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Bundessozialgericht
Urt. v. 15.07.2015, Az.: B 6 KA 31/14 R
Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen in Berlin; Unzulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage von Psychologischen Psychotherapeuten nach Verzicht der ursprünglich zugelassenen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin auf die Zulassung; Zulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage von Psychologischen Psychotherapeuten nach Verzicht der ursprünglich zugelassenen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin auf die Zulassung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 15.07.2015
Referenz: JurionRS 2015, 29032
Aktenzeichen: B 6 KA 31/14 R
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Berlin-Brandenburg - 23.10.2013 - AZ: L 7 KA 16/13

Fundstelle:

Breith. 2016, 694-697

BSG, 15.07.2015 - B 6 KA 31/14 R

in dem Rechtsstreit

Az: B 6 KA 31/14 R

L 7 KA 16/13 (LSG Berlin-Brandenburg)

S 71 KA 31/11 (SG Berlin)

...............................................,

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

Berufungsausschuss für Ärzte und Psychotherapeuten, Zulassungsbezirk Berlin,

Masurenallee 6 A, 14057 Berlin,

Beklagter und Revisionsbeklagter,

beigeladen:

1. ...............................................,

2. Kassenärztliche Vereinigung Berlin,

Masurenallee 6 A, 14057 Berlin,

3. Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Berlin

c/o Kassenärztliche Vereinigung Berlin,

Masurenallee 6 A, 14057 Berlin,

4. Gemeinsamer Bundesausschuss,

Wegelystraße 8, 10623 Berlin,

5. AOK Nordost - Die Gesundheitskasse,

Behlertstraße 33 A, 14467 Potsdam,

6. BKK Landesverband Mitte,

Siebstraße 4, 30171 Hannover,

7. BIG direkt gesund,

Markgrafenstraße 62, 10969 Berlin,

8. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG),

Weißensteinstraße 70 - 72, 34131 Kassel,

9. Verband der Ersatzkassen e.V. - vdek,

Askanischer Platz 1, 10963 Berlin.

Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. W e n n e r , die Richterin Dr. D ü r i n g und den Richter E n g e l h a r d sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. H e r m a n n und W a l d h e r r

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten über die Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen.

2

Die Klägerin ist Psychologische Psychotherapeutin mit der Zusatzqualifikation für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen; die Beigeladene zu 1. ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (KJP). Nachdem der Landesausschuss den Planungsbereich B. im Umfang von 81 vollen Versorgungsaufträgen zur ausschließlichen psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen entsperrt hatte, bewarben sich insgesamt 118 Therapeuten, darunter auch die Klägerin und die Beigeladene zu 1. Während die Beigeladene zu 1. antragsgemäß eine Zulassung erhielt, lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Klägerin ab; der beklagte Berufungsausschuss wies auch ihren Widerspruch zurück (Bescheid vom 9.12.2010 aus der Sitzung vom 27.10.2010). Die Entscheidungen über die gestellten Anträge und die Widersprüche wurden von den Zulassungsgremien jeweils in einem einheitlichen Bescheid getroffen.

3

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrte die Klägerin zunächst die vollständige Aufhebung des Bescheides des Beklagten und dessen Verpflichtung zur Neubescheidung ihres Widerspruchs; nachfolgend hat sie die Klage dahingehend beschränkt, dass sie die Aufhebung des Bescheides nur hinsichtlich der Zulassung der Beigeladenen zu 1. sowie hinsichtlich der Ablehnung ihrer eigenen Zulassung begehrt. Das SG hat den angefochtenen Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verpflichtet (Urteil vom 19.12.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23.10.2013). Zur Begründung hat es ausgeführt, unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung bleibe die Berufung jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil der Senat aus rechtlichen Gründen gehindert sei, isoliert die Zulassung nur der Beigeladenen zu 1. aufzuheben, denn die Auswahlentscheidung sei unteilbar. Offenbleiben könne daher, ob der Beklagte den KJPen den Vorzug habe geben dürfen; hieran bestünden erhebliche Zweifel.

4

Hiergegen hat die Klägerin Revision eingelegt. Während des Revisionsverfahrens hat die Beigeladene zu 1. auf ihre Zulassung verzichtet; der Beklagte hat das Schreiben als Antragsrücknahme gewertet und durch Bescheid vom 9.7.2014 seinen Bescheid vom 27.10./9.12.2010 insoweit aufgehoben, als durch ihn die Beigeladene zu 1. zugelassen wurde.

