterbildungskursen vergleichbar seien. Die Differenz von 60 Stunden zu den erforderlichen 260 Stunden Präsensunterricht sei so erheblich, dass sie über die Zufälligkeiten hinausgehe, die mit jeder Grenzziehung verbunden seien. Sonstige die Gleichstellung der Ausbildung nach niederländischem Recht rechtfertigende Sachverhalte seien nicht ersichtlich; insbesondere könnten die 400 Stunden Selbststudium nicht zur Gleichstellung herangezogen werden.

11

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler des LSG (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sowie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

II

12

Es kann offenbleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bereits unzulässig ist, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht formgerecht dargelegt worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.

13

1. Der Kläger hält die im Rahmen des Bachelor-Studiums der Physiotherapie nach niederländischem Recht vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich MT für gleichwertig mit jenen Kenntnissen und Fähigkeiten, die ein nach deutschem Recht ausgebildeter Physiotherapeut durch die zertifizierte MT-Weiterbildung im Umfang von 260 Stunden nebst spezieller MT-Abschlussprüfung erwirbt. Insbesondere wendet er sich gegen die Nichtberücksichtigung der 400 Stunden Vor- und Nachbereitungszeit, die im Bachelor-Verfahren auf das Selbststudium entfallen. Dass das LSG letztlich eine Gleichstellung des auf die MT entfallenden Teils des Physiotherapiestudiums und Bachelor-Examens nach niederländischem Recht mit der MT-Weiterbildung nach deutschem Recht abgelehnt hat, beruht nach Auffassung des Klägers auf einer unzureichenden Erfassung und Umsetzung der rechtlichen Vorgaben aus dem zurückverweisenden Urteil des Senats vom 12.8.2010 (B 3 KR 9/09 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 6), was einen Verstoß gegen § 170 Abs 5 SGG darstelle (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 10 mwN und § 160 RdNr 11b). Er habe nicht damit rechnen können, dass das LSG die von der Hogeschool van Amsterdam bescheinigten 600 Stunden MT-Ausbildung auf 200 Stunden "herunterrechne" und die Kontaktzeiten als einziger Maßstab dafür dienen, die Frage der Vergleichbarkeit zu entscheiden. Damit stelle das Berufungsurteil eine "Überraschungsentscheidung" dar, die auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) beruhe. Das LSG habe nach den Maßgaben des zurückverweisenden Urteils des Senats vom 12.8.2010 auch nicht den von ihm in der mündlichen Verhandlung am 24.7.2015 hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines schriftlichen Gutachtens des mit der deutschen und niederländischen Physiotherapeuten-Ausbildung vertrauten, selbst als Ausbilder tätigen Sachverständigen T. G. ablehnen dürfen, der zu folgenden Fragen Stellung nehmen sollte:

- Ist die vom Kläger erworbene Qualifikation im Wesentlichen (Ausbildungsdauer, Ausbildungsinhalt, Prüfungsstoff, Qualifikation der Ausbilder) vergleichbar mit der Zusatzausbildung nach den Bundesrahmenempfehlungen alter Fassung, die zu einer Abrechnungsbefugnis für den Bereich MT ausreichend ist?

- Ist aus Sicht des Sachverständigen unter Berücksichtigung der Fachschulausbildung eines Physiotherapeuten in Deutschland eine Zusatzqualifikation im Umfang von 260 Stunden entsprechend dem Curriculum der Bundesrahmenempfehlung, Anlage 3, erforderlich oder sind Teile des Curriculums (etwa allgemeine Einführung) überflüssig?

- Ist die vom Kläger aktenkundig nachgewiesene Ausbildung ausreichend, um MT qualitätsgesichert abzugeben, vergleichbar einem Physiotherapeuten, der nur aufgrund der Anlage 3 zu den Bundesrahmenempfehlungen eine Zusatzausbildung für MT in Deutschland absolviert hat?

Die Zurückweisung dieses Beweisantrages stelle einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung nach § 103 SGG dar.

14

Eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kommt nicht in Betracht, weil die gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen.

