Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundessozialgericht
Beschl. v. 18.02.2015, Az.: B 14 AS 311/14 B
Voraussetzungen einer Divergenz; Modifikation der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.02.2015
Referenz: JurionRS 2015, 11795
Aktenzeichen: B 14 AS 311/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Schleswig-Holstein - 19.05.2014 - AZ: L 6 AS 171/12

SG Kiel - AZ: S 35 AS 1394/12

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG

BSG, 18.02.2015 - B 14 AS 311/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG abweicht.

2. Soweit mit einer Beschwerdebegründung "Modifikationen der höchstrichterlichen Rechtsprechung" durch das LSG geltend gemacht werden, ergibt sich hieraus noch keine Abweichung von den Maßstäben des BSG.

3. Dass es bei einer auf den Einzelfall bezogenen Anwendung des LSG von über den Einzelfall hinausgehenden Maßstäben des BSG zu einzelfallbezogenen Modifikationen dieser Maßstäbe kommen kann, begründet noch keine Divergenz i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG.

in dem Rechtsstreit

Az: B 14 AS 311/14 B

L 6 AS 171/12 (Schleswig-Holsteinisches LSG)

S 35 AS 1394/12 (SG Kiel)

...............................................,

Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter: .............................................,

gegen

Jobcenter Kiel,

Adolf-Westphal-Straße 2, 24143 Kiel,

Beklagter und Beschwerdegegner.

Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat am 18. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. V o e l z k e sowie die Richter Prof. Dr. B e c k e r und Dr. F l i n t

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt L. P., K., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

2

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision ua zuzulassen, wenn das Urteil des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Diese hier allein geltend gemachten Zulassungsgründe hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

3

In der Beschwerdebegründung ist nicht hinreichend dargetan, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG abweicht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29 und 54). Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 196 mwN; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34).

4

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht, weil sich aus ihr nicht ergibt, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr ergibt sich aus der Beschwerdebegründung, dass das LSG die Maßstäbe des BSG zur Kenntnis genommen und im Einzelfall angewandt hat. Soweit mit der Beschwerdebegründung "Modifikationen der höchstrichterlichen Rechtsprechung" durch das LSG geltend gemacht werden, ergibt sich hieraus noch keine Abweichung von den Maßstäben des BSG; dass es bei einer auf den Einzelfall bezogenen Anwendung des LSG von über den Einzelfall hinausgehenden Maßstäben des BSG zu einzelfallbezogenen Modifikationen dieser Maßstäbe kommen kann, begründet noch keine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Nur hinzu kommt, dass die in der Beschwerdebegründung bezeichneten Maßstäbe des BSG der Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 22 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) dienen und für dessen Konkretisierung durch die Träger der Leistungen nach dem SGB II ein schlüssiges Konzept fordern. Es liegt auf der Hand, dass die rechtliche Prüfung des LSG, ob ein schlüssiges Konzept des Beklagten vorliegt, rechtliche Spielräume beinhaltet, die sich aus der Forderung nur nach einer "Schlüssigkeit" des Konzepts ergeben. Nimmt das LSG, wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, die vom BSG entwickelten Anforderungen an die Schlüssigkeit eines Konzepts zu seiner Entscheidungsgrundlage und wendet diese einzelfallbezogen an, folgt aus "Modifikationen" noch keine fehlende Übereinstimmung des LSG mit dem BSG im Grundsätzlichen, die allein zur Zulassung der Revision wegen Divergenz zu führen vermag.

5

Auch ein Verfahrensmangel ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, auf dem iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann.

6

Durch die Rüge der Klägerin einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG), weil das LSG ohne ihre vorherige Anhörung in seiner Entscheidung die Angaben des Beklagten im Schriftsatz vom 16.5.2014 als zutreffend und ausreichend unterstellt habe, obwohl diese dem zuvor erkennbar gewordenen rechtlichen Ausgangspunkt des LSG nicht entsprochen hätten, ist ein Verfahrensmangel nicht genügend bezeichnet. Denn aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht genügend, welches Vorbringen ggf durch die Gehörsverletzung verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann. Insoweit genügt nicht die Darlegung der Klägerin in der Beschwerdebegründung, dass sie zu ihrer vom LSG abweichenden Rechtsauffassung "vertiefend" vorgetragen hätte und das LSG bei sachgerechter Würdigung ihres Vortrags die Berufung hätte zurückweisen müssen. Denn die Darlegung, dass der vertiefende Vortrag einer schon vorgetragenen Rechtsauffassung - zu einer nach der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdebegründung von Anfang an aufgeworfenen Rechtsfrage - verhindert worden ist, ist etwas anderes als die erforderliche substantiierte Darlegung, welches zur Beeinflussung der Entscheidung des LSG geeignete zusätzliche Vorbringen der Klägerin ihr durch das Verhalten des LSG abgeschnitten worden ist (vgl zu diesem Darlegungserfordernis BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG Beschluss vom 24.9.2014 - B 9 SB 11/14 B - juris RdNr 6).

7

Soweit die Klägerin inzident eine "Wendung" des LSG rügt, mangelt es an weiterem Vortrag, der eine entsprechende Rüge begründen würde (vgl zu den Anforderungen BSG Beschluss vom 2.4.2009 - B 2 U 281/08 B).

8

Prozesskostenhilfe (PKH) ist der Klägerin nicht zu bewilligen, da ihre Rechtsverfolgung aus den vorstehend genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH hat, ist auch ihr Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).

9

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Prof. Dr. Voelzke
Prof. Dr. Becker
Dr. Flint

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.