5

Zur Begründung ihrer Revision hat die Klägerin insbesondere ausgeführt, ihr zulässigerweise auf die Beigeladene zu 1. beschränkter Antrag sei begründet, weil deren Zulassung ex-ante entfallen sei, hilfsweise, weil der Beklagte fehlerhaft ausgewählt habe. Eine isolierte Anfechtung der Beigeladenen zu 1. erteilten Zulassung sei zulässig. Ungeachtet der ohnehin fehlerhaften Auswahlentscheidung des Beklagten ergebe sich ihr Anspruch auf Zulassung bereits aus dem Umstand, dass sich mit der Antragsrücknahme der Beigeladenen zu 1. die Ermessensentscheidung zwischen dieser und ihr - der Klägerin - auf null reduziert habe: Der Beklagte habe durch seine Ankündigung, die der Beigeladenen zu 1. zugedachte Stelle in das noch offene Widerspruchsverfahren einzubeziehen, zu verstehen gegeben, dass sich die Antragsrücknahme auf das Verfahren auswirke und er den Platz der Beigeladenen zu 1. nicht auszuschreiben, sondern an einen Beteiligten dieses Widerspruchsverfahrens zu verteilen gedenke. Dies habe zur Folge, dass sie - die Klägerin -, die diese nunmehr entfallende Zulassung angefochten habe, statt der Beigeladenen zu 1. zuzulassen sei. Das Ermessen des Beklagten sei insoweit auf null reduziert. Folge man nämlich dem zutreffenden Ansatz, dass sich ein abgelehnter Bewerber einen Konkurrenten aussuchen dürfe, gegen den er sich Chancen ausrechne, so hätten sich die Kläger der drei rechtshängigen Verfahren festgelegt, dass jeder nur den Platz des von ihm angegriffenen Bewerbers erhalten könne. Auf eine bessere Eignung der Klägerin komme es nicht mehr an. Da die Voraussetzungen des § 99 Abs 3 Nr 3 SGG vorlägen, verlange sie nunmehr ohne Änderung des Klagegrundes Verpflichtung statt Neubescheidung.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 23.10.2013 aufzuheben, das Urteil des SG Berlin vom 19.12.2012 zu ändern und den Beschluss des Beklagten vom 27.10.2010 auch insoweit aufzuheben, als die Zulassung der Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen abgelehnt wurde, und die Klägerin zur vertragspsychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen zuzulassen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über ihren Zulassungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Nach dem "Verzicht" der Beigeladenen zu 1. stehe diese Zulassung wieder im Auswahlverfahren für alle verbliebenen Bewerber zur Verfügung. Die Rücknahme des Zulassungsantrags lasse den Grund der Beiladung entfallen und damit sei die Beigeladene zu 1. nicht mehr als "Angriffsziel" der Klägerin geeignet. Für ihn - den Beklagten - stelle sich die Situation so dar, als ob die Entscheidung zugunsten der Beigeladenen zu 1. gar nicht getroffen worden sei.

9

Die Beigeladenen haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

II

10

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihre kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist durch den "Verzicht" der Beigeladenen zu 1. auf den Sitz, auf den sie der Beklagte zugelassen hat, unzulässig geworden. Die Klägerin kann eine Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen zu 1. ebenso wenig verlangen wie eine Neubescheidung der Auswahl zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1., weil insoweit keine Auswahl mehr stattzufinden hat.

11

Die Beigeladene zu 1. hat während des Revisionsverfahrens erklärt, auf die ihr erteilte Zulassung zu verzichten. Unabhängig davon, ob man diese Erklärung rechtlich als "Verzicht" oder - wie der Beklagte - als "Antragsrücknahme" ansieht, entspricht die Situation im Ergebnis derjenigen, in der ein von den Zulassungsgremien im Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs 4 SGB V zugelassener Arzt während eines von einem Mitbewerber gegen die Zulassung eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens auf seine Zulassung verzichtet, ohne von ihr Gebrauch gemacht zu haben. Diesbezüglich hatte der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 5.11.2003 (B 6 KA 11/03 R - BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 10 ff) festgestellt, dass sich damit das Nachbesetzungsverfahren erledigt hat. Für die vorliegende Konstellation gilt nichts anderes.

12

Auch hier hat sich der angefochtene Verwaltungsakt des Beklagten im Verlaufe des sozialgerichtlichen Verfahrens dadurch iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG erledigt, dass die Beigeladene zu 1. auf die ihr erteilte Zulassung in B. verzichtet hat. Die Zulassung der Beigeladenen zu 1. kann nicht mehr aufgehoben werden, weil sie keine Wirkung mehr entfaltet. Soweit die Klägerin ihren ursprünglichen Aufhebungsantrag aufrechterhält, ist die Zulässigkeit der Klage entfallen, weil sie nicht mehr geltend machen kann, durch die der Beigeladenen zu 1. erteilte Zulassung beschwert zu sein (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Ebenso erledigt iS des § 131 Abs 1 Satz 3 SGG hat sich auch die zusammen mit der Zulassung der Beigeladenen zu 1. vom Beklagten getroffene Entscheidung, die Zulassungsanträge ua der Klägerin abzulehnen. Die Zulassungsablehnung teilt als rechtlich notwendige Folgeregelung der Zulassung der Beigeladenen zu 1. deren Schicksal. Deshalb zieht die Erledigung der Zulassungsentscheidung aufgrund des Verzichts der Beigeladenen zu 1. die Erledigung der gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Zulassungsablehnung nach sich. Die Klage ist somit auch insoweit unzulässig geworden (so schon BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 11).

