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Bundessozialgericht
Beschl. v. 16.03.2016, Az.: B 6 KA 56/15 B
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 16.03.2016
Referenz: JurionRS 2016, 13899
Aktenzeichen: B 6 KA 56/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 24.06.2015 - AZ: L 3 KA 19/12

SG Bremen - AZ: S 30 KA 28/10

BSG, 16.03.2016 - B 6 KA 56/15 B

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 56/15 B

L 3 KA 19/12 (LSG Niedersachsen-Bremen)

S 30 KA 28/10 (SG Bremen)

....................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ........................................,

gegen

Berufungsausschuss Psychotherapeuten/Krankenkassen im Lande Bremen,

Schwachhauser Heerstraße 26/28, 28209 Bremen,

Beklagter und Beschwerdegegner,

beigeladen:

1. AOK Bremen/Bremerhaven,

Bürgermeister-Smidt-Straße 95, 28195 Bremen,

2. BKK Landesverband Mitte,

Siebstraße 4, 30171 Hannover,

3. IKK gesund plus, handelnd als IKK-Landesverband für das Land Bremen,

Konrad-Adenauer-Allee 42, 28329 Bremen,

4. Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek,

Askanischer Platz 1, 10963 Berlin,

5. Kassenärztliche Vereinigung Bremen,

Schwachhauser Heerstraße 26/28, 28209 Bremen,

6. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG),

Weißensteinstraße 70 - 72, 34131 Kassel,

7. Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See

als Trägerin der Kranken- und Pflegeversicherung,

Pieperstraße 14 - 28, 44789 Bochum.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 16. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r sowie die Richter E n g e l h a r d und R a d e m a c k e r

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juni 2015 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 105 000 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Im Streit steht, ob die Klägerin aufgrund eines Sonderbedarfs zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in Bremen zuzulassen ist.

2

Die Klägerin ist türkischer Abstammung und als Psychologische Psychotherapeutin approbiert; im Laufe des Berufungsverfahrens ist sie im Umfang eines vollen Versorgungsauftrags zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung in Niedersachsen zugelassen worden. Ihren Antrag, ihr wegen eines überdurchschnittlichen Bedarfs türkischstämmiger Patienten an muttersprachlicher Therapie im Bundesland Bremen eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.2.2010 zurück. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 4.1.2012, Urteil des LSG vom 24.6.2015). Das LSG hat ausgeführt, Versicherte hätten keinen Anspruch auf Behandlung in ihrer jeweiligen Muttersprache; aus demselben Grund könne ein besonderer Versorgungsbedarf nicht durch besondere Sprachkenntnisse oder Kenntnisse der kulturellen Hintergründe begründet werden. Unerheblich sei der weitgehend unsubstantiierte Vortrag der Klägerin, im Planungsbereich Bremen-Stadt liege eine Unterversorgung im psychotherapeutischen Bereich vor, weil allein ihr Antrag auf Sonderbedarfszulassung im Streit stehe. Im Übrigen habe der Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass der Versorgungsgrad der Gruppe der Psychotherapeuten im Planungsbereich bei 205,1 % liege, sodass weiterhin eine Überversorgung bestehe. Dem Vorbringen der Klägerin ließen sich auch keine konkreten Anhaltspunkte für einen besonderen lokalen Versorgungsbedarf im Planungsbereich Bremen-Stadt entnehmen.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

II

4

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

5

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht ausreichend dargelegt. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss danach in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG [Kammer], DVBl 1995, 35). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die zitierte BVerfG-Rspr und zB BVerfG [Kammer], SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14).

6

Dem wird die Beschwerde der Klägerin nicht gerecht. Die Klägerin formuliert bereits keine konkreten Rechtsfragen in klarer Formulierung, sondern kritisiert die Auslegung des Begriffes "qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf" durch das BSG. Damit räumt sie ein, dass bereits höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage vorliegt, wie der Begriff "qualifikationsbezogener Versorgungsbedarf" auszulegen ist. Wieso ungeachtet des Umstandes, dass der Senat diesen Begriff - gerade in Bezug auf Psychologische Psychotherapeuten und speziell zu einer von ihnen geltend gemachten besonderen Qualifikation im Bereich der Kommunikation - mit Urteil vom 13.8.2014 (B 6 KA 33/13 R - BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 16) konkretisiert hat, weiterhin Bedarf für eine höchstrichterliche Klärung bestehen soll, hat die Klägerin nicht hinreichend deutlich gemacht. Bei vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung bedarf die Behauptung der weiterhin gegebenen oder der erneuten Klärungsbedürftigkeit besonderer Darlegungen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 14g). Derartige Darlegungen - etwa Ausführungen dazu, dass der Entscheidung in nicht geringem Umfang im Schrifttum widersprochen worden ist und gegen sie nicht abwegige Einwendungen erhoben worden sind (vgl hierzu Leitherer aaO, § 160 RdNr 8b mwN) - enthält die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin beschränkt sich vielmehr darauf, der Auslegung des Senats ihre eigene Auslegung entgegenzuhalten.