15

a) Ein Verstoß gegen § 170 Abs 5 SGG ist nicht ersichtlich. Das LSG hat in den Entscheidungsgründen (Urteilsumdruck S 11) die mit der Zurückverweisung verbundenen Maßgaben des Senats zutreffend aufgeführt und eine diesen Maßgaben entsprechende Beweisaufnahme durchgeführt. Dabei hat das LSG im Einzelnen begründet, weshalb es für die Frage der Gleichwertigkeit beider Berufsqualifikationen im MT-Bereich wesentlich auf die absolvierten Unterrichtseinheiten in Anwesenheit der jeweiligen Ausbilder (Kontaktzeiten) und nicht auf die dem Selbststudium überlassenen Vor- und Nachbereitungen ankommen kann (Urteilsumdruck S 18). Wegen der Ausrichtung der nach niederländischem Recht konzipierten MT-Unterrichtseinheiten der Physioklinik in Aitrachtal an den Anforderungen des deutschen MT-Weiterbildungsrechts "nach Inhalt und Gegenstand" hat das LSG auch eine Anrechnung der nachgewiesenen 180 Unterrichtsstunden (Kurse E 1, E 2, E 3, W 1, W 2, W 3) auf die geforderten 260 Weiterbildungsstunden lediglich im Verhältnis eins zu eins für gerechtfertigt gehalten (Urteilsumdruck S 19). Da das vom Fortbildungsinstitut angegebene Modul zur MT nach deutschen Vorschriften zertifiziert ist, der Kläger aber weder den vollen Weiterbildungsunterricht von 260 Stunden noch die spezielle MT-Abschlussprüfung absolviert hat und die übrige Ausbildung an der Hogeschool van Amsterdam die fehlenden Stunden nicht zu ersetzen vermochte, konnte das Institut ihm auch nicht das Zertifikat über eine erfolgreiche MT-Weiterbildung erteilen, obgleich er das auch die MT umfassende Bachelor-Examen abgelegt hatte (Urteilsumdruck S 4 und 19). Die vom LSG vorgenommene Gesamtbetrachtung aller ermittelten Umstände lässt einen Verstoß gegen § 170 Abs 5 SGG nicht erkennen.

16

b) Der Kläger kann auch nicht einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör in Form einer "Überraschungsentscheidung" mit Erfolg geltend machen. Die Beweisergebnisse waren ihm schon vor der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2015 bekannt. Der Kläger hat seine Einwände gegen die "Tauglichkeit" der eingeholten Gutachten, Stellungnahmen und Auskünfte vorgetragen (Urteilsumdruck S 6, 7). Er zeigt keine Tatsache und keinen rechtlichen Aspekt auf, der ihm nicht bekannt war bzw mit dem er nach dem Verfahrensverlauf schlechthin nicht zu rechnen brauchte.

17

c) Auch die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrags stellt sich nicht als Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 103 SGG) dar. Das LSG hat sich eingehend mit den drei Beweisfragen befasst und im Einzelnen begründet, weshalb auf Basis seiner Auffassung von der Sach- und Rechtslage sowie unter Berücksichtigung der Maßgaben des Senats in dem zurückverweisenden Urteil vom 12.8.2010 das beantragte Sachverständigengutachten nicht eingeholt werden musste (Urteilsumdruck S 12 und 20). Die Ausführungen des LSG lassen einen Verstoß gegen § 103 SGG nicht erkennen.

18

d) Das Beschwerdevorbringen lässt in der Gesamtschau darauf schließen, dass der Kläger die vom LSG vorgenommene Beweiswürdigung für verfehlt hält. Ein solches Vorbringen ist aber ebenfalls nicht geeignet, die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zu begründen, weil eine Verfahrensrüge nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) gestützt werden kann.

19

2. Das Beschwerdevorbringen kann auch nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) rechtfertigen. Der Kläger bemängelt die Nichtberücksichtigung seiner inzwischen mehr als zehnjährigen - offenbar beanstandungsfreien - Tätigkeit als MT-Leistungserbringer bei der Versorgung der Privatpatienten in Deutschland, die ihm sowohl wegen des deutschen Berufsabschlusses als Physiotherapeut als auch wegen des niederländischen Bachelor-Examens berufsrechtlich gestattet ist, und verweist dazu auf § 3 Abs 1 des Gesetzes des Landes Berlin vom 7.2.2014 über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (GVBl Berlin vom 19.2.2014, S 39), wonach Berufsqualifikationen jene Qualifikationen sind, die durch Ausbildungsnachweise, Befähigungsnachweise oder einschlägige, im Inland oder Ausland erworbene Berufserfahrung nachgewiesen werden. Im Hinblick auf die Maßgabe des Urteils des Senats vom 12.8.2010, bei der Gleichwertigkeitsprüfung dürfe eine inländische Berufserfahrung als MT-Physiotherapeut grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, hat der Kläger folgende Frage aufgeworfen: "Dürfen bei einer Vergleichsprüfung auf Grundlage einer Rahmenempfehlung strengere Maßstäbe angelegt werden als im Verfahren nach dem für einen Kläger geltenden Landesgesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen?"