13

Die Erledigung erfasst auch das von der Klägerin erhobene Begehren, den Beklagten zu verpflichten, sie - die Klägerin - zuzulassen (so schon BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 12): Nach der Erledigung der Zulassungsentscheidung des Beklagten ist bei den Zulassungsgremien kein Verwaltungsverfahren iS des § 8 SGB X mehr anhängig, das durch die Zulassung der Klägerin abgeschlossen werden könnte. Erteilen die Zulassungsgremien im Rahmen der Auswahlentscheidung einem Bewerber die Zulassung, treffen sie keine Entscheidung des Inhalts, dass auch die anderen Bewerber für die Zulassung in Frage kommen und - für den Fall, dass der zugelassene Bewerber auf die Zulassung verzichtet oder seine Tätigkeit tatsächlich nicht aufnimmt - überhaupt und ggf in einer bestimmten Reihenfolge zuzulassen wären. Die Entscheidung der Zulassungsgremien, unter mehreren Bewerbern denjenigen auszuwählen, der oder die für einen bestimmten Praxissitz zuzulassen ist, bildet den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens, das ein übergangener Bewerber gegen die Auswahlentscheidung einleiten kann. Ist die Auswahl durch den Berufungsausschuss getroffen bzw die entsprechende Entscheidung des Zulassungsausschusses durch ihn bestätigt worden, steht auf die Klage eines nicht berücksichtigten Bewerbers allein die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zur gerichtlichen Überprüfung (BSG aaO).

14

Des Weiteren hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 5.11.2003 (aaO RdNr 15) darauf hingewiesen, dass die Rechtsauffassung der Revision, dass sich die Auswahlentscheidung nach dem Verzicht des ursprünglich zugelassenen Arztes auf diejenigen reduziere, die die ursprüngliche Entscheidung nicht haben bestandskräftig werden lassen, zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen führt: Fechten einige konkurrierende Bewerber die Entscheidung zugunsten des von den Zulassungsgremien ausgewählten Arztes nicht an, weil sie dies für nicht aussichtsreich halten, müssten sie im Ergebnis hinnehmen, dass derjenige Arzt, der sich trotz uU auch von ihm so gesehener Aussichtslosigkeit zur Klage entschlossen hat, nunmehr nach einem Verzicht des zunächst zugelassenen Arztes als einziger Bewerber übrig bleibt. Er müsste zugelassen werden, obwohl möglicherweise in Relation zu ihm die Auswahlchancen der ursprünglich konkurrierenden Bewerber sehr viel besser wären.

15

Nach allem handelt es sich bei der Ablehnung der Zulassungsanträge der konkurrierenden Mitbewerber um Folgeregelungen zur Hauptregelung (Zulassung eines Arztes bzw Therapeuten), die ihre rechtlichen Wirkungen verlieren, wenn sich die Hauptregelung erledigt, bevor der Begünstigte von ihr Gebrauch macht. Das vor den Zulassungsgremien anhängige Verwaltungsverfahren iS des § 8 SGB X ist daher insgesamt beendet, wenn der dieses Verfahren abschließende Verwaltungsakt bestandskräftig wird oder sich - auch vor Eintritt der Bestandskraft - auf andere Weise erledigt (so schon BSGE 91, 253 = SozR 4-2500 § 103 Nr 1, RdNr 20). Ob das Verwaltungsverfahren auf die Zulassung eines Praxisnachfolgers gerichtet ist oder es um die Besetzung "entsperrter" Vertragsarztsitze geht, macht insoweit keinen Unterschied.

16

Die Klägerin hat sich zulässigerweise auf die Anfechtung der Zulassung der Beigeladenen zu 1. beschränkt (s hierzu die Senatsurteile vom heutigen Tag - B 6 KA 32/14 R - RdNr 19 ff - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen und - B 6 KA 29/14 R - RdNr 19 ff); dies hat zur Folge, dass damit die anderen Zulassungen - jedenfalls in Relation zu ihr - bestandskräftig geworden sind. Damit trägt sie das aus der Beschränkung des Streitgegenstandes folgende Risiko, dass sich das Zulassungsverfahren erledigt, wenn die von ihr ausgewählte Mitbewerberin auf ihre Zulassung verzichtet.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben.

Prof. Dr. Wenner
Dr. Düring
Engelhard
Dr. Hermann
Waldherr

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