7

Soweit die Klägerin ggf eine grundsätzliche Bedeutung darin sieht, dass es nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sei, dass Psychologische Psychotherapeuten über eine zusätzliche Befähigung verfügen müssten, wie sie durch die ärztlichen Weiterbildungsordnungen als "Schwerpunkt", "fakultative Weiterbildung" bzw "besondere Fachkunde" definiert werde, legt sie weder hinreichend dar, inwiefern aus diesem Umstand erneuter Klärungsbedarf in Bezug auf Sonderbedarfszulassungen wegen besonderer Kommunikationsfähigkeiten in einem Revisionsverfahren resultieren sollte, noch macht sie deutlich, inwiefern dieser Gesichtspunkt überhaupt entscheidungserheblich sein könnte. Der Senat hat dargelegt, dass der für eine qualifikationsbezogene Sonderbedarfszulassung maßgebliche "Versorgungsbedarf" maßgeblich von einer besonderen, nachgewiesenen Befähigung des Arztes oder Psychotherapeuten her definiert wird, die in Form einer speziellen Weiterbildung oder Subspezialisierung nach der Weiterbildungsordnung ihren Niederschlag gefunden hat (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 16 RdNr 24). Diese Feststellung gilt für Ärzte und Psychotherapeuten gleichermaßen, wurde vom Senat aber explizit in einem Verfahren getroffen, das von einem Psychologischen Psychotherapeuten geführt wurde. Die Grundaussage, dass eine Sonderbedarfszulassung nicht auf besondere Kommunikationsmethoden oder Sprachkenntnisse gestützt werden kann, gilt daher auch für Psychologische Psychotherapeuten.

8

Soweit die Klägerin weiter ausführt, dass BSG habe in seinem Urteil vom 13.8.2014 (BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 16 RdNr 30) selbst dargelegt, es sei Sache des Gesetzgebers, weitergehende Leistungsansprüche ausdrücklich zu normieren, und hieraus den Schluss zieht, dass angesichts eines "evident bestehenden Versorgungsbedarfes" eine Gesetzeslücke bestehe, die durch Richterrecht zu schließen sei, macht sie zum einen nicht deutlich, inwiefern dies eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen sollte. Zudem verkennt die Klägerin den rechtlichen Gehalt der von ihr zitierten Ausführungen des Senats: Der Senat hat damit deutlich gemacht, dass es allein Sache des Gesetzgebers wäre, etwaige weitergehende Leistungsansprüche zu normieren, sofern dies von ihm für erforderlich angesehen wird; eine durch Richterrecht auszufüllende Regelungslücke hat der Senat erkennbar nicht gesehen.

9

Soweit die Klägerin auf einen steigenden Bedarf an psychotherapeutischen Leistungen im Zuge einer verstärkten Migration ab Mitte 2015 hinweist, lässt sie unerwähnt, dass in Reaktion darauf § 31 Abs 1 Ärzte-ZV durch Gesetz vom 24.10.2015 (BGBl I 1789) um Satz 2 ergänzt worden ist. Danach können Ärzte und Psychotherapeuten speziell zur Versorgung psychisch traumatisierter Flüchtlinge und Asylbewerber ermächtigt werden. Wenn damit feststeht, dass der Gesetzgeber zeitnah auf den steigenden Bedarf an psychotherapeutischer Betreuung im Zuge verstärkter Migration reagiert, wäre es Sache der Klägerin gewesen aufzuzeigen, inwieweit hier entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Senats die Notwendigkeit richterlicher Rechtsfortbildung besteht. Im Übrigen ist weder dargelegt noch offensichtlich, dass die Sprachkenntnisse der Klägerin in der türkischen Sprache für die muttersprachliche Versorgung der ganz überwiegend aus anderen Sprachkreisen stammenden Flüchtlinge hilfreich sind.

10

2. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Wer die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnen. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargestellt und es muss - sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund iS von § 547 ZPO geltend gemacht wird - darüber hinaus dargelegt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 mwN). Die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht sei ihren Beweisanträgen zur Feststellung einer Unterversorgung nicht nachgegangen, ist nicht ausreichend dargetan und damit unzulässig. Nach den aus § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 Nr 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Begründung der Rüge eines Verstoßes gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (siehe hierzu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5) muss die Beschwerdebegründung (1) einen ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem Beweisantrag betroffenen Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann.

11

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Insbesondere versäumt es die Klägerin, die Rechtsauffassung des LSG wiederzugeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Diesem Begründungserfordernis kommt vorliegend besondere Bedeutung zu, weil die Entscheidungsbegründung des LSG gerade nicht erkennen lässt, dass die von der Klägerin aufgeworfenen Tatfragen - namentlich das Vorliegen einer Unterversorgung im maßgeblichen Planungsbereich - klärungsbedürftig sind. Das LSG hat dargelegt, dass Streitgegenstand des Verfahrens allein die Frage ist, ob der Klägerin mit Blick auf ihre türkischen Sprachkenntnisse eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen ist. Daher hätte es näherer Darlegungen der Klägerin dazu bedurft, wieso die - von ihr behauptete - generelle Unterversorgung im Planungsbereich Einfluss auf die Entscheidung des von ihr gestellten Antrags auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung haben kann. Dies liegt gerade nicht auf der Hand: Nach der - allein maßgeblichen - Rechtsauffassung des LSG kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die im Planungsbereich rechnerisch bestehende Überversorgung durch anhaltende Flüchtlingsströme oder durch einen nicht ausreichenden Tätigkeitsumfang der zugelassenen Psychotherapeuten in ihr Gegenteil verkehrt wird, wie die Klägerin annimmt und unter Beweis stellen will.

12

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

13

4. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht den Festsetzungen der Vorinstanz vom 24.6.2015, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Prof. Dr. Wenner
Engelhard
Rademacker

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