20

a) Diese Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich. Das Berliner Landesgesetz vom 7.2.2014 gilt nach dessen § 2 Abs 1 nur für die Gleichwertigkeitsprüfung bei Berufen, die durch Vorschriften des Landes Berlin geregelt sind, und zwar sowohl für die "reglementierten Berufe" als auch für die "nicht reglementierten Berufe" (§ 3 Abs 3 und 4). Der Beruf des Physiotherapeuten ist jedoch bundesrechtlich geregelt (MPhG, PhysTh-APrV). Gleiches gilt für die hier relevante Zusatzqualifikation durch eine spezielle Weiterbildung im Bereich der MT (§ 125 SGB V), die nach Auffassung der EU-Kommission eine berufliche Zugangsvoraussetzung und damit einen "reglementierten Beruf" darstellt (vgl Schreiben der EU-Kommission vom 26.6.2008 im europarechtlichen Vertragsverletzungsverfahren 2006/4628). Das Berliner Landesrecht ist hier nicht einschlägig.

21

b) Nicht aufgeworfen hat der Kläger die Frage nach der Gleichwertigkeitsprüfung anhand der bundesrechtlichen Kriterien des "Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen" (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz [BQFG]) vom 6.12.2011 (BGBl I 2515), das erst nach Erlass des zurückverweisenden Urteils des Senats vom 12.8.2010 verabschiedet worden ist. Dieses am 1.4.2012 in Kraft getretene Gesetz, das derzeit in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und anderer Gesetze vom 22.12.2015 (BGBl I 2572) gilt, definiert Berufsqualifikationen ebenfalls als Qualifikationen, die durch Ausbildungsnachweise, Befähigungsnachweise oder einschlägige, im Ausland oder Inland erworbene Berufserfahrung nachgewiesen werden (§ 3 Abs 1 BQFG). Es gilt für dem Bundesrecht unterstehende reglementierte und nicht reglementierte Berufe (§ 3 Abs 4 BQFG). Reglementierte Berufe sind berufliche Tätigkeiten, deren Aufnahme oder Ausübung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen gebunden ist (§ 3 Abs 5 BQFG). Auch das MPhG stellt seit dem 1.4.2012 bei der Frage, in welchem Umfang eine bereits erworbene Berufserfahrung bei der Erlaubnis zur Berufsausübung als Physiotherapeut zu berücksichtigen ist, Zeiten ausländischer und inländischer Berufserfahrung grundsätzlich gleich (vgl Art 45 Nr 1 des Gesetzes vom 6.12.2011, BGBl I 2515, dessen Art 1 das BQFG betrifft). Die Beschwerdebegründung erwähnt auch diese Rechtsänderung nicht.

22

c) Eine unmittelbare Anwendung des BQFG im vorliegenden Rechtsstreit scheidet aus, weil nicht um die förmliche Feststellung der Gleichwertigkeit einer bestimmten Berufsqualifikation (§§ 2 und 3 BQFG) gestritten wird, die auf Antrag des Betroffenen in einem speziell geregelten Verwaltungsverfahren von der zuständigen Stelle durch Verwaltungsakt zu erfolgen hat (§§ 4 bis 8 BQFG). Ein Antrag nach § 4 BQFG ist nicht gestellt worden. Der Beklagte ist auch nicht "zuständige Stelle" nach § 8 BQFG. Für Streitigkeiten nach dem BQFG ist zudem nicht der Sozialrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 16 BQFG). Dementsprechend stünde die Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit auch nicht einer etwaigen Gleichwertigkeitsfeststellung nach § 4 BQFG entgegen. Im Übrigen hat der Kläger nach wie vor auch die Möglichkeit, einen Anpassungslehrgang zu absolvieren oder eine Eignungsprüfung abzulegen (vgl dazu die Rahmenempfehlung vom 6.4.2009 sowie § 11 BQFG).

23

d) Soweit der Kläger das "Schicksal" der Rahmenempfehlung vom 6.4.2009 für klärungsbedürftig hält, ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil er hierzu keine konkrete Rechtsfrage formuliert hat.

24

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG). Insbesondere war auch nicht auf das zusätzliche Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 15.2.2016 einzugehen, weil dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist.

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

26

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren auf 5000 Euro (Regelstreitwert) basiert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 3 GKG.

Prof. Dr. Wenner
Schriever
Dr. Oppermann
Herrmanny
Reese

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